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Dresdnerschreibt SebnitzerFirmengeschichte

Als Daniel Fischer vor zehn Jahren mit seiner Recherche begann, ahnte er noch nicht, welche Lawine er lostreten würde. Weil der damals 22-jährige Maschinenbaustudent aus Dresden ein Modell eines in Sebnitz...

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Von Thomas Möckel

Als Daniel Fischer vor zehn Jahren mit seiner Recherche begann, ahnte er noch nicht, welche Lawine er lostreten würde. Weil der damals 22-jährige Maschinenbaustudent aus Dresden ein Modell eines in Sebnitz gebauten Autokranes nachbauen wollte, kontaktierte er den früheren Konstrukteur des VEB Hebezeugwerkes Sebnitz.

In dem Gespräch wurde schnell deutlich: Fischer erfuhr zwar viel über das Gefährt, noch mehr jedoch über die Geschichte des einstigen Vorzeigebetriebes. Rasch wich sein rein technisches Interesse dem historischen. Fortan erforschte der Dresdner den Werdegang des Werkes. Er traf sich mit ehemaligen Mitarbeitern, wälzte Fachzeitschriften und fand sogar den einstigen Betriebsfotografen, der ihm eine Kiste mit fantastischem Bildmaterial überließ.

Herausgekommen ist eine eindrucksvolle Dokumentation der Werksgeschichte, die in ihrer Detailtreue und Informationsfülle einmalig sein dürfte. Pünktlich zum 60. Gründungsjubiläum des Hebezeugwerkes präsentiert Fischer nun seine Recherche-Ergebnisse ab Sonnabend in einer Ausstellung im Sebnitzer Heimatmuseum. 11 Uhr öffnet die Schau für die Öffentlichkeit. Schautafeln und Modelle verdeutlichen die in Sebnitz fest verwurzelte Tradition eines Betriebes, dessen Erfolgsgeschichte allerdings nur 22 Jahre dauerte.

Hervorgegangen war das Werk aus der 1909 gegründeten so genannten Kirsten-Schmiede. Inhaber Georg Kirsten produzierte zunächst im Hof des Hauses Schandauer Straße 17 Rangierwagen- und Flugzeugheber –hauptsächlich für den Export nach England und Frankreich. 1939 kaufte er die ehemalige Lampenfabrik und fertigte während des Krieges Abschleppkrane für die Wehrmacht. 1947 wurde Kirsten enteignet. Er flüchtete in den Westen und gründete 1950 im Rheinland einen neuen Betrieb.

Vom Forscher zum Besessenen

Aus seinem alten Unternehmen entstand bereits am 1. Juli 1948 der VEB Hebezeugwerk Sebnitz. Der Betrieb produzierte fortan Autokrane vom Typ „Panther“ und „Puma“, aber auch Slipanlagen, um Schiffe ins Wasser gleiten zu lassen.

Rasch machte sich das Unternehmen auch international einen Namen. Seine Modelle wurden auf Messen in Kairo und Helsinki gezeigt, die Krane wurden nach Kuba, Holland, Ungarn, Frankreich und in die Bundesrepublik exportiert. „Der Betrieb war international sehr aktiv, die Exportquote lag teilweise bei 80 Prozent“, sagt Fischer. In Spitzenzeiten hatte das Werk rund 700 Mitarbeiter. „Das Betriebsklima galt als hervorragend, jeder kannte jeden, alles war sehr persönlich“, sagt Fischer.

Als der Betrieb jedoch 1968 an seien Kapazitätsgrenze stieß, war sein Aus besiegelt. Die Kranproduktion wanderte nach Magdeburg, 1970 wurde das Hebezeugwerk Teil des Landmaschinenkombinates Fortschritt. Doch noch heute zeugen einige erhaltene Krane von der Blütezeit des Unternehmens.

Denn bei seiner Recherche wurde Fischer zum Besessenen: Er fand alte Kranwracks und ließ sie von einem Museums in Hartmannsdorf bei Chemnitz restaurieren.

Ein Teil der historischen Krane ist am 28. und 29. Juni während einer großen Kranschau auf dem Sebnitzer Markt zu bewundern. Interessenten können die Fahrzeuge am Sonnabend von 11 bis 19 Uhr und am Sonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr bestaunen. Die Attraktion dürfte aber ein Kran neueren Datums sein: An dessen Ausleger können sich Schwindelfreie mit einem Korb bis in eine Höhe von 50 Metern heben lassen, um die luftige Aussicht zu genießen.