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Die neue Generation Bibliothek

Lange hieß es nur: weniger Personal. Jetzt stellt die Zittauer Bibliothek junge Leute ein. Und wird damit immer jünger.

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© SZ Thomas Eichler

Von Gesine Schröter

Von Köln nach Zittau. Nicht unbedingt der typische Weg, den eine junge Studentin nach ihrem Bachelorabschluss wählt. Marie-Kathrin Haase hat diesen Entschluss aber ganz bewusst gefasst. Zwar sitzt sie gerade noch etwas schüchtern auf ihrem Stuhl hinter der Ausleihtheke in der Zittauer Christian-Weise-Bibliothek. Schließlich hat sie erst vor reichlich zwei Wochen als eine von zwei neuen Bibliothekarinnen hier angefangen. Aber der jungen, aus Wernigerode stammenden Frau, die ihre feine Brille locker in die rötliche Kurzhaarfrisur geschoben hat, ist trotzdem anzumerken: Sie weiß, was sie will – und was nicht. „Auf Dauer wäre Köln nichts für mich gewesen“, sagt sie. Klar habe sie das Studium in der Medienstadt mit über einer Million Einwohner genossen, sagt sie. Dieses hat sie an ihre Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste gleich drangehängt. Aber von der Größe her entspricht Zittau ungefähr ihrer Heimatstadt, und deshalb sei sie guter Dinge, sagt sie, dass sie sich hier schnell wohlfühlen werde.

Gerade einmal ihren zweiten Arbeitstag hat Caroline Elkan an diesem Morgen angetreten. Viel mehr als das Wohnheim der Kultur- und Weiterbildungsgesellschaft und die Bibliotheksräume im Salzhaus hat die 23-jährige gebürtige Dresdnerin noch nicht kennenlernen können. „Aber mir gefällt die Architektur dieser Bibliothek, und wie die Regale in die vielen Querbalken integriert sind“, sagt sie.

Auf die Arbeit zwischen genau diesen Regalen freuen sich die beiden jungen Frauen besonders. Mit den Kunden sprechen, sich von Mal zu Mal besser auskennen im Bestand, auch einmal am Computer sitzen, Veranstaltungen mit Kindern – es ist die Abwechslung, die vor allem Frau Haase am Beruf der Bibliothekarin schätzt. „Eine öffentliche Bibliothek ist natürlich etwas ganz anderes als eine wissenschaftliche“, fügt Frau Elkan hinzu. Sie hat ihre Praktika in der Deutschen Nationalbibliothek und in der Zentralbibliothek für Blinde an ihrem Studienort Leipzig absolviert.

Damit sich ihre Neuankömmlinge mit der Bandbreite der Tätigkeiten in so einer öffentlichen Bibliothek von Anfang an vertraut machen, schickt Carola Becker die beiden auch genau dorthin, wo es drauf ankommt: in die Regale, an die Ausleihe, an die Datenbank. „Mit dem alten Bild einer wissenshütenden, in Abgeschiedenheit arbeitenden Bibliotheksmitarbeiterin, klassisch mit Haarknoten, hat unser Beruf schon lange nichts mehr zu tun“, ist die Leiterin der Christian-Weise-Bibliothek überzeugt. Vielmehr gehe es um die Begleitung der Kunden, um Dienstleistung und Service und weniger darum, zu belehren, was gelesen werden sollte und was nicht. Das haben Caroline Elkan und Marie-Kathrin Haase in ihrem Studium wie selbstverständlich mit auf den Weg bekommen. Deshalb sieht Frau Becker in ihnen nicht nur die reine Verjüngung ihrer neunköpfigen Mannschaft, sondern auch den lebendigen Wandel ihres Berufsbildes.

Trotzdem spielen natürlich auch ganz praktische Gründe bei der Einstellung der jungen Frauen eine wichtige Rolle. „Wir haben eine Reihe von Kollegen, die jetzt um die 60 sind“, berichtet Bibliotheksleiterin Becker. Auch sonst liege der Altersdurchschnitt unter den Mitarbeitern mit 50 bis 56 Jahren recht hoch. „Mit spätestens 65 gehen die alle in Rente.“ Um nicht erst dann einen Schreckmoment zu erleben, wie derzeit zum Beispiel beim Lehrermangel zu beobachten ist, habe die Weise-Bibliothek ihren Generationswandel schon frühzeitig angekurbelt. Vor fünf Jahren wurde die erste Auszubildende eingestellt. Alle anderen Azubis, die in den vergangenen Jahren die Bibliothek verlassen haben, haben ebenfalls einen Job bekommen, erzählt Frau Becker. Vor einem Jahr sei dann mit Iris Herrbrodt die erste junge Mitarbeiterin seit Langem eingestellt worden. Genauso wie Caroline Elkan jetzt, hat Frau Herrbrodt damals eine Kollegin ersetzt, die weggegangen war. Marie-Kathrin Haase vertritt derweil eine Kollegin, die sich im Babyjahr befindet. Trotzdem sei Frau Haases Stelle nicht befristet, versichert Leiterin Becker. „Wenn es soweit ist, wird es wirklich eine ganz neue Stelle geben.“

Beruhigend für die beiden jungen Kolleginnen, deren nächste Etappe „Erst einmal ankommen“ lautet. Und eine gute Voraussetzung dafür, dass daraus ein wirkliches Ankommen wird.