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Die Ruhestätte der Deutschen

Mit Herz und Harke legen Freiwillige einen alten Friedhof bei Karlsbad frei. Ein mitunter sehr persönliches Anliegen.

Von Steffen Neumann
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Aufräumen auf dem alten deutschen Friedhof. Fred Hofmann ist extra aus dem sächsischen Großschönau nach Psov bei Karlsbad gekommen.
Aufräumen auf dem alten deutschen Friedhof. Fred Hofmann ist extra aus dem sächsischen Großschönau nach Psov bei Karlsbad gekommen. © Steffen Neumann

Rauch zieht über die Gräber. Zehn Menschen, jung, alt, deutsch, tschechisch, befreien den Friedhof von Psov (Schaab) von wuchernden Pflanzen und verbrennen das welke Geäst in mehreren Feuern. „Jetzt ist der Friedhof schon wiederzuerkennen“, sagt Jakub Ded vom Verein Omnium, der das Workcamp organisiert. Als er vor anderthalb Jahren zufällig auf den Friedhof stieß, war dieser noch völlig zugewachsen von Bäumen, Sträuchern und der klassischen Friedhofspflanze Efeu.

Die letzten 50 Einwohner

„Wir waren damals dabei, die Friedhöfe in der Region um Podborany (Podersam) zu dokumentieren, aber dieser war auf keiner Karte mehr verzeichnet“, sagt Ded. Ihn hatte eigentlich nur das verdächtige dunkelgrüne Viereck auf einer Karte hergeführt. Von der Straße nicht sichtbar und nur über einen Feldweg erreichbar, erwies sich sein Riecher als richtig. „Im Dorf kannte ihn keiner mehr und als wir den Bürgermeister von Podborany kontaktierten, ob wir den Friedhof wieder herrichten dürfen, wusste er auch nicht, wovon wir sprechen“, erinnert sich Ded. Der Bürgermeister schien froh und überließ ihnen den Friedhof für 20 Jahre zur Miete. „Seitdem veranstalten wir die Workcamps. Dieser ist schon der dritte.“

Einst fanden hier die Einwohner des nahen Psov ihre letzte Ruhe. Auf den Grabsteinen und was von ihnen übrig blieb, finden sich ausschließlich deutsche Namen. Mit der Vertreibung der Deutschen 1945 wurde der Friedhof nicht mehr gebraucht. Einige hundert Meter weiter befindet sich noch ein zweiter, wo bis heute beerdigt wird. „Da führt die Straße vorbei“, nennt Ded einen Grund für die Aufgabe des alten Friedhofs. Dazu kommt, dass die Neubesiedlung nach 1945 durch Tschechen nur bedingt erfolgreich war. Der Landstrich um Podborany gehört zu den am dünnsten besiedelten Tschechiens. Psov wird seit 1981 von Podborany aus verwaltet. Vor 1945 lebten in dem Dorf noch über 300 Einwohner. Inzwischen sind es nur noch etwas mehr als 50. Durch den Ort rauscht der Fernverkehr von Most (Brüx) nach Plzen (Pilsen). Im Ortskern verfällt die spätbarocke Kirche zum Heiligen Kreuz. Eines der wenigen sanierten Gebäude ist der Jugendwerkhof. „Die Jugendlichen nutzen den Friedhof manchmal als Treffpunkt“, sagt Jakub Ded.

Sinnloser Vandalismus

Die waren es aber nicht, die den Friedhof so zerstörten. Fast kein Grabstein, der noch steht, Grabplatten sind zerschlagen und viele Gräber wurden geöffnet, sodass man acht geben muss, nicht reinzufallen. Viele Grabsteine wurden auch achtlos über die ebenfalls zerstörte Mauer geworfen. Was das für einen Sinn hat, erschließt sich Ded nicht. „Dass der Friedhof so versteckt ist, hat ihm nicht geholfen. Zwar war er schwer zu finden, aber wenn dann einer sich hier ausgelassen hat, gab es niemand, der das bemerkt hätte“, bedauert er. Trotzdem hat er an seiner Arbeit keinen Zweifel. „Wir möchten, dass das wieder ein pietätsvoller Ort wird“, nennt er das Ziel. Der Verein kümmert sich schon länger um das deutsche Erbe in Tschechien. Es begann mit der Restaurierung von Kirchen und setzte sich in einer breit angelegten Tätigkeit fort, die aus Konferenzen, Benefizkonzerten und eben solchen Workcamps besteht.

