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E-Bikes aus dem Müglitztal

Die Prototypen sind fertig. In den nächsten Wochen soll die Produktion beginnen.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Glashütte. Das Fahrrad neu erfinden wollte auch Katja Söhner-Bilo nicht. Dennoch hat sie sich mit ihrem Team Gedanken gemacht, wie ein E-Bike „Made im Müglitztal“ aussehen könnte. Schließlich würde das gut ins Konzept der vor gut fünf Jahren gegründeten Firma Binova passen. Diese ging damals an den Start, um einen neu entwickelten Elektromotor zu vermarkten. Dieser wartungsarme Motor steckt in einer Kunststoffhülle und wurde in der Firma von Katja Söhner-Bilos Mann Steffen entwickelt und vor gut zehn Jahren vorgestellt.

Die Unternehmerin entwickelte den Motor weiter und kreierte ein Set. Dieses bietet sie Fahrradbesitzern an, die mithilfe eines Monteurs aus ihrer ganz normalen „Tretmühle“ ein E-Bike machen können. Parallel dazu tüftelte sie an einem eigenen E-Bike. „Damit reagierten wir auch auf die Wünsche unserer Kunden, die bereits einen Motor bei uns gekauft haben“, sagt sie.

Ziel war es, ein Fahrrad zu bauen, das optimal auf den Motor abgestimmt ist. Nun liegt das Ergebnis oder besser die Ergebnisse vor. Denn um sich auf dem Markt zu etablieren, wurden vier verschiedene Modelle entwickelt: ein ganz normales Lastenrad, ein Lastenrad für Familien, ein Herrenrad und ein sogenannter Tiefeinsteiger. Letzterer soll vor allem Frauen ansprechen. Verkauft werden sie für rund 3 000 Euro – die genauen Preise stehen noch nicht fest.

„Die Rahmen haben wir selbst entwickelt“, sagt Frau Söhner-Bilo. Diesen Part habe ihr Konstrukteur Christoph Süße übernommen. Produziert werden die Stahlrahmen allerdings im asiatischen Taiwan. Das Land sei führend in der Fahrradproduktion, erklärt die Unternehmerin. Insgesamt habe man sich bemüht, so viele Standardteile wie möglich zu verwenden. Teile wie Schaltung, Reifen, Schläuche werden bei bekannten Herstellern eingekauft. Damit wolle man den künftigen Besitzern entgegenkommen. Wenn die Teile auswechseln müssen, sollen diese leicht beschaffbar sein, sagt Konstrukteur Süße.

Anders als viele andere Hersteller werde man die Räder komplett in der eigenen Werkstatt montieren. Dort sollen sie auch durch die Qualitätskontrolle gehen. Das heißt: Sie werden vorher getestet. Verkauft werden die Räder über den eigenen Online-Shop sowie über Händler. „Unser Ziel ist es, in jeder großen deutschen Stadt einen Händler zu haben, der unsere Räder anbietet“, sagt die Unternehmerin. Darüber hinaus will sie auf Firmen zugehen und diesen ihre E-Bikes als Mitarbeiterfahrräder beziehungsweise Lastenräder – auch über Leasingverträge – anbieten. Katja Söhner-Bilo sieht in diesem Geschäftsmodell durchaus ihre Chancen. „Es gibt einen Kulturwandel“, sagt sie. Immer mehr junge Menschen entdecken das Fahrrad für sich.

Ableger in den USA

Diesen Trend hat sie nicht nur in Deutschland ausgemacht, sondern auch in den USA. Deshalb hat das junge Unternehmen mit der Binova LLC ein Tochterunternehmen in Grand Rapids bei Detroit gegründet. Katja Söhner-Bilo glaubt fest an den Erfolg. Bisher war für die Amerikaner das Fahrrad ein Sportgerät oder ein Hilfsmittel zur Fortbewegung für arme Leute. Doch diese Einstellung habe sich inzwischen geändert. Immer mehr sehen in den E-Bikes eine Alternative zu den Autos. Und: Die Amerikaner sind experimentierfreudig. Wenn dort eine Stadt die Entscheidung fällt, ein Fahrrad-Leihsystem mit E-Bikes aufzubauen, dann zieht sie das auch konsequent durch, sagt die Firmenchefin. In Deutschland geschehe das oft zögerlich.

Nun hofft sie, dass ihre Anbaumotoren, die sie unter dem Namen Binova Flow verkauft, und ihre Fahrräder, die sie unter dem Markennamen „Rethink“, zu Deutsch Überdenken, anbieten wird, ihre Käufer finden. Sollte Binova eine Erfolgsgeschichte werden, dürfte man sich auch in Glashütte freuen. Denn hier, genauer gesagt in Oberschlottwitz, hat die Firma ihre Wurzeln. Allerdings wird das Unternehmen die Uhrenstadt verlassen. Die Verwaltung, der Vertrieb und die Entwicklung sitzen bereits in Dresden. Demnächst soll auch die Werkstatt umziehen. „Wir suchen nach einem geeigneten Standort“, sagt Frau Söhner-Bilo. Gern wäre sie in Schlottwitz geblieben. „Doch dort ist es schwer, Mitarbeiter zu gewinnen.“ Meist sind es Dresdner, die sich für die Jobs interessieren. Doch die wollen nicht 45 Minuten zur Arbeit fahren, sagt Katja Söhner-Bilo. Deshalb, und weil der Platz in Schlottwitz bald nicht mehr reichen wird, verlässt Binova das Müglitztal. Gegenwärtig beschäftigt die Firma zehn Mitarbeiter – weitere sollen ab dem kommenden Jahr dazukommen.