SZ +
Merken

Die unbekannten Felsen

Glück auf! Premiere! Sächsische Hobbybergsteiger publizieren den ersten kompakten Kletterführer für das Erzgebirge und sein Vorland.

Teilen
Folgen
© Uwe Erkelenz

Von Nina Gottlöber

Ein warmer Sommertag, ein Naturbad und ein Felsen – die perfekte Kombination für einen Kletterausflug im Erzgebirge. Genauer gesagt am Badfelsen im osterzgebirgischen Rechenberg-Bienenmühle. Landschaftlicher Genuss und vor allem Ruhe sind hier zu haben. Mitten in der sommerlichen Idylle steht Ingo Röger neben seinem Rad, vollbepackt mit Kletterausrüstung: „Willkommen am Badfelsen!“ Der 44-jährige Hobbybergsteiger aus Chemnitz entdeckte vor 18 Jahren beim Wandern auch das Klettern für sich.

Als der leidenschaftliche Alpinist 2012 in einem Kletterartikel über die höchsten Mittelgebirgsfelsen Deutschlands keine Spur von seinem heimischen Erzgebirge fand, war Rögers Entschluss gefallen: Ein ausführlicher Kletterführer für das Erzgebirge und sein Vorland muss erscheinen, um den Leuten diesen Landstrich als attraktives Kletterziel nahezubringen.

Diese Idee setzte er mit seinen Kletterkollegen Sebastian Flemmig und Gerald Krug ab Sommer 2012 um. „Wir haben in unserer Freizeit alle Felsen im Erzgebirge abgeklettert und uns mit den Gebietsbetreuern ausgetauscht. Am schwersten waren aber die Topos“, erklärt der studierte Informatiker und meint damit die detaillierten Aufzeichnungen der verschiedenen Kletterrouten an jedem einzelnen Felsen.

Dieses Jahr erschien nun der erste Kletterführer über das Erzgebirge und sein Vorland im Geoquest Verlag in Halle/Saale. 3 000 Exemplare wurden gedruckt. Übersichtlich, kompakt und bunt sollte der Ratgeber werden. Darüber hinaus recherchierten Röger und sein Team in Archiven und Fachliteratur, um Tipps und Hintergrundinformationen über Gesteine und die Umgebung zu liefern. Auch die beiden Felsen Krystof und Heinrichstein im benachbarten Tschechien sind dabei. „Ich habe dadurch auch viel über meine Heimat kennengelernt“, sagt der gebürtige Marienberger Röger. Außerdem entwickelten die Buchmacher verschiedene Piktogramme für Zufahrt- und Zugangsbeschreibungen, die den jeweiligen Felsen besser beschreiben sollen. So dient ein Kinderwagensymbol zum Beispiel zur Darstellung eines kinderfreundlichen Felsens.

Titel ist Gegenstück zum „Servus“

Der Titel des Kletterführers, „Glück auf!“, stammt aus dem Westerzgebirge, wo er zuerst von Bergmännern genutzt wurde und heute immer noch widerschallt. Er findet seinen Ursprung im Bergmanns- und Volkslied „Glück auf, der Steiger kommt“ und wurde zum erzgebirgischen Begrüßungsruf, dem Gegenstück zum „Servus“ in Bayern. „Wir haben erst nach irgendwelchen Kombinationsnamen gesucht. Dann hatte Gerald aber die Idee mit dem ,Glück auf‘. Es passte einfach zum Erzgebirge und zu uns Kletterern“, argumentiert Röger.

Der zeitlose Ruf der Sächsischen Schweiz macht seinem westsächsischen Bruder in Sachen Kletterei reichlich Konkurrenz. „Das Elbsandstein ist natürlich der große Klassiker hier, mit Weltruhm. Das Erzgebirge hat hingegen eine eher regionale Bedeutung. Aber beide ergänzen sich ganz gut“, findet Ingo Röger.

Die Felsen sind im Erzgebirge auf einer weiten Fläche verstreut und oft in tief eingeschnittenen Talflanken zu finden. Viele sind Röger zufolge für Bergfreunde leicht zu erreichen. Dies unterscheidet sie vom klassischen Elbsandsteingebirge, in dem nur frei stehende Felsen bestiegen werden dürfen. „Das macht das Klettern im Erzgebirge auch ein wenig entspannter“, findet der Hobbybergsteiger.

Die vielseitige Geologie des Erzgebirges wird im 464-seitigen Kletterführer über diese Region natürlich auch angesprochen. „Die vielen verschiedenen Gesteine machen auch den gewissen Charme des Erzgebirges aus“, sagt Röger. Für Kletterfreunde handelt es sich dabei um nützliche Informationen, da die Ausrüstung für einen Sandsteinfelsen eine andere ist als für Granitgestein zum Beispiel.

„Die Felsen sind im Erzgebirge sicher. Sie sind aber nicht übersichert, jeder hat seinen Reiz“, erklärt der Bergsportler und weist auf einen seiner Lieblingsfelsen hin, den Nonnenfelsen im Schwarzwassertal bei Pobershau. „Vor allem im Spätsommer an sonnigen Tagen ist es dort wunderschön“, schwärmt der Naturliebhaber.

Er ist in diesem Gebirge aufgewachsen, hat aber bereits zahlreiche Expeditionen nach Tibet, Nepal, Amerika, Südamerika und Skandinavien unternommen. Seinen höchsten Gipfel erklomm er im Himalaja auf 6 800 Metern. Beim Klettern sucht er nach Routen in den Schwierigkeitsgraden von 6 bis 6+: „Ich mache nichts Extremes, aber vieles Breitgefächertes.“

Sein Rad hat er meistens dabei, ein Auto besitzt er nicht. Mit der Bahn und dem Fahrrad komme er in der Region bis jetzt ganz gut zurecht. Auf Expedition „kann man schon mal das Flugzeug nehmen“, scherzt der gut gelaunte Übungsleiter.

Ausflug auf den Badfelsen

Neben seinem Beruf als Informatiker bei der Telekom gibt Ingo Röger auch Kletterkurse für Anfänger bis Fortgeschrittene. „Wollen wir jetzt mal auf den Badfelsen hoch?“, fragt er begeistert. Auf solch eine Einladung im sommerlichen Osterzgebirge kann selbst ein höhenängstlicher Kletteranfänger nicht verzichten.

Welchen Reiz die Berge im Erzgebirge haben, das wird beim Dresdener Bergsichten-Filmfestival im November zu erleben sein. Ingo Röger ist mit seinem Live-Kurzvortrag „Es muss nicht immer Sandstein sein. Das Erzgebirge als Naturjuwel und Kletterziel“ für den Wettbewerb der Kurzbeiträge nominiert. Zwölf hatten sich beworben, fünf wurden ausgewählt. Der Siegerbeitrag hat die Chance, im nächsten Jahr im Hauptprogramm des Bergsichten-Festivals auftreten zu können.

„Glück Auf! Die Felsen des Erzgebirges und seines Vorlandes“ 464 Seiten, 55 Detail-Karten, 32,00 Euro, Zugangs- und Zufahrtsbeschreibung, GPS-Daten. Verkauf in Bergsportläden oder: www.geoquest-verlag.de