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Die Stadtentwässerung schlägt Alarm

Windeln und Tücher zerstören die Pumpen. Die hohen Zusatzkosten müssen alle Dresdner mit ihren Gebühren bezahlen.

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© Eric Münch

Von Bettina Klemm

Sie sind klein und unscheinbar, die Feuchttücher und Wattestäbchen. Doch sie zerstören die Kreiselpumpen in den Dresdner Abwasserpumpwerken. Das gilt erst recht für Windeln, Inkontinent- und Slipeinlagen sowie Einweg-Waschlappen. „In all diesen Hygieneartikeln sind synthetische Fasern und Plastik verarbeitet. Die lösen sich im Wasser nicht auf“, sagt Ralf Strothteicher. Der Leiter des Technischen Bereichs der Stadtentwässerung Dresden erklärt: Die langen Kunststofffasern rutschen im schlimmsten Fall hinter das Laufrad. Dort herrschen hohe Temperaturen. Dadurch schmilzt der Kunststoff und verharzt. Diese feste Masse blockiert die Pumpen und muss mühsam abgeschlagen, beziehungsweise rausgekratzt werden. Ist ein Pumpwerk defekt, kommt es zum Rückstau im Abwasserkanal.

Dann gelte es, schnell zu reagieren, erklärt Sprecher Torsten Fiedler. Oft müssen die Mitarbeiter auch nachts raus. Sie klettern dann häufig in einen Schacht und ziehen die Pumpe aus der braunen Brühe. Anschließend muss das Gehäuse geöffnet und die Pumpe auseinandergebaut werden. Nur so lasse sich der Tücherwust entfernen. „Richtig teuer wird es, wenn das Laufrad einschließlich der Dichtungen ausgetauscht werden muss“, sagt Fiedler. Dann betragen die Reparaturkosten schnell mal so viel wie die Hälfte der Anschaffungskosten für eine Pumpe. „Letztlich müssen alle Bürger mit ihren Abwassergebühren die Reparaturen bezahlen“, sagt Fiedler.

Hin und wieder ist eine Reparatur gar nicht mehr möglich. Im Pumpwerk An den Winkelwiesen beispielsweise drücken drei Pumpen 80 Liter Schmutzwasser pro Sekunde aus dem Einzugsgebiet Cossebaude und Niederwartha in die Kanalisation. Sie sind alle drei neu. Die Stadtentwässerung musste die alten gegen robustere Exemplare austauschen, weil diese festgelaufen waren. Eine Pumpe kostet in der Regel zwischen 5.000 und 10.000 Euro.

„Wir haben in der Stadt 85 unterschiedlich große Pumpwerke“, sagt Strothteicher. 80 davon sind für das Weiterleiten des Abwassers zuständig. Besonders kritisch ist die Lage in den Stadtrandgebieten mit kleineren Pumpwerken. Das An den Winkelwiesen beispielsweise ist für Misch- und Regenwasser konzipiert. Das Regenwasser wird durch einen rechteckigen Kanal, der unter den Bahngleisen verläuft, zum Bach gepumpt und fließt anschließend in die Elbe. Gibt es langanhaltenden Regen, werden die Wassermassen in einem Becken unter der Wiese vor dem Pumpwerk zwischengespeichert. Auch für die ganz großen Hochwasserkatastrophen hat die Stadtentwässerung vorgesorgt. Dann schützen die beiden großen Pumpwerke und Rückhaltebecken – eins ist im Klärwerk in Kaditz und eins in Johannstadt – den Kanalbetrieb. Deren Pumpen können bis zu 18.000 Liter Wasser pro Sekunde weiterleiten.

Das Problem mit den Hygieneartikeln wird immer akuter. Es werden mehr Kinder geboren. Die Menschen werden aber auch älter, damit wächst der Pflegebedarf. Aus dem Zustand der Pumpen kann Techniker Strothteicher gut feststellen, ob in einem Stadtgebiet eine Pflegeeinrichtung neu aufgemacht hat. Oft werden die Hygieneartikel aus Unachtsamkeit über die Toilette entsorgt. „Sie gehören abr in den Hausmüll“, sagt Ralf Strothteicher. Auf manchen Verpackungen ist das Symbol der durchgestrichenen Toilette gut erkennbar. Oft gibt es aber nur einen Hinweis im Kleingedruckten.

Um die Dresdner auf das Problem aufmerksam zu machen, weist die Stadtentwässerung jetzt mit einem Faltblatt auf Dinge hin, die nicht ins Klo gehören. Das sind Medikamente aller Art, Farben, Lösungsmittel und Chemikalien, feuchte Reinigungs-, Brillen, Baby-, Erfrischungs- und Abschminktücher, Speisereste sowie Windeln, Katzenstreu, Rasierklingen und Kunststoffe aller Art. Auch auf der Internetseite wird darüber informiert. „Wir werden außerdem direkt an die Pflegedienste und Krankenhäuser herantreten und bitten, die Mitarbeiter zu informieren“, sagt Fiedler.

Das Ganze ist nicht nur ein Dresdner Problem. Strothteicher arbeitet in einem Ausschuss für Internationale Standardisierungsnormen (ISO) mit. „Die Kanadier haben einen Antrag eingebracht, um Normen für wegspülbare Produkte zu schaffen“, sagt er. Jetzt werden die entsprechenden internationalen Normen überarbeitet. In Kanada belaufen sich die zusätzlichen Wartungskosten, die durch Windeln und Co verursacht werden, auf 250 Millionen Dollar im Jahr. Vergleichszahlen für Deutschland habe Strothteicher nicht.