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Die Lange Straße auf 87 Seiten

Hoyerswerdas Kulturbund legt eine neue Broschüre vor.

Von Mirko Kolodziej
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Peter Biernath freut sich, dass das Druckwerk jetzt für alle Interessenten zu haben ist.
Peter Biernath freut sich, dass das Druckwerk jetzt für alle Interessenten zu haben ist. © Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Man stelle sich vor, es klingelt und vor der Tür steht ein Mann mit Zollstock und dem Wunsch, das Haus zu vermessen. Peter Biernath hat das vor vielen Jahren getan. „Die Leute waren alle recht entgegenkommend“, erzählt er. 

Biernath hat sich dazumal als Denkmalpfleger mit der Langen Straße in Hoyerswerdas Altstadt befasst. 1978 war sie als „barockes städtebauliches Ensemble kleiner ein- und zweigeschossiger Handwerkerhäuser“ in die Denkmalliste des Bezirkes Cottbus aufgenommen worden. Das Ergebnis der Arbeit des Denkmalpflegers war 1984 eine „Analyse und Umgestaltungskonzeption für das Denkmalschutzensemble Lange Straße“. Sie entstand im Zusammenhang mit einem Zusatzstudium des Architekten an der Technischen Universität Dresden.

Das Thema sollte den heute 82-Jährigen nie wieder loslassen. Druckfrisch hat der Kulturbund-Nestor jetzt mithilfe vor allem seiner Vereinskolleginnen Elvira Lätsch und Paula Strobel eine neue Broschüre zur „Erbepflege in Hoyerswerda“ vorgelegt. Das 87-seitige Heft „Die Lange Straße in Hoyerswerda und das Haus Nr. 1“ widmet sich, wie es heißt, dem „besonderen Reiz des Straßenensembles“ und es erweitert zugleich die Reihe zahlreicher Publikationen des Vereins zu Kunst, Kultur und Denkmalschutz in Hoyerswerda.

Ausgangspunkt, sagt Biernath, sei eine andere Veröffentlichung gewesen. Architekt Manfred Hammer vom Verein für Ländliche Bauwerte in Sachsen recherchierte vor ein paar Jahren auch in der Hoyerswerdaer Gegend für seine Reihe „Bauernhäuser, Bauernhöfe, Dörfer“ und er bekam dabei Unterstützung vom Kulturbund. Immer wieder, erzählt Biernath, habe Hammer damals gedrängt, der Verein müsse unbedingt eine Chronik seiner Arbeit vorlegen. Nun ist diese in dem Heft zur Langen Straße enthalten. Denn schließlich hat der Verein seinen Sitz im Denkmalhaus mit der Nummer 1. Es ist das letzte jener fünf Gebäude, die das Stadtmuseum in den 1980ern unter der Leitung von Helga Müller für sein Projekt „Handwerkergasse“ erworben hatte, das noch im Besitz der Stadt ist. Die anderen vier waren nach dem Ende der DDR schnell veräußert. „Wir sind 1982 mit dem Haus betraut worden“, sagt Peter Biernath. Zuvor hatten sich die Kulturbündler in einem der Häuser am Markt mit lokalem Denkmalschutz befasst.

Es gibt alte Fotos, die zeigen die Lange Straße 1 in einem erbärmlichen Zustand. Peter Biernath hatte während seiner Arbeit zuvor noch die beiden alten Damen kennengelernt, die hier zuletzt wohnten – mit nur einem Wasserhahn, ohne Ausguss, mit einem Plumpsklo auf dem Hof. Nachdem sie gestorben waren, nahm der Kulturbund sich des Gebäudes an. Ehrenamtlich starteten 1983 die ersten Rekonstruktionen. Es dauert. „Jährlich wurden ca. 200 Stunden in freiwilliger, unbezahlter und nebenberuflicher Tätigkeit durchgeführt“, heißt es in der Chronik. Reichlich ein Jahrzehnt verging, die DDR verschwand, und 1994 schickte die Stadt Handwerker. Zum Tag des offenen Denkmals im selben Jahr konnte der Verein das Gebäude endgültig der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Hier kann man nun in die Geschichte eintauchen; dank des ziegelgepflasterten Flurs mit der Waschkessel-Ecke, dank der vielen Bildtafeln zur Stadthistorie oder auch dank zahlreicher Veranstaltungen. Freilich erinnert das Haus auch sonst immer mal wieder an sein Alter. Nach Bauarbeiten in der Langen Straße zeigten sich Risse in der Fassade. Ein Teil des Obergeschosses unterliegt aus statischen Gründen baurechtlichen Beschränkungen. Die Holzfenster bräuchten eine Behandlung durch einen Fachmann. Und im Versammlungsraum ist ein Teil der Lehmdecke freigelegt. Der wohl durch die Handwerker bei der Instandsetzung nicht ganz fachgerecht verwendete Strukturputz ist abgeplatzt.

Der Verein lässt sich allerdings nicht beirren. Nachdem nun die neue Broschüre vorliegt, hat Peter Biernath schon einen neuen Antrag für ein Folgewerk bei der Sparkassenstiftung eingereicht: Es soll ein Fotoband werden – gegenübergestellt historische Aufnahmen von Denkmalen aktuellen Bildern. Zwei Fotografien von der Langen Straße 1 sind schon ausgesucht.

„Die Lange Straße in Hoyerswerda“ (herausgegeben vom Kulturbund Hoyerswerda), 87 Seiten, 8 Euro, zu haben in der Langen Straße 1 - dienstags und donnerstags 10-13 Uhr

So sah das Haus Lange Straße 1 vor seiner Sanierung aus - hier ein Blick von hinten.
So sah das Haus Lange Straße 1 vor seiner Sanierung aus - hier ein Blick von hinten. © Kulturbund