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Die neue Generation

Reinhard Haase hat die Firma Alsical 1993 gegründet. Jetzt übergibt er sie an seine Tochter. Ganz raus ist er trotzdem nicht.

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Von Kerstin Fiedler

Ganz weiß ist der Schnee, der auf dem Betriebsgelände der Firma Alsical in Großdubrau liegt. Dr. Reinhard Haase und seine Tochter Helgrid Petelka haben es in der jüngsten Vergangenheit nicht leicht gehabt, wenn es um Vorwürfe zu Staub und Gerüchen ging. Das wird sich sicher auch nicht von heute auf morgen ändern. Doch die beiden sind zuversichtlich. „Wir tun alles, um unsere Produktion auf dem neuesten Stand zu haben und das so, dass alle geforderten Vorschriften unterschritten werden“, sagt Reinhard Haase. Ende März geht er in den Ruhestand. Die Geschäftsführung übergibt er seiner Tochter Helgrid Petelka.

Die Geschichte des Unternehmens ist eine Nachwendegeschichte. Reinhard Haase, 1945 in Leipzig geboren, zog mit den Eltern nach Brandenburg, als er sechs war. Sein Vater baute dort 1951 das neue Stahlwerk mit auf. Was lag also nach der Schule zunächst näher, als auch Stahlwerker zu werden? Nach der Berufsausbildung mit Abitur war schon fast klar, dass er in Freiberg Wirtschaftsmathematik studiert. Doch dann kam ein für damalige Zeiten lukratives Angebot. „Ich hatte bereits seit der dritten Klasse Russischunterricht. Und als bei uns jemand vom Moskauer Stahlinstitut für ein Studium in der Sowjetunion warb, klang das gut“, sagt Reinhard Haase. So ging er nach Moskau, studierte Metallphysik, promovierte und kam 1973 in die DDR zurück. In Brandenburg wird er Forschungsingenieur – Start der Karrierleiter. Die er nach gut zwei Jahren als zukünftiger Werkleiter in Ilsenburg im Harz selbst beendete. Dort sah er keine Zukunft.

40 Leute haben hier Arbeit

Gemeinsam mit seiner Frau, die er durch Zufall bei einem Lehrgang in Freiberg kennen gelernt hatte, ging er zurück nach Brandenburg. Sie war damals Forschungslaborantin am Brennstoffinstitut. „Sie hatte damals schon einen Trabi, so dass sie von Freiberg aus mich häufiger in Brandenburg besuchte als ich sie in Freiberg“, schmunzelt Haase. Bis zur Wende war er Leiter internationale Beziehungen im Kombinat Qualitäts- und Edelstahl. Er kümmerte sich zum Beispiel um Patente und Lizenzen der über 30 vereinten Betriebe. „Die Abstimmung mit den sozialistischen Staaten war damals auch nichts anderes als es heute die Zusammenarbeit in der EU ist“, sagt Haase.

Nach der Wende suchte der damalige Chef der Firma Metallurgica, Hans-Joachim Eitel, jemand, der ein Werk zur Herstellung von Gießpulver und Granulaten für die Stahlindustrie im Osten aufbaut. „Dr. Eitel hatte 1934 in Freiberg studiert und war der Stadt und Sachsen sehr verbunden“, sagt Reinhard Haase und schaut auf das Bild seines Wegbereiters, das an der Wand im Büro hängt. Da Eitel die Frau des Personalchefs vom Stahlwerk Brandenburg kannte, kam diese Information auch an Dr. Haase. Doch die Grundstückspreise nahe Berlin waren damals viel zu hoch. Durch Zufall erfuhren die beiden Männer von der Margarethenhütte, die damals schon in Auflösung war. Dank der Nähe zu Polen und Tschechien war der Standort gut gewählt. Doch als der Betrieb aufgebaut und produktionsbereit war, starb Eitel. „Da stand ich allein da mit einem tollen Werk, einer tollen Technik, die da noch kein anderer hatte, mit einer Menge Kredite – aber ohne Kunden“, sagt Haase. Heute lacht er drüber in seiner zurückhaltenden Art. Er entwickelte die Firma, die Granulate und Gießpulvermischungen für die Stahlindustrie herstellt, ständig weiter. 2003 ging es richtig los. 16 Mitarbeiter beschäftigte er am Anfang, heute sind es schon 40.

Derzeit wird ein Zweigwerk in Woronesh gebaut. „Mit dem Hauptprojektanten habe ich schon 1996 zusammengearbeitet. Ullrich Anlagenbau konnte auch dank uns wachsen“, ist Haase stolz. In Russland wird er sich von Brandenburg aus noch engagieren. Und auch Tochter Helgrid unterstützen, wenn es nötig ist. Schließlich wollen Haases ja auch ab und zu die beiden Enkelkinder in Gnaschwitz besuchen, wo die Tochter mit ihrer Familie lebt.

An sein neues Leben ohne Arbeit gewöhnt sich Reinhard Haase langsam. Er macht jetzt Donnerstagabend Schluss und kommt erst Dienstagmorgen zurück nach Großdubrau. Die ganzen Jahre ist er gependelt. Erst wollte die Familie nicht umziehen, weil Sohn und Tochter noch das Gymnasium besuchten, dann schien es nicht mehr nötig zu sein, weil ja absehbar war, wann Haase aufhört. Nun ist es soweit.