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Ordnung ist ihr halbes Leben

Chaos auf dem Schreibtisch? Tohuwabohu daheim? Christin Lungwitz Francia hilft, System ins Durcheinander zu bringen - und damit auch ins eigene Leben.

Von Nadja Laske
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Christin Lungwitz macht immer wieder die Erfahrung: Der Zauber der Ordnung erschließt sich den meisten Menschen beim Aufräumen von ganz allein.
Christin Lungwitz macht immer wieder die Erfahrung: Der Zauber der Ordnung erschließt sich den meisten Menschen beim Aufräumen von ganz allein. © Sven Ellger

Dresden. Die Ferienzeit endet, der Urlaub auch. Mit mehr oder weniger leichtem Gepäck kommen die Dresdner von ihren Reisen zurück und stellen fest: Viele Klamotten haben sie gar nicht gebraucht. Schon wieder ist beim Packen mehr als nötig in den Koffer gewandert. Dabei war er gar nicht sehr groß.

"Das ist für so manchen ein Aha-Effekt", sagt Christin Lungwitz Francia. "Die Leute sind erstaunt, mit wie wenig sie eine oder auch drei Wochen lang ausgekommen sind." Wieder zu Hause schauen sie mit ganz anderen Augen in ihren übervollen Schrank. Für die einen wirkt der Blick ins heimische Chaos dann wie eine Erhellung. Andere fühlen sich, als verenge das Zuviel um sie herum die Sicht auf ihr Leben und liege tonnenschwer auf ihren Schultern. Von Motivation, endlich klar Schiff zu machen, keine Spur.

Auch der Schreibtisch gerät nach den arbeitsfreien Tagen wieder in den Fokus. Im Homeoffice oder im Büro - die Haufenbildung nimmt mitunter bedenkliche Dimensionen an. Zeit, sich Platz zu verschaffen - aus eigener Kraft oder mit Hilfe von jemandem, der weiß, wie es geht.

Mehr Durchblick im Kleiderschrank

"Ordnung hat mich schon als Kind fasziniert", sagt Christin Lungwitz Francia. Für den bundesweiten Ordungsservice ist sie auch in Dresden unterwegs. Wer sie ruft, sieht kein Land mehr und bringt die Kraft nicht auf, sich vom Tohuwabohu ringsum zu befreien. "Meine Kunden haben die unterschiedlichsten Gründe, Ordnung schaffen zu wollen." Manche hatten das beschriebene Schlüsselerlebnis nach einer Urlaubsreise. Andere planen, von einem Eigenheim in eine Wohnung zu ziehen und müssen ihren Hausstand reduzieren. Die nächsten wollen sich ihre Wohnung künftig mit ihrem Partner teilen und auch der braucht Platz für seine Sachen. "Ich unterstütze eine Frau, die sich gern einen Hund kaufen will, doch ihre Wohnung ist dafür nicht sicher eingerichtet. Eine andere Dame wünscht sich besseren Durchblick im Kleiderschrank", erzählt Lungwitz Francia.

Auf ihre Schulzeit im Spreewald folgte das Fachabi für Wirtschaft und Verwaltung, dann die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und der erste Job im Steueramt. Dass Christin Lungwitz Francia ein besonderes Faible für Ordnung hat, wirkt grundlegend und folgerichtig. Dabei geht ihr Leben gar nicht so reguliert weiter, wie es zunächst klingt. System hatte es immer, obgleich die nächsten Etappen die Weltenbummlerin in ihr verraten.

"Zu reisen, die Welt zu sehen und Sprachen zu lernen, das hat mich irgendwann so sehr gereizt, dass ich mich zuerst zu einer zweimonatigen Sprachreise nach Kanada und dann zu einer weiteren nach Mexiko entschlossen habe." In dieser Zeit lernte sie ihren Mann während einer Reise nach Guatemala kennen. Er stammt aus El Salvado, wohin die beiden für eineinhalb Jahre zogen. Dort begann Christin, als Lehrerin in einer Sprachschule zu arbeiten. Später zog es das Paar nach Dublin und dann auf Weltreise. "Danach wollte ich nicht mehr fest angestellt, sondern lieber meine eigene Chefin sein." Also machte sie sich als Dozentin selbstständig, unterrichtet seither Deutsch, Englisch und Spanisch. Auch als Beraterin für gesunde Ernährung, Feng Shui und Astrologie ist sie tätig.

