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Die Welt ein bisschen gerechter machen

Der Eine-Welt-Laden in Weißwasser steht vor seinem 30-jährigen Jubiläum. Auch Corona befördert das Nachdenken über mehr Gerechtigkeit.

Von Constanze Knappe
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Der Eine-Welt-Laden Weißwasser führt seit 30 Jahren die unterschiedlichsten Menschen zusammen in der (Mit-)Verantwortung für Gerechtigkeit und den Planeten. Das soll auch so bleiben, sagen Frank Schneider und Barbara Opitz.
Der Eine-Welt-Laden Weißwasser führt seit 30 Jahren die unterschiedlichsten Menschen zusammen in der (Mit-)Verantwortung für Gerechtigkeit und den Planeten. Das soll auch so bleiben, sagen Frank Schneider und Barbara Opitz. © Constante Knappe

Als im Lockdown viele Menschen wegen der Corona-Schutzmaßnahmen zu Hause bleiben mussten, haben etliche darüber nachgedacht, was wichtig im Leben ist. „Der Konsum wird wesentlich kritischer betrachtet“, hat Barbara Opitz seitdem festgestellt. Unter dem gar nicht mehr so unbekannten Schlagwort „Ökonomie des Genug“ gehe es um die Frage, wie viel man zum Leben haben muss und wann es genug ist. „Wer weiß, wie Kinder in der Kakaoernte unter Sklaven ähnlichen Bedingungen arbeiten, isst weniger Schokolade und die mit Genuss“, fügt sie hinzu.

In Corona-Zeiten seien solche Themen hochgekommen. Zwei Vereine in Weißwasser beschäftigen sich jedoch schon sehr viel länger damit. Seit 30 Jahren, um genau zu sein. Ihren Geburtstag wollten sie mit einem gemeinsamen Fest im September feiern – der Verein Eine-Welt-Laden für gerechten Handel und Ökologie sowie die gemeinnützige Initiative Eine Welt für Alle. Doch Corona hat ihre Pläne durchkreuzt. Geblieben ist lediglich das Konzert am 26. September in der evangelischen Kirche.

Zwei Vereine mit gleichem Ziel

Im Mai 1990 machte sich der Kreis junger Erwachsener der evangelischen Kirchgemeinde auf den Weg nach Ludwigsburg, um herauszufinden, wie sich in der neuen Marktordnung ein solidarisches Miteinander von Nord und Süd leben lässt. Daraufhin wurde in Weißwasser der Verein Eine-Welt-Laden für gerechten Handel und Ökologie gegründet und am 2. August 1990 die ersten Räume in der Bautzener Straße eröffnet. 1993 begann der Bau eines eigenen Ladens unweit der Kirche. „Weil kein bezahlbarer Laden in Weißwasser zu finden war“, begründet Barbara Opitz, die Vereinsvorsitzende der Eine-Welt-Initiative. Während der Verein Eine-Welt-Laden den fairen Handel mit Produkten aus Entwicklungsländern in der Stadt organisiert, hat sich der Verein Eine Welt für Alle der ökologischen Bildungsarbeit verschrieben. So kam es, dass der Laden für die Treffs der Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppen zu klein wurde. Seit 2006 gibt es den Anbau mit einem Projektraum, Bibliothek und Küche.

Aktuell sind es um die 25 Frauen und Männer, die zum großen Teil Mitglieder in beiden Vereinen sind. Etliche leisten für jeweils drei Stunden pro Woche ehrenamtlichen Dienst im Eine-Welt-Laden. Die Waren aus Kooperativen in 30 Ländern Mittelamerikas, Afrikas und Asiens werden über einen genossenschaftlichen Vertrieb fair gehandelter Produkte bezogen. Zudem bietet man Erzeugnisse aus regionalen Projekten in Europa an. „Für einen größeren Bezug zur Ökologie versuchen wir, noch regionaler zu denken“, erklärt Frank Schneider (60). Der Vorsitzende des Eine-Welt-Laden-Vereins verweist auf veganen Brotaufstrich und losen Tee – alles mit Bio-Siegel. Zwar gebe es auch im Supermarkt fair-trade-Produkte, die fairer gehandelt würden als anderswo, aber zu dem Siegel im Eine-Welt-Laden sei es nach seiner Aussage „ein Quantensprung“. Barbara Opitz zeigt ein Heftchen als Wegweiser durchs Label-Labyrinth. In der Größe fürs Portemonnaie lasse es sich gut zum Einkauf mitnehmen.

