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Die frühen Kommunisten

Vor 130 Jahren wurde im Ort ein geschwisterlicher Verein gegründet. Eine Straße heißt noch heute Zur Brüdergemeinde.

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Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Waltraud Schumann blättert in einem dünnen A 5-Heftchen. Es erzählt die Geschichte des Vereins geschwisterliche Vereinigung zu Thiendorf e.V., auch Brüdergemeinde genannt. Vor 16 Jahren wurde es von der damaligen Ortschronistin Birgit Naumann erstellt. Waltraud Schumann ist vielleicht die Einzige, die im Ort noch etwas mit den alten Fotos und Akten darin anfangen kann. Denn die heute 85-Jährige hat die Brüdergemeinde noch einige Kinder- und Jugendjahre lang selbst erlebt.

Diese typischen Klinkervillen und der Straßenname erinnern noch heute an die Thiendorfer Brüdergemeinde. Kleines Foto oben: Waltraud Schumann wurde 1929 in der Kommune geboren. Ihren Eltern gehörten dazu. Vater Kurt Mocker war der Geschirrführer der Landw
Diese typischen Klinkervillen und der Straßenname erinnern noch heute an die Thiendorfer Brüdergemeinde. Kleines Foto oben: Waltraud Schumann wurde 1929 in der Kommune geboren. Ihren Eltern gehörten dazu. Vater Kurt Mocker war der Geschirrführer der Landw
Diese typischen Klinkervillen und der Straßenname erinnern noch heute an die Thiendorfer Brüdergemeinde. Kleines Foto oben: Waltraud Schumann wurde 1929 in der Kommune geboren. Ihren Eltern gehörten dazu. Vater Kurt Mocker war der Geschirrführer der Landw
Diese typischen Klinkervillen und der Straßenname erinnern noch heute an die Thiendorfer Brüdergemeinde. Kleines Foto oben: Waltraud Schumann wurde 1929 in der Kommune geboren. Ihren Eltern gehörten dazu. Vater Kurt Mocker war der Geschirrführer der Landw

„Mein Vater kam aus dem Vogtland nach Thiendorf, weil ihn sein Onkel Ernst darum gebeten hatte“, erzählt die Seniorin. Onkel und Tante Mocker waren aus Amerika zurückgekommen, wohin viele aus der vor 130 Jahren gegründeten Kommune ausgewandert waren. Doch sie hatten keine Kinder. Mitglieder und mithin Mitarbeiter wurden aber in der landwirtschaftlichen Kommune dringend gebraucht.

Als Waltraud Schumann 1929 zur Welt kam, umfasste die Brüdergemeinde ein stattliches Gelände zwischen der Straße nach Liega und dem heutigen Feuerwehrdepot. Dazu gehörten ein Garten, Scheunen und Ställe, eine Tischlerei und ein Maschinengebäude, das Wirtschaftshaus mit Gemeinschaftsspeisesaal und natürlich die Wohnhäuser. „Meine Eltern bekamen kein Geld fürs Arbeiten“, erinnert sich die Thiendorferin. Alles wurde in eine Gemeinschaftskasse gegeben. Dafür wurden neue Technik angeschafft oder Reparaturen bezahlt. Waltraud Schumann bekam das zu spüren: Sie musste in Holzpantinen bis nach Schönfeld zum Konfirmandenunterricht laufen. „Meine Eltern haben sich deshalb etwas dazuverdient: Mutter strickte Strümpfe für die Thiendorfer Bauern und der Vater kassierte im Gasthof den Eintritt, wenn Tanz war.“

Der Verzicht auf zu viel persönlichen Besitz stand bei den frühen Kommunisten im Programm. Doch die religiös geprägten Mitglieder waren eher spirituell angehaucht. Bindeglied untereinander, so weiß es auch Waltraud Schumann, waren die Gebetsstunden. Ihre Eltern hätten daran aber nicht teilgenommen. Im Dorf hätte man die Kommune aber „die Heiligen“ genannt. Sie waren schon ein Dorf im Dorfe. Man erzählte sich von spiritistischen Versammlungen. Waltraud Schumann hat sich als Kind leider nicht dafür interessiert.

„Das Leben war gut, aber wir waren arm“, fasst die Thiendorferin zusammen. Um zu verstehen, was damals gelaufen ist, muss man sich in die Zeit hineinversetzen. Alternative Lebensformen hatte um die Jahrhundertwende Konjunktur. Man wollte zurück aufs Land, sein Leben und seine Ernährung selbst bestimmen. Immerhin erbte Schumanns Mutter nach Auflösung der Kommune ein Haus. Das gibt es heute noch – mit dem markanten gelben Klinker.