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Ein Leben mit Morddrohungen

Hasnain Kazim wehrt sich auf seine Weise gegen hasserfüllte E-Mails. Jetzt kommt der Journalist nach Freital und Pirna. Auch von hier bekam er schon extreme Post.

Von Thomas Morgenroth
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Der Journalist Hasnain Kazim kommt zu Lesungen nach Freital und Pirna.
Der Journalist Hasnain Kazim kommt zu Lesungen nach Freital und Pirna. © Random House / Peter Rigaud

„Ausländer raus!“ ist wohl noch die harmloseste Parole, die der Journalist und Autor Hasnain Kazim seit Jahren in seiner Leserpost findet. Der 1974 im niedersächsischen Oldenburg geborene Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer erhält eine Menge hasserfüllter E-Mails, nicht selten mit Morddrohungen, weil er, mitunter durchaus streitbar, über heikle Themen schreibt, einen fremd klingenden Namen trägt und eine dunklere Hautfarbe hat als die meisten Menschen in Deutschland. In seiner Person bündeln sich alle Vorurteile, besonders dann, wenn er in seinen Texten die neuen Rechten kritisch beleuchtet. Dabei ist Kazim Deutscher von Geburt an, er diente seinem Heimatland sogar in der Bundeswehr als Marineoffizier.

Kazim berichtete als Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aus Südasien und der Türkei, bis ihm dort die Regierung Erdogans 2016 die Akkreditierung verweigerte, und bis Ende vergangenen Jahres aus Wien. Seit Jahresbeginn lebt er als freier Autor in Österreichs Hauptstadt und widmet sich seinen Buchprojekten. Einen Bestseller hat er bereits geschrieben: 2018 erschien „Post von Karlheinz“, mit Auszügen seiner Korrespondenz mit den Schreibern der Hassmails.

Im vergangenen Jahr begab er sich mit dem Buch erstmals auf Lesereise nach Sachsen, eine Station war in der Buchhandlung Findus in Tharandt. Buchhändlerin Annaluise Erler hat nun auf Wunsch des Autors drei weitere Lesungen in Sachsen organisiert, in den städtischen Bibliotheken Wolkenstein, Freital und Pirna. Die Sächsische Zeitung sprach mit Hasnain Kazim über seine Lesereise, die Drohungen und wie er damit umgeht.

Herr Kazim, Sachsen ist eine Hochburg der AfD, in Dresden marschiert die fremdenfeindliche Pegida. Beiden ist ihre journalistische Arbeit ein Dorn im Auge. Begeben Sie sich hier nicht sozusagen in die Höhle des Löwen?

Im Grunde ja. Aber ich bin keiner, der pauschalisierend sagt, der Osten ist rechts, das stimmt ja so gar nicht. Ich konnte während meiner Zeit in der Bundeswehr viele aufgeschlossene Menschen aus dem Osten Deutschlands kennenlernen und habe sehr viele Freunde dort. Allerdings gibt es doch eine relativ weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber Menschen, die nicht weiß sind, so wie mich. Schon in den Neunzigerjahren habe ich aus der Sächsischen Schweiz gehört: „Wir sind national befreite Zone.“ Damit meinten die, dort gäbe es keine „Nichtweißen“, nur „richtige Deutsche.“ Ich finde es unmöglich, dass mir Leute in Abrede stellen, Deutscher zu sein. Das lasse ich mir nicht nehmen, und ich lasse mir von niemandem sagen, ich dürfe dort nicht hinreisen. Deshalb komme ich und suche den Dialog, den Austausch.

Die „richtigen Deutschen“ haben Sie ja auch in den Untertitel Ihres Buches genommen. Kommen diese denn überhaupt zu Ihren Lesungen?

Meistens, gerade in Sachsen, kommen Leute, die sowieso auf meiner Seite stehen, die weltoffen sind. Die AfD-Wähler kommen eher nicht. Sie scheuen die direkte Auseinandersetzung. Und wenn, fürchte ich, würden sie nur im Pulk kommen, um zu pöbeln. Das finde ich schade. Ich würde mir einen konstruktiven Austausch wünschen, mit vernünftiger Kommunikation, ohne dass man sich anbrüllt.

Hat die Schärfe der Hassmails in den vergangenen Jahren zugenommen?

Ja, die hat sogar massiv zugenommen. Ich kritisiere seit Jahren Rechtsextremisten, und ebenso lange bekomme ich Hassmails. Es werden immer mehr, und die Zuschriften werden immer aggressiver im Ton. Die Leute scheuen vor nichts zurück, ich bekomme schon seit den Neunzigern anonyme Morddrohungen. Dass es immer mehr werden, ist zum einen dem Internet geschuldet, zum anderen aber auch der Tatsache, dass sich immer mehr Leute trauen, es zu tun. Wenn ein Donald Trump so redet und mit der AfD eine Partei im Bundestag sitzt, die so redet, dann denkt sich der normale Bürger, dass er das auch darf und macht es. Und immer mehr tun es nicht mehr anonym, sie setzen ihren Namen drunter, weil sie glauben, es sei normal, sich so zu äußern.

Bekommen Sie aus dem Osten besonders viele Hasskommentare?

Soweit es sich anhand des Inhalts und der Absender feststellen lässt, ist der Anteil aus dem Osten schon überproportional hoch.

Haben Sie auch schon aus Freital und Pirna, zwei Stationen Ihrer Lesung, Morddrohungen bekommen?

Ja, das habe ich. Insgesamt hat die Zahl der Morddrohungen gerade wieder zugenommen, seit der AfD-Chef Jörg Meuthen mich in den sozialen Netzwerken zitiert hat und mich der Pegida-Chef Lutz Bachmann am 4. November in Dresden auf offener Bühne angezeigt hat – wegen Volksverhetzung. Das Video dazu ist bei Youtube zu sehen. Beides hat dazu geführt, dass mir noch mehr Menschen schreiben und mich beschimpfen, da bekomme ich dann bis zu eintausend E-Mails am Tag.

Wie geht es Ihnen damit?

Ja, wie soll es einem gehen, der täglich mehrere Morddrohungen bekommt? Das wirft Fragen auf. Wie schütze ich mich? Und wenn ich Lesungen mache an öffentlichen Orten, wird vorher die Polizei oder das Innenministerium informiert. Das ist natürlich keine sonderlich freie oder friedliche Atmosphäre. Damit geht es mir nicht so gut.

Sie könnten doch einfach aufhören, dann wäre Ihr Leben friedlicher, oder?

Ich soll meinen Beruf nicht mehr ausüben, weil ein paar Rechtsextremisten nicht passt, was ich schreibe? So einfach ist das nicht, ich lasse mich nicht einschüchtern und lasse mir nicht den Mund verbieten. Mir schreiben auch viele Leute, die mich bestärken, die sagen, toll, dass Sie das machen, dass Sie dagegenhalten. Es ist natürlich eine enorme Bürde, die ich trage, weil ich für andere mitspreche. Genau dafür aber bin ich schließlich Journalist geworden.

Die Fragen stellte Thomas Morgenroth.

Lesung und Gespräch mit Hasnain Kazim am 20. Januar, 19.30 Uhr, Stadtbibliothek Wolkenstein (Erzgebirgskreis, 0172 4701761); 21. Januar, 19 Uhr, Stadtbibliothek Freital (0351 6491747), 22. Januar, 19.30 Uhr, Stadtbibliothek Pirna (03501 556279).

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