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Ein Haus voller kleiner Mängel

Die Görlitzer Reichertstraße 4 ist frisch saniert, doch zwei Mieter haben Probleme. Und finden damit kein Gehör.

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© Pawel Sosnowski

Von Ingo Kramer

Joachim Müller und seine Frau Ulrike Heide-Müller hatten sich so auf Görlitz gefreut. Beide stammen aus Sachsen, die Frau sogar aus Görlitz. Nach Jahrzehnten in den alten Bundesländern hatten sie sich entschlossen, nach Görlitz zurückzukehren. Hier fanden sie eine tolle Wohnung. Mit „Erstbezug nach hochwertiger Sanierung“ warb der Eigentümer der Reichertstraße 4, direkt am August-Bebel-Platz. Das Ehepaar war begeistert – und zog im Januar ein.

Ein halbes Jahr später ist die Begeisterung der Ernüchterung gewichen. Erstbezug nach Sanierung ist tatsächlich korrekt. „Von hochwertig aber kann keine Rede sein“, sagt Ulrike Heide-Müller am Telefon. Beim SZ-Besuch vor Ort werden sie kaum fertig, die Mängel zu zeigen. Die Badtür öffnet so weit, dass sie voll in die Dusche hineinragt. Die oberen Fenster im Wohnzimmer haben Kratzer, ein Fenster wird blind. In der Küche hat der Fußboden Gefälle. „Anderthalb Zentimeter auf einen halben Meter“, sagt Müller. Der Grund ist für ihn klar: „Der versprochene Fließestrich wurde nicht eingebaut, stattdessen liegen darunter die alten Dielen.“ Auch der vereinbarte Kaminanschluss ist nicht nutzbar: „Der Schornsteinfeger hat keine Freigabe erteilt und zudem sind die Elektroanschlüsse direkt daneben“, so Müller.

Gefälle vom Abfluss weg

Mit den Problemen steht das Ehepaar nicht allein. Hartmut und Helga Schmidt sind vorigen August aus Biesnitz zugezogen und wohnen eine Etage weiter unten. Sie weisen auf ähnliche Mängel hin. „Bei uns hat außerdem die Dusche ein Gefälle vom Abfluss weg“, sagt Hartmut Schmidt. Und die schöne alte zweiflügelige Holztür schließt nicht, weil zwischen den Flügeln ein Zentimeter Luft ist.

Im Keller gehen die Probleme weiter. „Die Biotonne stinkt, weil sie seit einem Jahr nicht gereinigt wurde“, sagt Schmidt. Und Müller hat einen anderen Kellerraum zugeteilt bekommen als vorher vereinbart. „Der jetzige hat nur zur Hälfte Stehhöhe“, beklagt er. Außerdem liegt hier der Revisionsschacht, der nicht zugestellt werden soll. Der Wäschetrockenraum ist feucht, hat keinen Abfluss und ist noch dazu ein Durchgangsraum zu einem Mieterkeller. Auch den angekündigten Wäscheplatz im Hof gibt es nicht: Niemand hat Gras ausgesät, stattdessen wächst hier nur Unkraut.

Beide Ehepaare haben sich wiederholt an die Hauseigentümer gewandt, eine Familie in den alten Bundesländern. „Von dort heißt es immer nur, wir sollen uns an die Hausverwaltung wenden“, sagt Müller. Das hat er wiederholt getan. Doch der Görlitzer Hausverwalter Paul Günther Dratschmidt reagiere überhaupt nicht: „Der sitzt fast alles nur aus.“ Ein paar wenige Mängel seien zwar abgestellt worden, vieles aber liegt bis heute im argen. Schmidt ist seit März Mitglied im Mieterbund. Der hat Dratschmidt inzwischen schon dreimal angeschrieben. Eine Reaktion kam auch daraufhin nicht, sagt Schmidt. Die Kaltmiete von 5,60 Euro je Quadratmeter fänden beide Ehepaare angemessen, wenn alles in Ordnung wäre. „So aber nicht“, sagt Müller. Inzwischen haben beide Ehepaare die Miete um zehn Prozent gekürzt. Auch darauf haben sie keine Reaktion erhalten. Ausziehen kommt aber auch nicht infrage: „Wir haben Mietverträge, aus denen wir erst nach zwei Jahren rauskommen.“

Gutachter müssen klären

Die SZ hat bei Andreas Winkler nachgefragt. Er ist der Sohn der Eigentümerin – und der Architekt des Hauses. „Wir arbeiten an den Problemen“, erklärt er kurz angebunden. Über die Tür in der Dusche sei der Installateur beispielsweise informiert. „Alle Sachen werden jetzt zeitnah bearbeitet“, kündigt Winkler an. Für alle weiteren Auskünfte verweist auch er an Dratschmidt. Der stellt die Sache anders dar, spricht nicht von zeitnah: „Von uns anerkannte Mängel werden wir beseitigen.“ Wie schnell das geht, könne er aber nicht sagen. Da sich die beiden Mieter rechtlichen Beistand beim Mieterbund gesucht haben, schalte auch er seine Anwälte ein. „Dann werden Gutachter klären, welche Mängel anerkannt werden“, sagt er. Das werde sicher eine Weile dauern.

Bei anderen Mietern, die sich keinen rechtlichen Beistand genommen haben, würden die Sachen hingegen schnell erledigt. Auch das Malern des Treppenhauses unten am Eingang soll zügig starten: „Dafür haben wir jetzt die Zusage vom Denkmalschutz, sodass das bald losgehen kann.“ Dass im Hof noch Gras ausgesät wird, sichert Dratschmidt ebenfalls zu: „Wann das passiert, kann ich aber noch nicht sagen.“