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Die Langsamkeit neu entdecken

Für die Döbelner Polizei ist der Blitz-Marathon eine eher langweilige Aktion. Deshalb hat sie sich gelohnt.

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Von Elke Görlitz und Peggy Zill

An der Ritterstraße gleich neben der Sparkasse steht Polizeihauptkommissar Mirko Burzinski hinter dem Lasermessgerät. „Eigentlich kommen wir an dieser Messstelle sonst gar nicht nach mit dem Herauswinken“, sagt er. Heute ist das anders. Burzinski und seine Kollegen Anika Diedrich und Michael Holz schauen beinahe schon amüsiert zu, wie diszipliniert sich die Kraftfahrer verhalten. Manche fahren lachend vorbei, stolz darauf, sich an Tempo 30 gehalten zu haben.

Kein Wunder, war der Blitz-Marathon doch lange angekündigt. Deutschlandweit finden 24 Stunden lang Tempokontrollen statt. In Sachsen messen 500 Polizisten und Bedienstete der Kommunen an 280 Stellen die Geschwindigkeit. Die meisten sind bekannt. Im Internet kann man sich informieren, wo „geblitzt“ wird. Deshalb können Burzinski und Kollegen an diesem Vormittag die Langsamkeit neu entdecken. Der Laser nimmt die Fahrzeuge ab einer Distanz von 400 Metern ins Visier. Mal zeigt die Anzeige 32, mal 35 Kilometer pro Stunde, manchmal aber sogar deutlich unter 30. „Manche übertreiben es aber heute auch“, lacht Polizeiobermeister Michael Holz.

Acht Raser in sieben Stunden

Schon am Morgen am Leipziger Berg seien die Kraftfahrer überaus diszipliniert unterwegs gewesen. Bergauf fuhren manche sogar nach Ende der Tempo-30-Zone noch mit 30, erzählen die Beamten. Das passiert an anderen Tagen nicht, wissen sie aus Erfahrung. Letztlich wurden am Leipziger Berg dann doch noch zwei Autofahrer erwischt. Einer sei auf dem Weg zur Arbeit schon etwas spät dran gewesen, eine ältere Frau habe wohl einfach nur geträumt, sagen die Beamten. An der Oschatzer Straße, wo sich die Polizisten an der Einfahrt zum Holzhandel Ulmke postiert hatten, musste gar niemand herausgewinkt werden. Deshalb zogen die Polizisten weiter an die Ritterstraße.

Dass hier nur Tempo 30 erlaubt ist, macht Sinn wegen der vielen Fußgänger. Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes hat Mühe, eine Frau im Rollstuhl von der Fahrbahn zu schieben. Der Bordstein ist zu hoch. Für eine Rentnerin mit Rollator ist die Straßenüberquerung ebenso schwer. Auf dem Fußweg angelangt, kommt sie wieder gut voran. Zwei Stundenkilometer misst der Laser. „Der funktioniert ab einer Distanz von 20 Metern“, erklärt Burzinski und nimmt wieder die etwas schnelleren Fahrzeuge aufs Korn. Und tatsächlich, eines ist mal flotter als erlaubt unterwegs. Ein BMW nähert sich mit 40 Kilometern pro Stunde. 15 Euro wird das den Fahrer, den Chef eines Döbelner Dienstleistungsunternehmens, kosten. Der bezahlt bereitwillig. „Meist bin ich hier noch schneller,“ gibt er unumwunden zu. Auch, dass er am Sinn der Aktion zweifelt. „Vor Kindergärten und Schulen, da ist das in Ordnung. Aber hier?“ Wenig später wird eine Nissanfahrerin noch 15 Euro los. Schnellster auf der Ritterstraße ist ein Döbelner Gastronom mit seinem VW Multivan. 45 Stundenkilometer in der Tempo-30-Zone kosten ihn 25 Euro. Zwar zahlt er gleich – und ein hochroter Kopf lässt auch darauf schließen, dass er sich ertappt fühlt – doch auf der Breitscheidstraße gibt er gleich wieder Vollgas. Kopfschüttelnd schauen ihm die Polizisten nach. Auch einem Rentner, der nicht angeschnallt ist, und beim Abbiegen auf die Breitscheidstraße nicht nur die Kurve schneidet, sondern beim Anblick der Polizisten gleich so nervös wird, dass er beinahe auf ein parkendes Auto fährt. „Den lassen wir lieber jetzt in Ruhe“, entscheidet Michael Holz. „Sonst baut der alte Mann wirklich noch einen Unfall.“

Weiter geht es nach Naundorf. Dort messen die Beamten in zwei Richtungen. Aber auch hier ist die „Ausbeute“ gering. Nur drei Autofahrer sind zu schnell unterwegs. Immerhin schnappen die drei Polizisten hier den Rekordhalter der Schicht: Er war bei erlaubten 50 Stundenkilometern mit 73 unterwegs.

Bis 13 Uhr haben die Beamten nur acht Temposünder erwischt. Wenig im Vergleich zu normalen Tagen. Aber das hatten sie auch nicht anders erwartet. Immerhin sei die Aktion groß angekündigt worden. „Ob der Blitz-Marathon allerdings nachhaltig dazu führt, dass langsamer gefahren wird?“ – Mirko Burzinski zweifelt.

Die Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes konnten sich da gestern besser vor potenziellen Rasern verstecken. Wie Stadtsprecher Thomas Mettcher mitteilte, habe man in Ebersbach an der Straße Richtung Roßwein geblitzt und in drei Stunden 14 Geschwindigkeitsüberschreitungen festgestellt.