Kontrolle zurückgewinnen

Während ihrer Aus- und Weiterbildungen traf Christin Lungwitz Francia auf die Autorin und Feng-Shui-Beraterin Karen Kingston, absolvierte ihre Seminare und erwarb ihre Zertifizierung. Das war der Beginn, aus dem Wissen um die Psychologie der Unordnung ein sehr irdisches Beratungsangebot zu machen: "Ich helfe Menschen dabei, durch Ordnung die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen."

Das tut sie zwar nach klaren Regeln, aber dennoch individuell und immer mit ihren Kundinnen und Kunden zusammen. Und zwar stets von oben nach unten und von links nach rechts - eine Herangehensweise, die sich bewährt hat und die man nicht zu hinterfragen braucht. "Wenn sich jemand besonders schwer tut, dann empfehle ich ihm, sich kleine Etappen vorzunehmen: jeden Tag eine halbe Stunde zum Beispiel." Wichtig dabei: Vorher-Nachher-Fotos. Das macht im Chaos auch kleine Erfolge sichtbar und motiviert dazu dranzubleiben.

Ob kleine oder größere Arbeitseinsätze, der Mensch braucht dafür ausreichend frische Luft. "Was lange lag, wirbelt viel Staub auf, und schlechte Atemluft macht müde", weiß Christin. Auch empfiehlt sie, sich längeres Haar zusammenzubinden. Strähnen im Gesicht stören und lenken ab. Genau wie Durst, Hunger, fertige Waschmaschinen, Hunde, die Gassi gehen müssen. Wer ungern aufräumt, weicht gern auf Nebenschauplätze aus. "Deshalb sollten solche Dinge erledigt sein und eine Flasche Wasser bereitstehen."

Größtes Problem der Ordnungsmuffel

Für viele der schwierigste Akt ist es, sich von Dingen zu trennen. Christin Lungwitz Francia bereitet deshalb am Ort des Geschehens verschiedene Aufbewahrungsbehälter vor: einen für den Müll, einen als Archiv und eine sogenannte Transit-Box für Sachen, die zwar von hier verschwinden, aber an einem anderen Ort einen neuen Platz bekommen sollen. "Das ist ganz wichtig: Jedes Ding braucht seinen festen Platz. Wenn ich es benutzen will, weiß ich immer, wo ich es finde und wohin ich es danach wieder räumen muss." Das größte Problem der Ordnungsmuffel sei es, alles irgendwo abzulegen. 

Christin vergleicht die Habseligkeiten eines Menschen gern mit dem Körper: Ihm wird Nahrung zugeführt und er scheidet dafür etwas aus. Im Leben müsse es ebenso sein, will man nicht im eigenen Kram ersticken. "Ordnung lässt sich viel besser bewahren, wenn die Menge des Besitzes begrenzt bleibt. Daran sollte man bei neuen Anschaffungen denken und etwas Altes dafür verschenken, entsorgen oder verkaufen", rät sie. Kleidung, die nicht mehr passt, bis zum Sankt Nimmerleinstag aufzuheben, für den Fall, dass... Davon hält sie nichts. Lieber weg damit und sich später gegebenenfalls ein neues Teil gönnen. Allerdings nie, ohne sich drei Fragen zu stellen: Brauche ich das wirklich? Wogegen tausche ich es aus? Wo soll es seinen Platz haben? 

Was Christin nicht tut: Sie räumt nicht für andere Leute auf, nur mit ihnen zusammen. "Ich werfe nichts weg und überlasse Entscheidungen dem Kunden." Wer um ihre Hilfe bittet, den leitet sie gern an. Schließlich führt sie kein Entrümpelungsunternehmen. Ordnung ist eben nur ihr halbes Leben. 

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