Im Eine-Welt-Laden kann man Lebens- und Genussmittel, Schreibwaren, Kerzen und anderes mehr kaufen. Auf vielen Produkten sind Porträts der Hersteller abgedruckt. „So bekommen Menschen in den Entwicklungsländern ein Gesicht. Damit beginnt Wertschätzung“, so die 61-Jährige.

Unikate der Recyclingkunst

Die kunsthandwerklichen Produkte sind durchweg Unikate und kreativ noch dazu wie die Recyclingkunst – etwa jene Figur aus Zündkerzen oder der Leuchter aus dem Bauch einer alten Flasche. Für die Autos aus einstigen Blechdosen gibt es sogar Sammler. Über den Eine-Welt-Laden kann man auch fair gehandelte Möbel und Musikinstrumente beziehen. Die Idee einer Waschmittel-Tankstelle habe man aus Platzgründen aufgeben müssen. Auch fair-trade-Bananen könne man nicht verkaufen, da die Menge zu klein sei, die der Laden in Weißwasser abnehmen würde.

Nach wochenlanger Corona bedingter Schließung sei jetzt bis auf Montag wieder regulär geöffnet. Das gewachsene Interesse an den Möglichkeiten des fairen Handelns sei deutlich spürbar. Dass sie abgesehen von den Betriebskosten keine Miete und den Ehrenamtlern keinen Lohn zahlen müssen, sei „ein großer glücklicher Umstand“, räumt Frank Schneider ein, der seit 1999 dabei ist. Anders würde es wohl nicht funktionieren, da sei Weißwasser zu klein. Wie Barbara Opitz ergänzt, gebe es nur wenig Laufkundschaft, dafür viele treue Stammkunden, die ihren Tee oder Kaffee nur im Eine-Welt-Laden kaufen.

600 Kinder pro Jahr im Laden

Wahrzunehmen, wie andere leben, und das tägliche Handeln so auszurichten, dass alle Menschen genug zum Leben haben, das sei bis heute das zentrale Thema. Nach den Corona-Lockerungen plant die Eine-Welt-Initiative wieder Seminare zum Beispiel zur Schokoladenherstellung mit Verkostung. Gern, aber zugleich wehmütig denkt Barbara Opitz an die Bildungsarbeit vergangener Jahre mit vielen Projekten in Schulen zurück. Bis zu 600 Kinder pro Jahr wären im Eine-Welt-Laden dabei gewesen. „Das läuft jetzt auf Sparflamme, dafür reichen die Kräfte nicht mehr“, sagt sie. Und Frank Schneider bestätigt: „Uns fehlt der Nachwuchs“. Er selbst ist berufstätig und froh, dass sein Arbeitgeber ihm Freiraum für den Laden ermöglicht. Auch bei Barbara Opitz, die im Ruhestand ist, gehen viele Stunden in der Woche für das Ehrenamt drauf. Man hätte gern neue Mitstreiter für stundenweisen Ladendienst oder zur Vorbereitung von Projekten.

Im Rückblick sind Beide stolz auf Ladenfeste, Konzerte, Basare, Theatervorstellungen, Vorträge, Ausstellungen und nicht zuletzt auf elf Jahre Sommerkino. Ein Teil davon war fürs Fest zum 30-jährigen Bestehen geplant. Vielleicht 2021, heißt es.

Konzert „Weltenbummler“ zum Eine-Welt-Jubiläum am 26.9. um 17 Uhr in der Evang. Kirche Weißwasser

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