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Diese Friseurin fährt mit dem Truck vor

Julia Heinig aus Radebeul hat ein altes Postauto zu einem rollenden Friseursalon umgebaut. Damit kommt sie vor die Haustür, zu Hochzeiten und Firmen.

Von Nina Schirmer
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Haare schneiden im Transporter. In Zeiten von Corona muss auch hier ein Mundschutz getragen werden.
Haare schneiden im Transporter. In Zeiten von Corona muss auch hier ein Mundschutz getragen werden. © Norbert Millauer

Radebeul. So etwas haben sie bei der Handwerkskammer noch nicht gesehen. Auch die Gewerbekammer ist überrascht, genauso wie alle anderen Stellen, bei denen Julia Heinig ihre Geschäftsidee angemeldet hat. Die Behörden sind sich aber auch einig in ihrer Begeisterung für diese Neuheit. Das könnte sehr gut funktionieren, hört die Radebeulerin von allen Seiten. Seit Anfang der Woche ist sie nun mit ihrem Hairtruck unterwegs.

Herzlich willkommen, ruft Julia Heinig, als  sich die Schiebetür des Transporters zur Seite öffnet. Strahlend steht sie auf der oberen Stufe. Friseure, die zu ihren Kunden nach Hause kommen, sind nichts Neues. Dass aber gleich ein kompletter Friseursalon vorfährt, ist nicht nur in der Region bisher einmalig. Im Internet findet man deutschlandweit nur ganz wenige Einträge zu rollenden Friseursalons.

Wohnzimmeratmosphäre im Transporter

Nach dem Einsteigen vergisst man schnell, dass man sich hier eigentlich in einem Transporter aufhält. Schwarz-weiß gekachelter Boden, farbenfrohe Gemälde an den Wänden, ein großer Spiegel und die kleine Sitzecke geben dem Raum Wohnzimmeratmosphäre. Die weiße Holztür, hinter der sich die Toilette verbirgt, erinnert eher an eine Altbauwohnung. Hier kann man sich jetzt aufhübschen lassen.

Die Idee kam der Radebeulerin in der Elternzeit. Zuvor hatte sie nach der Lehre mehrere Jahre in einem ganz klassischen Friseursalon gearbeitet, machte 2012 ihren Meister. Doch in der Babypause fiel die Entscheidung, dorthin nicht mehr zurückkehren zu wollen. "Ich möchte nicht mehr mit chemischen Substanzen arbeiten", sagt die 31-Jährige. In normalen Salons sind die gang und gäbe, kommen beim Färben genauso zum Einsatz wie bei der Dauerwelle. Viele Jahre weiterhin diese Dämpfe einzuatmen, kommt für die Friseurin nicht mehr infrage. Und auch längst nicht jeder Kunde braucht dieses Angebot. "Am liebsten habe ich eh immer Herren- und Hochsteckfrisuren gemacht", sagt Julia Heinig. "Da lag es nahe, dass ich mich jetzt darauf spezialisiere."

In Leipzig wurden mit dem Fahrzeug Pakete ausgeliefert. Auch äußerlich hat sich der Transporter jetzt verändert. Das alte Postgelb ist einer goldenen Lackierung gewichen.
In Leipzig wurden mit dem Fahrzeug Pakete ausgeliefert. Auch äußerlich hat sich der Transporter jetzt verändert. Das alte Postgelb ist einer goldenen Lackierung gewichen. © Norbert Millauer

Vom Paketfahrzeug zum Salon

Zusammen mit ihrem Freund macht sie sich auf die Suche nach einem ausrangierten Transporter. Die sind zurzeit sehr begehrt,  denn Umbauen liegt im Trend, hauptsächlich bei Campingfans, die ihre eigenen Ideen und Vorstellungen in einem individuellen Wohnmobil umsetzen wollen. Das Paar hat trotzdem Glück und wird bei einem Händler in der Nähe fündig, der ihnen ein altes Postauto anbietet. Damit wurden früher in Leipzig Pakete ausgeliefert, danach verkaufte ein Kaffee-Anbieter seine heiße Ware aus dem Transporter. Und nun Friseursalon.

Bis Julia  Heinig darin mit Haareschneiden anfangen konnte, gab es  viel zu tun. Zum Glück ist ihr Freund ein Tüftler, der Erfahrung hat mit Transportern. Viele Feierabende bringt er mit dem Umbau zu. Die Einrichtung muss fest montiert werden, damit bei der Fahrt nichts umkippen kann. Auch der Friseurstuhl ist angeschraubt. Er baut außerdem ein zusätzliches Fenster ein, durch das genügend Licht in den Innenraum fällt. Aufs Dach kommt eine Solaranlage, die für den Strom im Salon sorgt. Auch fließendes Wasser gibt es im rollenden Salon.

Haare schneiden in der Mittagspause

Mit ihrem rollenden Salon will Julia Heinig nicht nur zu den Leuten nach Hause kommen, sondern ihre Dienste auch Unternehmen anbieten. Der Truck kann auf dem Firmengelände stehen, die Mitarbeiter steigen in der Pause zum Haareschneiden ein.  "Ich habe so oft von Leuten gehört, vor allem welchen, die im Schichtdienst arbeiten, dass sie es wochentags nicht zum Friseur schaffen", sagt die 31-Jährige. "Viele wollen auch keine lange Wellnessbehandlung, sondern einfach die Haare wieder kürzer haben."

Einige Firmen in der Region haben schon Interesse angemeldet, allerdings macht Corona das ganze Vorhaben noch schwierig. "Viele lassen zurzeit keine Externen auf ihr Gelände", erklärt die Friseurin. Auch Bartpflege, worauf sie ebenfalls spezialisiert ist, darf zurzeit noch nicht angeboten werden. Wenn in Zukunft wieder Festivals stattfinden dürfen, möchte Julia Heinig auch dort mit ihrem Hairtruck stehen. Zum Beispiel bei Rockabilly-Festivals sei die Nachfrage bei den Frauen nach ausgefallenen Hochsteckfrisuren groß. Und natürlich gehören auch Brautfrisuren zum Angebot der Radebeulerin. Mit ihrem Transporter kann sie direkt zum Hochzeitsort kommen.

Kleine Sitzecke, Gemälde an den Wänden und viel Licht von oben machen den Transporter von innen gemütlich.
Kleine Sitzecke, Gemälde an den Wänden und viel Licht von oben machen den Transporter von innen gemütlich. © Norbert Millauer

Große Nachfrage in den ersten Tagen

Schon in den ersten zwei Woche hatte die Friseurin gut zu tun. Ein Eintrag bei Facebook reichte, und das Angebot sprach sich herum. Vom Kind bis zum über 60-Jährigen waren Kunden dabei, die den Hairtruck bestellten. Preislich unterscheidet sich der rollende kaum vom herkömmlichen Friseursalon. Frauen mit langen Haaren zahlen 39 Euro fürs Haareschneiden, der Kurzhaarschnitt kostet 30 Euro. Für Männer liegt der Preis bei 19 Euro, der Bartschnitt beginnt bei 5 Euro. Nur Haarewaschen - das kann die Friseurin im Truck nicht anbieten. Normalerweise wird trocken geschnitten. Weil das in der Corona-Zeit aber nicht geht, müssen die Kunden zurzeit mit frisch gewaschenem, noch feuchtem Haar in den Transporter einsteigen.

Unterwegs ist Julia Heinig hauptsächlich in Radebeul und den Gemeinden in der Umgebung. Termine werden übers Telefon oder ihre Internetseite vereinbart.

Zum Thema Coronavirus im Landkreis Meißen berichten wir laufend aktuell in unserem Newsblog.