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Die letzte Wahl

Öffentliche Telefonzellen in Sachsen verschwinden nach und nach. Die Telekom setzt heute auf andere Angebote.

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© Ronald Bonß

Von Frances Scholz

Sie ist gelb, hat eine Grundfläche von einem Quadratmeter, und die Menschen standen früher Schlange, um sie betreten zu dürfen. Die Rede ist von der öffentlichen Telefonzelle. Doch sie ist inzwischen eine Rarität. Vor einem Jahr noch leuchtete eine der seltenen auf der Dresdner Rietschelstraße aus Leibeskräften. Nun ist auch sie verschwunden – auf den Friedhof eingehauster Kommunikation.

Fein nach Farben sortiert – der Friedhof der Telefonzellen bei Potsdam. Screenshot: Google
Fein nach Farben sortiert – der Friedhof der Telefonzellen bei Potsdam. Screenshot: Google

Rund 270 Telefonzellen gibt es nach Angaben des Brand- und Katastrophenschutzamtes Dresden noch in der Landeshauptstadt. Von denen auch regelmäßig Notrufe abgesetzt werden. „In den Leitstellen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes Dresden gingen im vergangenen Jahr 115.200 Notrufe ein. 420 davon kamen aus Telefonzellen“, sagt Pressesprecher Kai Schulz. Die Telefonzelle kann also zumindest in Notsituationen eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem ließ die Deutsche Telekom in den vergangenen drei Jahren 1.248 Stück in ganz Sachsen abbauen.

„Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen“, erklärt Telekomsprecher Georg von Wagner. Statistisch gesehen habe heute jeder Deutsche mindestens ein Handy. Hinzu komme die flächendeckende Versorgung über Festnetztelefone im eigenen Haushalt. Die Notwendigkeit für Telefonzellen nehme damit dementsprechend ab. Seit Ende der 90er-Jahre schrumpften die jährlichen Umsätze in der Sparte von einer Milliarde auf 100 Millionen Euro.

Das belegen auch die Zahlen der Bundesnetzagentur. Die hat allerdings erst 1998 mit ihren Aufzeichnungen begonnen. „Wie viele Telefonzellen es davor gab, können wir nicht sagen“, sagt Armasari Soetarto, Sprecherin für Telekommunikation. Aber im Jahr 1998 waren es immerhin 148.000 Telefonhäuschen deutschlandweit. Mit heute rund 40.000 öffentlichen Apparaten ist somit nicht mal mehr ein Drittel geblieben. Wie viele Telefonzellen in Sachsen stehen, können weder die Bundesnetzagentur noch die Deutsche Telekom sagen. „Wir erfassen leider keine regionalen Daten, sondern nur die für das gesamte Land“, sagt Armasari Soetarto.

Kommunen haben Vetorecht

Fest steht nur, dass jährlich in allen Bundesländern Telefonzellen entfernt werden. Dieser Abbau erfolgt im Rahmen des von der Bundesnetzagentur genehmigten Abbauprogramms. Dabei ist die Telekom als Marktführer nach dem Telekommunikationsgesetz von 2004 dazu verpflichtet, „flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Münz- und Kartentelefonen“ zu gewährleisten. Jedoch können extrem unwirtschaftliche öffentliche Telefonhäuschen demontiert werden. „Fällt der Umsatz an einem Standort unter die 50 Euro pro Monat, wenden wir uns an das zuständige Rathaus“, sagt Georg von Wagner. Das Besondere: Die Kommunen haben gegenüber dem Unternehmen ein Vetorecht. „Wenn die Kommune an einem Standort festhalten möchte, sprechen wir mit ihr über eine kostengünstige Alternative wie etwa ein Basistelefon“, sagt der Telekomsprecher. Denn der Unterhalt einer Telefonzelle koste die Telekom viel Geld, etwa für Strom, Standortmiete und Wartung. Wie viel das im Durschnitt macht, kann der Unternehmenssprecher allerdings nicht beziffern. Denn jede Telefonzelle sei anders, begründet Georg von Wagner.

Das Basistelefon kann den Charme der Telefonzelle jedoch nicht ersetzten. Eine einfache Säule mit einem Telefonapparat, ohne jeglichen Geräuschschutz, vermittelt beim Telefonieren nicht gerade Privatsphäre. Es kann zudem nur mit Telefon- oder Kreditkarte bedient werden. Durch das bargeldlose Zahlen ist das Telefon weitestgehend vor Vandalismus geschützt, heißt es aus der Telekom-Werbebroschüre. Die Zerstörung oder das Beschmieren von Telefonzellen ist trotzdem ein großes Thema für den Konzern. „Uns entstehen so jährlich Schäden in Millionenhöhe.“ Kaputte, zerstörte und abmontierte Telefonhäuschen landen dann im Zentrallager der Telekom, südlich von Berlin.

Dass irgendwann einmal alle deutschen Telefonzellen verschwinden, daran glaubt Georg von Wagner aber nicht. „Vor allem neue Dienste und Produkte steigern wieder die Bedeutung der öffentlichen Telekommunikation.“ Viel wichtiger als das Telefonieren an den öffentlichen Apparaten sind mittlerweile andere Dienste geworden.

Zum Beispiel im Internet surfen. „An deutschlandweit rund 2.000 Telestationen und Multimediastationen ist der kabellose Internet-Zugang über WLAN verfügbar“, sagt der Telekomsprecher. Außerdem kann der Fahrplan der örtlichen Verkehrsbetriebe abgerufen werden. Sogar hörgeschädigte oder taube Menschen können an speziell dafür ausgerüsteten Terminals telefonieren. Auf einem Bildschirm können sie dort die Gesten eines Gebärdendolmetschers ablesen, der in Echtzeit das Gespräch für den Kunden übersetzt.

Mit diesen Diensten ersetzt die Telekom nach und nach die guten alten gelben Zellen – 2012 gab es noch 40 im Dresdner Stadtgebiet. Zum Beispiel am Thomas-Müntzer-Platz, an der Nürnberger Straße oder in der Rietschelstraße. Doch allein diese drei Standorte gibt es nicht mehr. Aber zumindest ein paar der gelben Häuschen sind geblieben. Zum Beispiel an der Kesselsdorfer Straße in der Nähe von Kaufland oder am Schloßplatz. „Telefonzellen werden häufiger an Flughäfen oder Bahnhöfen benutzt“, weiß Georg von Wagner. Und wer sich eine Telefonzelle lieber zu Hause hinstellen will, der kann eine für 400 Euro bei der Telekom kaufen.