Sebastian Kositz
Hermsdorf. Stein auf Stein haben die fleißigen Männer gesetzt, in etlichen mühsamen Arbeitsstunden das repariert, was vor einigen Jahren in einer filmreifen Szene zu Bruch gegangen war. Mit großem Getöse war auf einer Länge von mehr als 20 Metern ein Teil der Mauer im hinteren Teil des Schlossgartens umgekippt, die Steine hinunter in den tieferliegenden Park geprasselt. Was blieb, eine hässliche Lücke, die den Besucher im Park schon von Weitem begrüßte. Weil der Gemeinde bislang das Geld fehlte, haben nun die Mitstreiter der Interessengemeinschaft des Hermsdorfer Schlosses angepackt, die Mauer wieder hochgezogen. Ein Unterfangen, das vielleicht nicht ganz so spektakulär war, wie der plötzliche Einsturz der Mauer – aber durchaus auch einige spannende Anekdote zu bieten hat.

Doch zunächst der Blick zurück: Was war eigentlich mit der Mauer passiert? Das Schloss Hermsdorf gilt längst nicht mehr als Geheimtipp für Hochzeiten, beinah jedes Wochenende geben sich Paare in dem barocken Prachtbau das Ja-Wort. So auch vor einigen Jahren, als das Malheur passierte. Einem Gast der Gesellschaft war plötzlich unwohl, ein Notarzt musste gerufen werden. Die Leitstelle schickte daraufhin den Mediziner gleich im Rettungshubschrauber nach Hermsdorf. Doch beim Anflug lief dann so manches schief. Der Sog des Rotors wirbelte nicht nur mächtig Staub auf, sondern erfasste obenrein auch noch den in der Mauer fest verwurzelten Efeu. Doch statt des grünen Gestrüpps gab irgendwann die Mauer klein bei, verabschiedete sich mit viel Radau nach unten. Und das, was oben stehenblieb, ließ die Gemeinde – bekanntlich der Besitzer des Schlosses – zur Sicherheit später abtragen.
Anwohner hilft
Monatelang blieb dann der trostlose Anblick auf der Rückseite des Schlosses erhalten, bis sich schließlich die rührigen Vertreter der Interessengemeinschaft ein Herz fassten und mit der Gemeindeverwaltung einen tollkühnen Plan ersannen. Gemeinsam wurde Anfang des Jahres ein eher ungewöhnlicher Spendenaufruf gestartet. Denn um die Mauer wieder hochzuziehen, braucht es neben dem Tatendrang vor allem eins: Viele, viele Steine. Über das Amtsblatt und die Sächsische Zeitung warben die Mitglieder der Interessengemeinschaft für ihr Vorhaben, baten dazu um Hohlblocksteine. Das Kalkül dabei unter anderem: Vielleicht haben noch einige Häuslebauer welche ungenutzt auf Halde liegen.
Und tatsächlich: Einer hatte. Kein Häuslebauer, aber ein Anwohner aus dem direkten Umfeld des Hermsdorfer Schlosses. „Er hat uns den Großteil der benötigten Steine vorbeigebracht“, sagt Angelika Frenzel von der Interessengemeinschaft. Und das war ein ganz schön großer Haufen. Pi mal Daumen 300 Hohlblocksteine landeten im Schlossgarten, welche in den vergangenen Wochen nun akkurat neben- und übereinander gesetzt die mehr als 20 Meter lange Lücke in der Stützwand zum Park hin schlossen. Zu zweit, zu viert – je nachdem wie die Männer der Interessengemeinschaft Zeit fanden, werkelten sie seit Juni emsig an dem steinernen Bauwerk.
Inzwischen sind sie damit fast fertig. Dabei hätte ihnen das Landratsamt fast noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, den Wiederaufbau in seiner jetzigen Form beinah in letzter Sekunde verhindert. Denn nicht nur die Ottendorfer lesen fleißig die Sächsische Zeitung, auch die Verantwortlichen der Kreisverwaltung. Und als die zuständigen Mitarbeiter beim Amt für Denkmalschutz auf den Spendenaufruf für die Hohlblocksteine stießen, war der Argwohn offenbar erst einmal groß. „Nach dem Zeitungsartikel hat man uns mitgeteilt, dass wir die Mauer auf keinen Fall mit Hohlblocksteinen wiederaufbauen dürfen“, erinnert sich Angelika Frenzel. Stattdessen forderten die Fachleute, auf Naturstein zu setzen. „Das hätten wir uns nie leisten können“, sagt Angelika Frenzel.
Schon mehrere Projekte gestemmt
Geschlagen geben wollten sich die Mitstreiter der Interessengemeinschaft aber nicht. „Große Teile der Mauer bestehen längst nicht mehr aus Natursteinen und waren zu späteren Zeitpunkten ebenfalls mit Hohlblocksteinen neu gesetzt und verputzt worden“, erklärt Angelika Frenzel. Auch der Teil, der vor wenigen Jahren so spektakulär einen Abgang gemacht hatte, war mitnichten nur aus Natursteinen. In weiteren Gesprächen ließen sich die Experten aus dem Denkmalschutzamt in Bautzen schließlich doch noch überzeugen. Immerhin griffen die Maurer im Ehrenamt bei der Brüstung auf die historische Bausubstanz zurück. Die Brüstungssteine hatten sie aus dem Schutt geborgen, aufgemöbelt und jetzt auf den wiederhochgezogenen Teil gesetzt. Derzeit müssen auf der zum Park hin gewandten Seite lediglich noch ein paar verbliebene Ecken der neuen Schlossmauer richtig verputzt werden.
Der Wiederaufbau der Mauer – es ist nicht das erste ambitionierte Bauprojekt, dem sich die Interessengemeinschaft am Schloss gestellt hat. Im vergangenen Jahr hatten die engagierten Helfer den Gartensaal auf Vordermann gebracht, dieses Jahr im Rittersaal neue Heizungen eingebaut und die dazugehörigen Rohre verlegt. Außerdem ließ die Interessengemeinschaft an den beiden Eingängen auf der Vorderseite hinter den historischen Holztüren gläserne Türen montieren – damit es nicht mehr so in die Halle des Erdgeschosses hineinzieht. Ein Großteil der Projekte wird über Spenden finanziert – Sachspenden ebenso wie Geldspenden, die unter anderem bei den Führungen durchs Schloss eingenommen werden. Im Internet informiert die Hermsdorfer Interessengemeinschaft regelmäßig über abgeschlossene Vorhaben und noch anstehende Herausforderungen.