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„ Die Spitzgrundstraße ist nicht gefährlich“

Georg Reitz ist mit seinem Motorrad tödlich in Coswig verunglückt. Jörg Düring, Chef des größten Motorradtreffs im Landkreis, sagt seine Meinung.

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Jörg Düring ist der Chef des Motorradtreffs „Die Sonntagsfahrer“. Der lose Verbund von Bikern ist der größte im Landkreis Meißen. Die Mitglieder kommen aus ganz Sachsen. Jetzt, wie immer im Sommer, organisiert der Mann aus Nieschütz an jedem Wochenende Ausfahrten für bis zu 30 Teilnehmer. Der 47-Jährige hat dadurch mehr als 115 000 Kilometer mit einem Motorrad zurückgelegt. In der SZ spricht Jörg Düring über den tragischen Unfall im Spitzgrund und darüber, wie solche Unfälle verhindert werden können.

Herr Düring, hatten Sie selbst schon einen schweren Motorradunfall?

Nein, zum Glück nicht. Aber bei den Sonntagsfahrern, wenn wir als Gruppe unterwegs sind, wurde es schon einmal brenzlig. Ich kann mich an einen Auffahrunfall erinnern. Ich war der Erste in der Gruppe und musste verkehrsbedingt plötzlich anhalten. Das war direkt nach einer Kurve. Alle anderen hinter mir mussten dann auch zum Stehen kommen. In dem Fall ging es nicht gut. Es gab nur einen Blechschaden, keine Verletzten. Brenzlige Situationen gibt es beim Motorradfahren trotzdem immer, so ganz ohne Schutzhülle und Sicherheitsgurt. Plötzlicher Wildwechsel zum Beispiel oder andere Verkehrsteilnehmer, die die Vorfahrt missachten. Als Motorradfahrer wird man schnell übersehen.

Sie haben in Coswig gewohnt und kennen die Kurve im Spitzgrund, in der Moritzburgs Ex-Bürgermeister vor wenigen Tagen tödlich verunglückt ist. Für wie gefährlich halten Sie die Strecke?

Ich kenne die Strecke sehr gut. Dort fahre ich oft mit dem Motorrad, aber auch mit dem Auto lang. Die Straße ist für Motorradfahrer sehr interessant. Die vielen Kurven und der idyllische Wald, das hat schon was. Die Strecke ist aber nicht gefährlicher als jede andere Straße, die Kurven hat. Wie der Unfall passieren konnte, ist mir ein Rätsel. Die Kurvenkombination ist nicht besonders schwer. Wildwechsel gab es in dieser Stelle bestimmt auch nicht, weil die Tiere nicht sofort in den Wald flüchten können. Und dann passiert der Unfall noch an der Stelle, wo die Böschung zum Lockwitzbach am tiefsten ist. Das ist tragisch. Ich kann es mir nicht erklären. Die Straße hat einen tollen Belag, und ich denke, es braucht dort auch nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 40.

Ist Ihnen das zu langsam?

Nein, nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Wer mit Verstand fährt, wird diese Kurven dort nicht schneller als mit 40 km/h durchfahren. In seinem eigenen Interesse. Die Straße ist ein wenig unübersichtlich und hat eine spitze Kurve. Aber gefährlicher als andere ist sie nicht. Solche Straßen gibt es auch im Erzgebirge, in der Oberlausitz oder der Sächsischen Schweiz.

Nach dem tragischen Motorradunfall im Spitzgrund vermuten viele sofort, dass der Fahrer zu schnell war. Was glauben Sie?

Das ist der übliche Generalverdacht und ich kann ihn nicht gutheißen. Die wenigsten Biker sind solche Herbrenner. Klar gibt es Spezies, die leidenschaftlich gern zu schnell fahren und damit sich und auch andere in Gefahr bringen. Das Horrorszenario bei jeder Tour, die ich organisiere, ist für mich, dass so ein Heizer mal die Kontrolle über seine Maschine verliert und in unsere Gruppe reinprallt. Davor habe ich Bammel. Aber es gibt zum Glück nur wenige Biker, die so verantwortungslos fahren. Was im Spitzgrund passiert ist, kann ich nicht sagen.

Fährt die Angst immer mit?

Nein, Angst nicht. Motorrad fahren ist ein sehr schönes Hobby. Wer Angst davor hat, das Risiko einzugehen, auf zwei Rädern durch die Gegend zu fahren, der braucht gar nicht erst auf ein Motorrad steigen. Motorrad fahren findet zuerst im Kopf statt. Das hat viel mit vorausschauendem und konzentriertem Fahren zu tun. Wir als Motorradfahrer müssen auf der Straße dreimal vorsichtiger sein als Autofahrer. Man muss die Straße immer im Auge behalten und darf sich vor allem nicht ablenken lassen.

Sie absolvieren deswegen regelmäßig ein Fahrsicherheitstraining.

Und das empfehle ich auch allen anderen Bikern. Am besten jährlich. Die meisten Motorradfahrer sind Saisonfahrer von März bis Oktober. Im Winter, wenn man nicht fährt, geht viel Feinmotorik verloren. Wenn ich bei den Sonntagsfahrern merke, dass einer in der Gruppe nicht sicher durch die Kurven fährt, sage ich ihm auch mal, dass er zum nächsten Fahrsicherheitstraining gehen soll. Es ist wichtig, seine Maschine genau zu kennen, sicher zu sein und sich auch mal an die Grenzbereiche ranzutasten. Das kann man im Straßenverkehr nicht, aber dort braucht man die Fertigkeiten. Etwa bei einer Vollbremsung. Das kostet viel Überwindung. Wer das in der Zehntelsekunde nicht tun kann, in der er es notwendig ist, der tut es vielleicht nie wieder.

Das Gespräch führte Philipp Siebert.

www.die-sonntagsfahrer.de