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Die Große mit der kleinen Schwäche

Kathleen Slay fühlt sich in Dresden wohl. Nur manchmal ist die Volleyballerin genervt.

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© Wolfgang Wittchen

Von Michaela Widder

Die üppige Kuchen-Auslage im Café am Schillerplatz ist zu verlockend. Kathleen Slay entscheidet sich für einen Prasselkuchen, obwohl sie eigentlich zurzeit auf Süßigkeiten verzichtet. Es ist nicht so, dass die Volleyballerin vom Dresdner SC strikt Kalorien zählen müsste. Vielmehr ist es ein Deal mit ein paar anderen Teamkolleginnen, die seit dem Hamburg-Spiel am 8. November ein Schoko-No-Go ausgerufen haben. Ein Monat war geplant. Doch an diesem Mittwoch endet der süße Verzicht vorzeitig, was nichts mit dem Champions-League-Spiel gegen Baku zu tun hat, sondern mit Thanksgiving am Tag darauf. Für Slay ist das wie für die meisten Amerikaner das wichtigste Familienfest nach Weihnachten, und das wird auch in Dresden gefeiert.

„Da gehört natürlich Süßes dazu“, findet Slay, die eine kleine Schwäche für Nutella und Erdnussbutter hat. Den traditionellen Truthahn gibt es bei US-Teamkollegin Michelle Bartsch, da ihre Eltern zu Besuch sind und den Braten zubereiten. Slay ist für die typische Beilage – Süßkartoffeln glasiert mit braunem Zucker – zuständig. Dieser Donnerstag ist einer der wenigen Abende in Dresden, an denen sie in gemütlicher Runde zusammen feiern werden.

Für Kathleen Slay, die alle nur Katie rufen, ist es die erste Saison beim DSC und wieder ein großes Abenteuer. „Ich bin jeden Tag sehr dankbar dafür, Volleyball-Profi sein zu dürfen“, sagt die 24-Jährige und meint das genauso. Im vorigen Jahr spielt Slay ihre erste Übersee-Saison beim französischen Erstligisten Vannes. „Es war anfangs schwierig, weil der Coach nur französisch sprach. Da war ich manchmal etwas überfordert.“ Erfahrungen, die eine Spielerpersönlichkeit reifen lassen. Zurückblickend denkt Slay manchmal über den Spruch eines amerikanischen Fernsehpredigers nach. „Tough times never last, but tough people do.“ – Harte Zeiten vergehen, aber starke Menschen bleiben.

Im Sommer führt der Weg nach Dresden. Wieder ist es ein Neubeginn, aber einer, der leichter fällt. Vieles ist für die Spielerinnen beim DSC perfekt organisiert. Im Training wird englisch gesprochen, da fällt diese Barriere weg. Mit Gina Mancuso und Whitney Little sind sie das neue US-Trio, und Michelle Bartsch, die seit 2014 in Dresden ist, kennt sie schon länger. Zusammen waren sie im Sommer in München, wo Slay ihre erste Maß trank.

Keine Lust auf Shoppen

Doch seit die Saison mit Liga, Pokal und Champions League im Oktober begonnen hat, bleibt kaum Zeit. An den wenigen freien Tagen sehnt sich Slay wie die meisten im Team nach Entspannung. Sie spaziert oft an der Elbe. Über die schönen Herbsttage in der Stadt hat sie sogar in ihrem Blog geschrieben. Da die Physiotherapie in der Nähe der Elbe ist, lässt sich eine Behandlung öfter mit einem Bummel am Blauen Wunder verbinden.

Wie fast alle Spielerinnen beim DSC verabredet sich Slay auch gern in der Altstadt bei Starbucks, dabei ist sie eher eine Tee- als eine Kaffeetrinkerin. „Das ist etwas Heimat“, sagt sie über die amerikanische Cafékette. Doch anders als die meisten Spielerinnen, geht sie nur selten auf der Prager Straße shoppen. „Das ist nicht so mein Ding. Ich finde eh meistens nichts, was mir passt“, sagt sie.

Es sind ihre 1,98 Meter, die manchmal Fluch, doch meistens Segen sind. „Wenn ich nicht so groß wäre“, erklärt sie, „wäre ich vielleicht keine Volleyballerin und hätte nicht die Chance, die Welt zu entdecken.“ Und doch nervt es manchmal. „Wenn ich abends ungeschminkt noch mal schnell in den Supermarkt will und angestarrt werde.“ Oder eben beim Shoppen. Schöne Schuhe in Größe 44 zu finden, ist fast aussichtslos. Katie Slay trägt deshalb am liebsten Sneakers, und die findet sie oft im Männerregal oder online.

Für eine Mittelblockerin hat sie jedenfalls Traummaße. Gemeinsam mit Eva Rutarova vom Köpenicker SC sind sie zurzeit die größten Volleyballerinnen der Liga. „Katie hat eine starke Netzpräsenz und für ihre Körperlänge eine gute Koordination. Sie kann noch schneller werden“, sagt Alexander Waibl. Der Trainer feilt viel an ihrer Technik. „Die Art, wie wir blocken wollen, muss sie noch verinnerlichen. Das wurde in Frankreich etwas vernachlässigt“, meint er. Solche Typen wie Slay voranzubringen, macht Waibl immer besonders viel Spaß. „Ein kluges, humorvolles Mädel. Sie hat so einen trockenen Witz“, findet er.

Sie zählt auf dem Feld nicht zu den Lautsprechern, und auch abseits davon hält sie es nicht viel anders. Wenn Slay aber über ihr Leben spricht, strahlt sie eine große Zufriedenheit aus. Die Familie gibt Rückhalt. Mit den Eltern hat sie täglich Kontakt, sie kommen zusammen mit Bruder Ryan zu Weihnachten zu Besuch. Fast zwei Wochen wird die Familie in Deutschland bleiben, das Fest verbringen sie in Prag. Im vorigen Jahr waren sie gemeinsam in Paris. „Das war toll. Am 24. Dezember waren wir fast allein im Schloss Versailles.“

Slay ist ein Familienmensch. Zu Thanksgiving hat sich ihre Cousine angesagt. Und von der Tante bekommt sie fast jede Woche Post aus den Staaten, aber keine E-Mails, sondern Karten mit schönen Sprüchen oder kleinen Geschenken. Etwas Heimatgefühl in der Ferne tut gut.

Champions League: DSC – Telekom Baku Mi., 19 Uhr