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Die spinnen, die Sachsen!

Peter Brunnert klettert gern im Freistaat – und hat es bisher überlebt. Was andere lieber schnell vergessen, darüber schreibt er Bücher.

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Von Hartmut Landgraf

In einem seiner beiden Leben sitzt der Hildesheimer Peter Brunnert (54) mit Schlips und Anzug in einem komfortablen Büro in Niedersachsen und vertreibt Versicherungsprodukte. Im anderen hängt er für seine Beruf reichlich riskant in verschwitzter Freizeitkluft am „Höllenhund“ in der Sächsischen Schweiz und vertreibt seine Angst.

Peter Brunnert lebt und liebt solche Widersprüche. Eigentlich soll sein Hobby ja vorzüglich dazu geeignet sein, Menschen ins Reine mit sich selbst zu bringen. Brunnert geht klettern. Doch er erlebt den Sport offensichtlich ganz anders: als bisweilen irren Kontrast zum alltäglichen Leben – manchmal vielleicht als Widerspruch zum Leben überhaupt. Zum Beispiel, wenn er mal wieder einen fürchterlich engen Felsriss in der Sächsischen Schweiz hochschrubben muss oder sich 50 Meter über dem Erdboden mit Leib und Seele einer fingerdicken Knotenschlinge oder einem rostigen Eisenring anvertraut. In Sachsen hat Brunnert, wie er sagt, „eine harte Schule durch“. Er kennt Situationen, in denen andere sich vom Bergsport verabschieden und Pastor werden. Ihn hingegen inspirieren solche Erfahrungen – zum Bücher verfassen. Peter Brunnert schreibt auf, was Bergsteiger wirklich bewegt, wenn sie in steilen Wänden am seidenen Faden hängen. Schonungslos erzählt er Dinge, die andere lieber aus ihren Klettererinnerungen streichen – mit Esprit, spitzer Feder und einer gehörigen Portion Selbstironie.

Freilich, gesteht der Autor, bewahre er manches Abenteuer erst mal im Herzen und lasse es sacken, bevor er es zu Papier bringt. Mitunter kann so ein Brunnertscher Reifeprozess auch 20 Jahre dauern, bis die Erinnerungen „sedimentieren und zu einer dicken Soße werden, in der einzelne Erlebnisse miteinander verschmelzen und Verbindungen eingehen“, sagt der Hildesheimer. Manches am Bergsport wirkt eben doch erst aus der Ferne betrachtet wirklich witzig.

Von solchem Kaliber sind wohl auch jene Klettergeschichten, die mit dem bezeichnenden Titel „Die spinnen, die Sachsen!“ vor zwei Jahren beim Geoquest-Verlag Halle erschienen sind. Brunnert verarbeitet darin Abenteuer, die zum Teil schon von anderen aufgeschrieben wurden oder die er in der Szene gehört und recherchiert hat. Zum Hohnsteiner Bergsommerabend liest er am Sonnabend daraus vor.

In der Bergsportszene sind Brunnerts Zoten beliebt, seine Lesungen ebenfalls. Der Mann, den sein Verleger mal als Harald Schmidt des Kletterns bezeichnet hat, trifft mit seinen Lästereien über den Sport genau den Ton, der beim Klettervolk ankommt. Das Sympathische an Brunnerts Bergbüchern ist, dass sie nicht von kühnen Heldentaten handeln, sondern von Abenteuern, über die man – nach zwei bis drei Bieren – herzlich lachen kann.