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Die etwas anderen Obi-Praktikanten

Zwei afghanische Asylbewerber leisteten jetzt Dienste im Kamenzer Baumarkt. Gestaunt wurde dabei auf beiden Seiten.

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© Ina Förster

Von Ina Förster

Sie sprechen Fasi, Urdu und Persisch. Deutsch allerdings nur schlecht. Und das ist schlecht! Rahimullah Rahimi (19) und Amin Jan Ahmadzei (23) aus Afghanistan wurde bislang aber auch noch kein intensiver Deutschkurs zu teil. Mit Händen und Füßen verständigte man sich dennoch irgendwie in den letzten Wochen im Obi-Baumarkt Kamenz. Dort hatten die beiden jungen Asylbewerber nämlich zwei Praktikantenplätze ergattert. „Das Ganze war Teil eines 14-tägigen Praktikums als Integrationsmaßnahme bei der Kamenzer Bildungsgesellschaft“, erzählt Marktleiterin Maren Haase. Zum ersten Mal überhaupt hatte man sich auf ein derartiges Projekt eingelassen. Und es nicht bereut, wie sie bestätigt. Eingesetzt wurden beide bei Hilfstätigkeiten im Gartencenter. Sie gossen Pflanzen und pflegten sie, räumten Ware nach oder bauten neue auf. Auch der Kundschaft fielen die neuen Praktikanten durchaus auf. Staunende, fast verwunderte Blicke gab es da schon ab und an. „Die Jungs waren aber immer sehr hilfsbereit, höflich und fleißig“, so die Chefin. Schon nach ein paar Tagen sahen sie die Arbeit von selbst. Und auch wenn das mit dem sonstigen Deutsch nicht so gut klappte: Rahimullah und Amin Jan kamen jeden Tag mit einem gut gelaunten „Morgen“ zur Arbeit. Pünktlich!

Letzteres hört man eher selten bei Projekten in denen Asylbewerber integriert werden. Sei es in der Freizeit, in der Schule oder auf Arbeit. Hier scheiden sich die unterschiedlichen Kulturen doch sehr, wissen aufmerksame Beobachter der Materie mittlerweile. Die jungen Afghanen aber bescherten dem Obi-Team in dieser Hinsicht einen guten Eindruck. Probleme machten hingegen wie so oft ganz pragmatische Dinge, wie eben die mangelnden Deutsch-Kenntnisse. „Die erste große Hürde stellte schon einmal die Sicherheitsunterweisung für die Arbeit bei Obi dar. Wir haben ihnen dann die Unterlagen mit zur Kamenzer Bildungsgesellschaft gegeben. Dort brachte es ihnen ein Übersetzer rüber“, so Maren Haase. Anders wäre es nicht gegangen …

Sprachbarrieren sind groß

Immer wieder habe man versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit etwas Deutsch und etwas Englisch klappte das im Laufe der Zeit immer besser. „Sie wollten uns sicherlich mehr von sich erzählen, das hat man deutlich gemerkt, aber konnten sich einfach nicht ausdrücken.“ Michael Kießig aus der Gartenabteilung übernahm es, die beiden Afghanen anzuleiten. Er kam bestens zurecht damit. Klare Ansagen. Klare Aufgaben hieß die Devise.

„Sie brauchten auf jeden Fall einen Ansprechpartner. Ich denke sogar, dass die Asylbewerber zuerst besser bei einem Mann aufgehoben waren. Sie bekamen erstmals überhaupt einen Einblick ins deutsche Arbeitsleben“, so Maren Haase. „Dabei lernten sie gleich noch nebenbei die Rolle der Frau in unserem Land kennen. Was Gleichberechtigung hier bedeutet, davon haben sie jetzt vielleicht eine Ahnung“, schmunzelte die Marktleiterin. Natürlich schauten sie am ersten Tag schon etwas erstaunt, als sie mitbekamen, dass eine Frau hier das Sagen hat. Und als die Chefin einmal sogar den Raucher- und Pausenraum betrat, um jemanden der Männer zu sprechen, wäre ihnen vor der Tür fast das Brot im Hals steckengeblieben, als sie es beobachteten. „Eine Frau allein unter Männer in deren Refugium – das ging gar nicht“, erzählte Maren Haase. Doch sie brachte Verständnis auf dafür. Zumal man merkte, dass ein Umdenken einsetzte.

Monate auf der Flucht

In Afghanistan, einer männerdominierten Welt mit strengen Regeln und Riten, wäre so etwas undenkbar. Wie vieles andere auch. Hinter Rahimullah Rahimi und Amin Jan Ahmadzei liegen übrigens Monate der Flucht. Der Weg nach Deutschland war weit für die jungen Männer. Irgendwann sind sie mit 30 anderen jungen Afghanen zu Fuß los gezogen. Nur 17 davon sind in Deutschland angekommen. Der Rest starb unterwegs durch Granaten oder Bomben. Und die aktuelle Lage bei ihnen daheim sieht nicht gut aus: Insgesamt sind derzeit mehr als 1,2 Millionen Afghanen im eigenen Land auf der Flucht. Allein zwischen Januar und Anfang September sind fast 250 000 Menschen durch die Kämpfe im Land entwurzelt worden, heißt es laut neuesten Medienberichten.

Das Einleben in Deutschland wird sicherlich auch nicht leicht. Viele Dinge sind ungeklärt, unausgegoren. Doch ein Praktikum wie im Baumarkt macht Hoffnung. Auch wenn sie noch so klein ist. Und bei OBI ist man sich sicher: „Wir würden auf jeden Fall wieder Praktikanten nehmen!“