Von Wolfgang Schmidt
Burkau. Wenn Johannes Bielig Sonntagmorgen aufwacht, wird Ehefrau Irma die Erste sein die ihm zu seinem 80. Geburtstag mit Blumen überrascht. Möglich, dass er sich mit seinem neuesten Gedicht „Lauter Falten“ revanchiert. Es ist eine humorvolle Anspielung auf das Alter, das beide inzwischen erreicht haben.
Viele Gratulanten werden folgen, um den Bielig-Hans zu ehren – Verwandte, Freunde und Bekannte, denn der Jubilar ist nicht nur in Burkau bekannt als Meister des Tapezierhandwerks, sondern auch als Mundartdichter und -sprecher.
Die Polsterwerkstatt schloss Johannes Bielig 2003. Aber sein Faible für die Westlausitzer Mundart lässt ihn nicht los. Es ist Lebensaufgabe geworden. In den 1950er Jahren fand er zum damaligen Burkauer Theaterverein, wo er als Mime fungierte. Später begann er Verwandten selbst geschriebene Texte vorzulesen und gestaltete kleine Programme. Dabei fand er zur Mundart, zumal er seit den 60er Jahren viel Literatur aus der Oberlausitz sammelte.
Die Begebenheiten des Alltages sind es, die Johannes Bielig sieht oder hört, um sie zu notieren. Er verfeinert sie als kleine Geschichten und bringt sie in Prosa- oder Versform in Westlausitzer Mundart. Wie Sprachforscher herausfanden, endet das westliche Verbreitungsgebiet dieses quirlenden Dialektes um Burkau. Erhalten werden kann der Sprachstil vermutlich nicht, bedauert Johannes Bielig. Auch in Burkau sprechen fast nur noch Ältere den Dialekt. Durch Zuzüge und den Sprachwandel wird auch hier immer mehr in hochdeutscher Art gesprochen.
Als inoffizieller Botschafter unterwegs
Bieligs kulturelles Engagement ist weithin bekannt. Er ist aktives, langjähriges Mitglied im Verein der Burkauer Natur- und Heimatfreunde, wo er sich immer wieder mit Ideen einbringt. Verlage und Zeitungen werden auf ihn aufmerksam und drucken seine Mundartgeschichten. Er hat selbst sechs Bände mit amüsanten, oft hintersinnigen Geschichten herausgegeben. Dabei ist ihm der Zittauer Heimatforscher Hans Klecker wichtiger Ratgeber und Mentor geworden. Mit Zeichnungen vom Burkauer Tierarzt Mathias Trauzettel versehen, sind die Büchlein inzwischen begehrt und beliebt bei den Lesern.
Als Mundartsprecher ist Johannes Bielig mit eigenen Programmen oft bei Festen, Betriebs- oder Familienfeiern dabei. Er begleitet Busreisende in die Oberlausitz, um hier als „inoffizieller Botschafter“ für den sächsischen Landstrich zu werben. Kurios 2015: Berliner Touristen wollten die drei Spreequellen sehen. „Ausgerechnet an dem Tag waren alle wasserlos“, erinnert sich Johannes Bielig schmunzelnd.
In den diesjährigen Tag der Oberlausitz reiht sich der Burkauer mit einer Buchlesung in Eckertsberg bei Zittau am 28. August ein. Ein Vorhaben freut ihn besonders. Er ist eingeladen zu einer Veranstaltung am 26. November im sächsischen Volkskundemuseum Dresden. Erstmals wird er dort Lausitzer Weihnachtsbrauchtum in Mundart vorstellen. Immer wieder verfasst Johannes Bielig Beiträge für das Burkauer „Heimatkundliche Blättel“. Vom Chronisten Horst Gersdorf 1964 erstmals herausgegeben, ist Johannes Bielig seit der 500. Ausgabe ständig als Autor vertreten.
Nicht immer kann er seine Ideen verwirklichen. Gern hätte er in einer Gaststätte einen „Burkauer Kaffeeklatsch“ eingerichtet. Anliegen sollte sein die Burkauer mal aus ihren „vier Wänden“ herauszuholen und in lockerer Form einige Stunden gemeinsam zu verbringen. „Schade“, sagt er. Ebenso, dass die Wanderung mit Heimatfreunden voriges Jahr letztmalig stattfand. „Damit ist leider auch Geselligkeit weggebrochen“, findet der Senior. Dennoch, wie immer, er bleibt Optimist.
Texte zum Schmunzeln und Nachdenken
Und optimistisch hat er den langen, gemeinsamen Weg mit Irma verbracht. Sie war und ist für ihn nicht nur Ehefrau. Sie unterstützt ihn auch bei seinem Mundart-Hobby. Selbst in der Familie findet Johannes Bielig immer wieder die Umgebung, die ihn anregt . Manche seiner Geschichten haben hier ihren Ursprung, wie die mit „Nubbersch Nasenlöcher“. Beim Bartrasieren des Ehemannes nämlich sah Irma kleine Haare in dessen Nasenlöcher. Johannes, die müsstest du entfernen, sagte sie. Und er reimte gleich mehrere Mundartverse. „Meist klappt das auch“, sagt er. Seine Texte sollen zum Schmunzeln und Nachdenken gleichermaßen anregen. Aber nie macht er Späße auf Kosten anderer.
Neben seiner Leidenschaft der Mundartdichtung ist für den Burkauer immer noch sein erlerntes Polsterhandwerk gegenwärtig. Gern restauriert er Möbel und bezieht sie neu. Auch die Bewirtschaftung seines halben Hektar großen Grundstückes ist für ihn Entspannung. Ein kurzes Mittagsschläfchen in der Gartenlaube ist ihm wichtig geworden. Aber Sonntag, zu seinem 80. Geburtstag wird er wohl darauf verzichten müssen.