Von Ingolf Seifert
Als die Bundesregierung im Januar den Dosenpfand einführte, hatte Ingo Rothe zunächst seine liebe Not, den Überblick zu behalten: „Kauf ich Radler im Plus-Markt, kriege ich Pfandmünzen, hole ich mein Radler im real-Markt, muss ich die Quittungen aufheben“, sagt der Freitaler. Jede Supermarktkette hat ihr eigenes System bei der Erhebung des Zwangspfandes. Ingo Rothe: „Das wird einem irgendwann zu viel.“ Sein Rezept gegen das Kassenbon- und Pfandmünzen-Chaos: „Ich kaufe nur noch in zwei Märkten Getränke ein.“ Außerdem holt er nur noch Radler und Selterswasser in Einweg-Flaschen. Alle anderen Getränke kauft er in Mehrweg-Verpackungen – denn, so bekennt er: „Ich bin grundsätzlich für Mehrweg.“ Wie Ingo Rothe denken viele Verbraucher: Der Umwelt zuliebe befürworten sie den Dosenpfand, doch das Durcheinander der Pfanderhebungssysteme nervt sie.
Siegel, Münze, Quittung
Aldi, Kaufland und Lidl etwa drucken ein hauseigenes Pfandsiegel auf die Etikette ihrer pfandpflichtigen Dosen und Einwegflaschen. Wer pfandpflichtiges Leergut zurückschafft, wird an der Kasse nur Ware mit diesem Zeichen los. Netto, Norma, Plus und die Mehrzahl der Spar-Märkte wiederum händigen den Kunden für jede pfandpflichtige Dose und Einwegflasche hauseigene Pfandmünzen aus – so genannte Token. Wer das Leergut zurückbringt, braucht die Münzen – ohne Token keine Dosenrücknahme. Wer bei real seine Getränke kauft, muss wiederum den Kassenbon aufbewahren. Bringt er das Leergut zurück, nehmen die Kassierer nur, was auf dem Kassenzettel quittiert ist. Stehen 20 Dosen auf der Rechnung, der Kunde bringt aber nur zehn zurück, notiert die Kassiererin dies auf der Quittung. Der Verbraucher hat dann noch ein Pfandguthaben für zehn Flaschen. Nachteil: Wer viel Einweg-Ware kauft, hat schnell Quittungssalat.
Egal welches System die Märkte auch praktizieren – seit der Einführung des Dosenpfandes avanciert Einweg-Ware zum Ladenhüter. Michael Rolle, Geschäftsstellenleiter bei real in Freital: „Der Absatz ist über Nacht drastisch eingebrochen. Der Anteil der Einweg-Ware am Getränkeumsatz beträgt keine zehn Prozent mehr.“ Ähnliche Auskünfte erhielt die SZ von den Pressestellen bei Spar und Kaufland. Das Kaufverhalten der Verbraucher zeige einen klaren Trend: weg von Einweg, hin zu Mehrweg.
Diese Entwicklung schafft im Müglitztal gerade Arbeitsplätze: Bei der Margon Brunnen GmbH in Burkhardswalde laufen die Abfüllautomaten auf Hochtouren. Marketingdirektor Sven-Olaf Jensen: „Wir haben schon immer stark auf Mehrweg-Plasteflaschen (PET-Flaschen) gesetzt und profitieren nun von der Hinwendung der Verbraucher zu diesen Erzeugnissen. Unsere Produktion und unser Marktanteil wachsen. Bei Mineralwasser sind wir inzwischen Marktführer in Sachsen.“ Seit dem 1. Januar gehört Margon zur Brau- und Brunnen AG. Weil der Konzern auch die Marke Vita Cola besitzt, konnte Margon das Getränk im April ins Burkhardswalder Produktionsprogramm aufnehmen. Jensen: „Vita-Cola ist in Ostdeutschland die erfolgreichste Cola-Marke nach Coca Cola.“ Das Getränk werde in Mehrweg-Flaschen geliefert. „Beides zusammen - der Absatzzuwachs bei Mehrweg und die Sortimentserweiterung um Vita Cola - hat uns jetzt in die Lage versetzt, neue Arbeitslplätze zu schaffen.“
Dieser guten Nachricht steht eine schlechte gegenüber: Geht es nach dem Bundesumweltministerium (BMU), endet zwar im Oktober die Zeit des Pfandmünzen-Wirrwarrs – dann nämlich sollen in allen Verbrauchermärkten Pfandautomaten stehen. Doch die Getränkewirtschaft hat in dieser Woche erklärt, sie werde die Automaten nicht aufstellen. Der Grund: Die EU-Kommission habe den Dosenpfand in einem Brief an Bundesumweltminister Trittin als Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht gerügt. EU-Umweltkommissarin Margot Wallström hat dies gestern als falsche Behauptung zurückgewiesen. Die EU erwarte von der Wirtschaft im Gegenteil den Aufbau eines landesweiten Rücknahmesystems – so schnell wie möglich. Fazit: Der Dosenpfand bleibt ein Streitobjekt – das Chaos im Portmonee wird wohl noch eine Weile fortdauern.