Seit neun Uhr schwingt Fred Hofmann die Harke. Inzwischen geht es auf Mittag und der Schweiß steht ihm auf der Stirn. An diesen drei Tagen Ende April konzentrieren sich die Freiwilligen darauf, Unkraut zu beseitigen sowie die Umgebung der Friedhofsmauer von wildwachsenden Bäumen zu befreien. Jetzt steht Hofmann stolz neben einem Grab. „Hier ruhet in Gott Josef Schubert“ steht auf dem Grabstein. Der Name ist nur noch halb zu erkennen. Die in den Grabstein eingelassene Grabplatte ist in der Mitte zersplittert. Den Grabstein hat Hofmann an den Sockel gelehnt. „Eigentlich gehört er auf den Sockel, aber so sieht es wenigstens schon etwas würdiger aus.“

Hofmann kam auf einen Bericht in der Sächsischen Zeitung hin nach Psov. „Ich interessiere mich sehr für die Geschichte vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg. Außerdem lerne ich gern neue Menschen kennen“, begründet der 71-jährige aus Großschönau seine Teilnahme. Unter den elf Teilnehmern ist er der einzige Deutsche.

Suche nach den Vorfahren

Dafür kommen aber Tschechen wie Katerina Pfeiferova. Sie wohnt in der Nähe, hat sich extra Urlaub genommen und ist Nachfahrin einer hier Begrabenen. „Ich suche meine Ururgroßmutter“, sagt die junge Frau, wobei nicht ganz klar ist, wieviele „Ur“ gemeint sind. „Ich weiß, dass sie 1867 hier beerdigt wurde, mein Großvater hat das Grab noch gepflegt.“ Der ist aber 2006 gestorben. Pfeiferova begann vor sieben Jahren die Geschichte ihrer Familie zu erforschen. Ihr Großvater war der einzige, der von seiner Familie nicht vertrieben wurde. „Er hatte auch eine slowakische Frau.“ Deutsche in Mischehen hatten eher die Chance, bleiben zu dürfen. Katerina Pfeiferova spricht zwar selbst kein Deutsch. „Der Großvater wollte, dass ich keine Probleme bekomme“, sagt sie. Aber sie ist „stolz, deutsche Vorfahren zu haben.“ Und die Zeiten haben sich auch geändert. „Eine Minderheit sieht das vielleicht noch anders, aber inzwischen ist doch allgemein anerkannt, dass die Deutschen diese Region geformt haben.“

„Die Sudeten sind speziell.“ Jakub Ded vom Verein Omnium organisiert die Workcamps.
„Die Sudeten sind speziell.“ Jakub Ded vom Verein Omnium organisiert die Workcamps. © Steffen Neumann

Eine Hoffnung gibt es noch, das Grab der Ahnin zu finden: „Nicht wenige Gräber sind vom Erdreich bedeckt“, weiß Ded. Das abzutragen und vor allem die verbliebenen Gräber wieder herzurichten wird die Arbeit vieler weiterer Workcamps. In diesem Jahr stehen noch vier weitere verlängerte Wochenenden auf dem Programm. Dann wird auch Fred Hofmann wieder dabei sein. „Ich komme wieder und bringe noch jemand mit“, sagt er.

Kontakt über www.omniumos.cz oder die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Dr. Zuzana Finger, Tel.: 089 48000365, E-Mail: [email protected]