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Die Heide steht vor dem Kollaps

Der Wald besteht zu einem Viertel aus Fichten. Die sind so geschwächt, dass sie bald ganz verschwinden.

Von Kay Haufe
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Ein Bild, das Forstdirektor Heiko Müller nicht gefällt: Viel zu viel Holz muss derzeit schnell raus dem Wald, weil es vom Borkenkäfer befallen ist.
Ein Bild, das Forstdirektor Heiko Müller nicht gefällt: Viel zu viel Holz muss derzeit schnell raus dem Wald, weil es vom Borkenkäfer befallen ist. © Christian Juppe

Am Dachsenberg bei Langebrück ist die ganze Dramatik mit bloßen Auge erkennbar. 90 Jahre alte Fichten haben braune Nadeln, ihre Borke fällt ab. „Die Bäume sind tot“, sagt Forstdirektor Heiko Müller von Sachsenforst. Und mit ihnen ein Großteil der Fichten in der Heide.

Was sind die größten Probleme?

Nach dem zweiten extrem trockenen Sommer ist das Wasserdefizit im Waldboden so groß, dass insbesondere der Flachwurzler Fichte großflächig abstirbt. Dazu trägt auch der Borkenkäfer bei, der sich aufgrund perfekter Lebensumstände explosionsartig vermehrt. Statt normaler zwei, bringt er letzten und diesen Sommer drei Generationen hervor. Doch auch alte Buchen leiden massiv unter der Trockenheit, verlieren Teile ihrer Krone und werfen Äste ab.

Wie reagieren die Forstwirte darauf?

In diesem Jahr müssen in der Heide rund 20.000 Kubikmeter Holz eingeschlagen werden, das vom Käfer befallen ist. „Das ist mehr als das Anderthalbfache des normalen jährlichen Einschlags“, sagt Müller. Doch das Holz muss möglichst schnell aus dem Wald heraus, damit es nicht weiter Schaden nimmt. Denn über die Fraßkanäle des Borkenkäfers dringen Pilze in das Holz ein und verfärben es dunkel.

Am Dachsenberg bei Langebrück sind mehrere Hektar Fichtenbestand abgestorben.
Am Dachsenberg bei Langebrück sind mehrere Hektar Fichtenbestand abgestorben. © Christian Juppe
Die typischen Fraßspuren des Borkenkäfers sind unter der Borke der Fichten zu finden.
Die typischen Fraßspuren des Borkenkäfers sind unter der Borke der Fichten zu finden. © Christian Juppe
Werden oft ignoriert: Warnschilder weisen auf die Lebensgefahr bei Baumfällungen hin.
Werden oft ignoriert: Warnschilder weisen auf die Lebensgefahr bei Baumfällungen hin. © Christian Juppe

Entstehen wirtschaftliche Folgen?

Nicht nur die Heide, sondern viele Waldgebiete in Deutschland leiden unter den Folgen der Trockenheit und des Borkenkäferbefalls. In der Folge ist sehr viel mehr Holz auf dem Markt als im Durchschnitt. Trotz guter Konjunktur am Bau, wo viel Fichtenholz für Dachstühle und anderes verwendet wird, sind die Preise fast halbiert. Bekam Sachsenforst 2017 noch rund 60 Euro für den Kubikmeter, sind es aktuell nur noch 38 Euro. Manche Holzarten sind kaum noch absetzbar. Parallel sind die Holzeinschlagskosten um 20 Prozent gestiegen, die Unternehmen sind fast rund um die Uhr im Einsatz.

Wie achtsam sind die Dresdner?

Generell reagierten Bürger bei Fällungen sehr emotional, sagt der Forstdirektor. Doch momentan sehen Fichtenbestände selbst von Nahem noch gesund aus, sind aber eigentlich schon tot, wenn braunes Bohrmehl der Käfer am Stamm zu sehen ist. Förster, Waldarbeiter und Unternehmen werden von Besuchern als „Verwüster“ beschimpft, sagt Müller. Die Leute liefen teilweise in die abgesperrten Fällgebiete, rissen Absperrungen nieder und begäben sich in Kranbereiche der Forstmaschinen und sich selbst in Lebensgefahr. Auch kleine Umwege von 50 Metern seien Manchen zu viel.

Wie sieht die Zukunft der Heide aus?

Das Bild der Heide wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern, sagt Heiko Müller. Große Kahlflächen müssten wiederaufgeforstet werden, was nicht nur viel kostet, sondern auch personell schwierig werden wird. Dazu kämen Engpässe bei der Anzucht benötigter Pflanzen in den Baumschulen. Es gebe aber auch Flächen, wo Bäume genügend Samen verlieren und sich so selbst vermehren. Dort stünden aber nicht zu 100 Prozent die Arten, die sich die Förster wünschen.

Welche Bäume ersetzen die Fichten?

In der Heide wird verstärkt auf Roteiche gesetzt, aber die Waldarbeiter säen seit einigen Jahren auch Weißtanne aus, die sich bei Hitze bewährt hat. Aufgeforstet wird zudem mit Lärche. Auf nährstoffreichen Böden wachse auch der Bergahorn gut. „Aber diese Baumarten benötigen deutlich länger als Fichten, bis sie geerntet werden können“, sagt Müller. Bei Eichen sind es rund 100 bis 120 Jahre, bei Weißtannen 60 bis 70 Jahre.

Welche Sorgen bewegen die Förster?

„Meine Revierförster erleben derzeit mit dem Fichtensterben, wie jahrzehntelange Arbeit innerhalb weniger Monate zunichtegemacht wird“, sagt Müller. Das belaste die Mitarbeiter mental. Bäume, die in den nächsten Jahrzehnten Stück für Stück gefällt werden sollten, seien auf einen Schlag weg. „Wir müssen das Ökosystem Wald viel schneller durch den Klimawandel umgestalten, als wir uns das vorgestellt haben.“ Grundsätzlich müsse man 100 Jahre vorausdenken, um den Wald gut zu bestellen. Doch jetzt seien kurzfristige Aufforstungen nötig. „Dazu benötigen wir aber auch die Unterstützung der Waldbesucher. „Sie sollten in erster Linie Verständnis dafür aufbringen, für das, was wir tun“, sagt Müller.