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„Drei Männer haben mich festgehalten“

Eine brasilianische Tänzerin erstattete nach dem Radeburger Umzug Anzeige. Die Polizei ermittelt.

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Von Sven Görner und Peter Redlich

Es war ein fantasievoller, ausgelassener Umzug, der am vergangenen Sonntag die 56. Saison des Radeburger Carnevals Clubs krönte. Die Teilnehmer kamen nicht nur aus der Faschingshochburg selbst, sondern auch aus anderen Orten Sachsens und sogar Brandenburgs. Mitten im Zug lief die brasilianische Sambatänzerin Denise Sousa. Im hochgeschlossenen Leoparden-Kostüm und mit prächtigem Federschmuck auf dem Kopf.

Eine langjährige Freundin, so sagt die seit mehreren Jahren in Dresden lebende Frau, habe sie eingeladen, mit nach Radeburg zu kommen. Dort tanzte Denise Sousa zwischen dem Fahrzeug des Weinböhlaer Prinzenpaares und einem sich anschließenden Gespann mit Freunden des Weinböhlaer Vereins. In diesem Wagen soll es dann nach dem Umzug zu Übergriffen gekommen sein.

Der SZ und auch bei Facebook berichtete die Brasilianerin von sexueller Nötigung. „Drei Männer haben mich festgehalten und auch geschlagen. Einer der alten Männer wollte mich mit seinem Bruder verkuppeln.“ Die übrigen Insassen des Wagens wären nicht eingeschritten, sondern hätten trotz ihrer Hilfeschreie nur zugesehen. „Auch meine bisherige Freundin“, ergänzt die Frau.

Schließlich hätten sie die Männer außerhalb der Stadt, weit weg von ihrem geparkten Auto, aus dem Umzugswagen geworfen. „Feuerwehrleute haben mich verletzt am Boden liegend gefunden und die Sanitäter und auch die Polizei gerufen.“ Letztere sei aber nicht erschienen, weil sie keine Zeit gehabt hätte, empört sich Denise Sousa.

Nach SZ-Recherchen waren Kameraden der Bärnsdorfer Feuerwehr auf ihrem Nachhauseweg von der Umzugsabsicherung gegen 17 Uhr tatsächlich auf der Dresdner Straße in Höhe des Gewerbegebiets auf eine auf der Straße sitzende Frau aufmerksam gemacht worden. Diese klagte gegenüber dem Gruppenführer des Löschfahrzeuges über Schmerzen im Bereich der Extremitäten und verlangte das Erscheinen der Polizei. Der Gruppenführer habe daraufhin über den Einsatzleiter die Polizei verständigt und den Rettungsdienst alarmiert. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes wurde die Frau von der Feuerwehr betreut. Ein Transport ins Krankenhaus sei auf den Wunsch von Denise Sousa nicht erfolgt.

Auf dem Karnevalswagen mit der Nummer 27 haben die Insassen das Geschehene offenbar anders erlebt. Eine Frau aus Niederau (Name der SZ bekannt) schildert, dass sich die Brasilianerin uneingeladen auf dem Wagen dazugesellt, getrunken und gegessen habe. Das habe die Besatzung zwar hingenommen, aber eigenartig gefunden. Kulminiert sei das Ganze, als die fremde Frau wieder absteigen wollte, um zu ihrem Auto zu gelangen. Die Niederauerin: „Auf dem Wagen ist eine Klingel, die betätigt man und der Fahrer hält sobald wie möglich.“ Dies sei aber nicht sofort machbar gewesen, schildert die Beteiligte, erst einige hundert Meter weiter habe der Fahrer einen Halteplatz gefunden.

Daraufhin sei die Frau regelrecht ausgerastet, habe Gläser und Flaschen auf dem Tisch umgeworfen und Anwesende mit Alkohol begossen, sagt die Mitinsassin auf dem Karnevalswagen. Erst nach dieser Eskalation hätten Männer die Brasilianerin festgehalten und schließlich aus dem Wagen gesetzt. Einem davon habe sie mit den langen Fingernägeln das Gesicht zerkratzt, sagt die Niederauerin. Ähnlich schildert es Weinböhlas Karnevalspräsident Daniel Wachsmuth, der in der Nähe des Wagens war und sagt, dass er mit Teilnehmern gesprochen habe.

Seitens der Polizei bestätigt Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Niederschlesien/Oberlausitz, eine in Kamenz am vergangenen Sonntag, 18 Uhr, aufgenommene Strafanzeige wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Weil für diese Angelegenheit das Polizeirevier in Meißen zuständig ist, habe man den Vorgang dorthin übergeben.

Mittlerweile zieht das Geschehen noch größere Kreise. Kerstin Köditz von der Fraktion Die Linke im Landtag nimmt den Vorfall zum Anlass, Sachsens Innenminister Ulbig (CDU) vorzuwerfen, die ihm unterstellte Polizei habe sich geweigert, an den Tatort in Radeburg zu kommen, wie das die Organisation Opferhilfe RAA schildert. Dies sei, wenn es so war, unterlassene Hilfeleistung, ein Straftatbestand und ein Skandal.

Was wirklich auf dem Karnevalswagen passierte, muss die Kripo in Meißen klären. Aus der für Meißen und Radeburg zuständigen Polizeidirektion Dresden gab es am Freitagnachmittag noch eine Mitteilung: Nach Aussagen der 44-jährigen Brasilianerin sei diese mit den Insassen des Wagens in Streit geraten, drei bislang Unbekannte hätten sie aus dem Wagen geworfen, wobei sie leichte Verletzungen erlitten habe.

Die Polizei bittet Zeugen um Hinweise, auch zu möglichen Hintergründen des Geschehens: 0351 4832233.