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Die Theater-Reiter

Auf der Felsenbühne Rathen dürfen Pferde nicht fehlen. Ein Stunt-Team sucht Nachwuchs für die berittene Komparserie.

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© Arvid Müller

Von Ines Scholze-Luft

Etwa 30 Frauen und Männer sind in den Friesenhof in Altlindenau gekommen. Ihr Ziel heißt Rathen. Und der Weg dorthin führt über das Casting für Reitkomparsen. Veranstaltet von den Landesbühnen Sachsen. Die meisten Kandidaten sind jung, die Damen in zünftigem Reiterdress, mit Kappe und Stiefeln. Die Herren eher leger in Zivil. Die Pferde sind auch schon da. Ree, Lucky, Sandkorn und allen voran der stolze sechsjährige Wallach Candello. Sie gehören Mario Kahl. Der Horsemaster ist die eine Hälfte an der Spitze des Stuntteam-Unternehmens Awego. Stunt- und Kampfkoordinator Holger Kahl die andere. Seit vielen Jahren im Geschäft mit Stationen bei den Rügener Störtebeker-Festspielen und den Ritterspielen in Oybin, arbeiten sie seit 2012 für die Landesbühnen Sachsen.

Ein solches Casting ist für Awego eher selten, sagt Holger Kahl. Landesbühnen-Sprecherin Petra Grubitzsch nickt. Ja, das Theater sucht schon mal nach Statisten. Aber so gezielt nach Reitern? Das ist auch für sie neu. Doch da die berittene Komparserie Zuwachs braucht, rief eine Zeitungsanzeige zum Vorreiten. Etwa 60 Leute haben sich gemeldet. Nun sind nicht nur die Theater-Leute neugierig, wer zum Schluss übrigbleibt.

Erst einmal kommt die Theorie. Was erwartet die Reiter? Fünf Stücke auf der Felsenbühne mit Pferden. Old Surehand, Aschenbrödel, das Musical Dracula, der Freischütz und das Kinderstück „Mein Freund Wickie“. Was alle Auftritte eint: Sie fordern viel Zeit. Vier Stunden vor der Vorstellung geht es los. Die Tiere müssen von der Koppel in Waltersdorf oberhalb von Rathen geholt werden. Drei bis vier Kilometer Anmarsch. Der Rückweg folgt nicht gleich nach dem Schlussapplaus. Sondern erst, wenn auch der letzte Besucher an der Kasse im Amselgrund vorbei ist. Denn der Zugang bietet nur wenig Platz. Wie die Bühne. Für die Arbeit mit den Pferden bleibt bloß ein kleiner Spielraum. Überhaupt warnt Holger Kahl vor falschen Erwartungen. Das Reiten kommt dort an letzter Stelle, sagt der durchtrainierte Mann. Die Pferde müssen von A nach B geführt werden. Den Schauspielern wird beim Aufsteigen geholfen. „Das alles kann viel Spaß machen, aber auch viel Mühe.“

Nun sollen die potenziellen Reitkomparsen sagen, ob sie das alles durchhalten können und wollen. Wenn ja, wann und wie sie verfügbar sind. Und bereit wären, auch als normaler Komparse zu arbeiten

16 Kandidaten bleiben. Sie finden sich Minuten später in der Reithalle wieder. Nach dem Warmmachen steigen sie auf. Eine Vierergruppe nach der anderen. Mario Kahl dirigiert sie. Sagt, wie die Pferde gehen sollen und wohin. Den meisten Reitern ist eine gewisse Übung anzusehen. Nur einen Herrn schickt der Horsemaster ziemlich schnell weg. Der Mann kann dem Pferd offensichtlich nicht klarmachen, in welche Richtung es laufen soll. Und mit der Ausrüstung einer der jungen Damen gibt es Probleme. Keine Sporen, weist Mario Kahl an. Die gibt es hier nicht und nicht auf der Bühne. Es dauert etwas, bis die Reiterin ihre Stiefel davon befreit hat.

Bald darauf haben alle ihre Runden absolviert. Aufmerksam beobachtet auch von Kathrin Wolf. Die Inspizientin ist verantwortlich für die Reitkomparsen. Sie weiß, wie schwierig die Arbeit mit den Tieren ist, macht das seit 20 Jahren. Ihre Tochter Anna gehört selbst zur berittenen Komparserie, reitet am Castingabend im Friesenhof mit. Bis der Horsemaster sein letztes Kommando gibt, Hinstellen fürs Foto. „Das Stehenlassen ist auch auf der Bühne das Wichtigste“, erklärt er noch. Die Auswertung kommt später.