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Ein rätselhaftes Investment

Die Holzpelletfabrik Eko Energy fristet in der Lausitz ein unscheinbares Dasein. Die Suche nach ihren Eigentümern führt in die Luxuswelt der russischen Oligarchen.

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© André Schulze

Von Ulrich Wolf und Katja Schlenker

Die Luft steht. In dem stickigen Büro vergnügen sich Fliegen auf übrig gebliebenen Schokoladenkeksen und angetrockneten Kaffeeresten. Mit einer Handbewegung verscheucht Artur Steinbrecher die Plagegeister. Der Chef der Eko Energy GmbH in Rothenburg in der Oberlausitz hat die Besprechung gerade beendet, es war seine dritte am heutigen Tag. „Ich schaue hier alle zwei Wochen vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Da jagt ein Termin den nächsten“, sagt der 41-Jährige. Er wirkt erschöpft.

Vor gut vier Jahren verschlug es ihn aus Düsseldorf in die sächsische Provinz. 2010 übernahm er im Gewerbegebiet am ehemaligen Rothenburger Militärflughafen die Firma Sachsen Pellet. Die war als Vorzeigeprojekt der sächsischen Förderpolitik gestartet. Die aus Sägespänen gepressten Pellets, die aussehen wie Ziegenfutter im Streichelzoo, sollten einen Siegeszug antreten in der deutschen Heizungslandschaft. Der Plan scheiterte, die Hoffnung blieb. Der Insolvenzverwalter von Sachsen Pellet urteilte nach dem Verkauf an Steinbrecher: „Besonders erfreulich ist, dass wir einen Investor gefunden haben, der langfristige Interessen in der Oberlausitz verfolgt.“ Die Bürgermeisterin lobte: „Ich freue mich, dass Herr Steinbrecher unsere regionale wirtschaftliche Struktur stärken wird.“

Immerhin 30 Mitarbeiter sind derzeit in dem Werk beschäftigt, es schreibt aber nach wie vor tiefrote Zahlen. Eko Energy ist überschuldet und müsste wie die Vorgängerfirma Insolvenz anmelden. „Die Gesellschafter des Unternehmens verzichten auf die Rückzahlung ihrer Darlehen“, sagt Steinbrecher. „Außerdem haben wir noch bilanzielle Reserven.“ Und die Anlage sei „eine der effizientesten Holzpelletierungen in Europa“.

Dummerweise steht sie wegen technischer Pannen immer wieder still. Gerade hat’s die Verpackungsanlage erwischt. „Jetzt muss ich zwischenlagern, das nervt mich.“ Steinbrecher klagt, dass „hier jeder vor sich 'rumtüftelt“. Er bräuchte dringend drei Elektriker. „Die krieg’ ich hier aber nicht“. Inklusive Erwerb, Sanierung und Kauf des benachbarten Biokraftwerks flossen seit 2010 schon elf Millionen Euro in das Projekt. Eng werde es erst, sagt Steinbrecher, wenn Verluste und Investitionen die Grenze von 35 Millionen Euro überschritten. Er spielt mit seinem Smartphone herum, verjagt wieder eine Fliege.

„Woher stammt das Geld?“

„Das interessiert mich nicht so sehr, da habe ich keinen Einfluss drauf.“

Kaum zu glauben. Ein Mann, dessen Engagement in der Lausitz die im Rheinland gebliebene Familie „extrem belastet“, der im Management auf sich allein gestellt ist, den interessiert nicht, mit wessen Geld er arbeitet? Warum macht Steinbrecher an dieser Stelle dicht, wo er doch sonst seinem Frust über das dümpelnde Geschäft freien Lauf lässt? Steinbrecher erzählt lieber und mit unverkennbar slawischem Akzent, wie er als Jugendlicher mit seinen Eltern aus Kasachstan nach Düsseldorf kam, dort sein Abitur machte und Betriebswirtschaft studierte. Wie er bei einem großen renommierten Wirtschaftsprüfer seinen ersten Job erhielt und sich dann als Unternehmensberater selbstständig machte.

Fragen nach seinen Kontakten in die alte Heimat aber weicht er aus. Er schweift ab, zeigt eine Landkarte an der Wand, unter der geschrieben steht: North of Main no Gain. Das heißt so viel wie: Nördlich des Mains winkt kein Ertrag. 66 Prozent der deutschen Holzpelletproduktion gingen nach Bayern und Baden-Württemberg, sagt Steinbrecher. „Die Transportkosten sind für uns zu hoch.“ Er würde lieber nur den Osten beliefern, doch der Marktanteil von Brandenburg, Sachsen und Thüringen betrage gerade einmal drei Prozent. „Die Sachsen sind noch zu reich und geben ihr Geld lieber für teures Gas und Öl aus.“

Steinbrecher wirkt nahezu besessen, wenn er über erneuerbare Energie spricht. Er begründet das mit seiner „akademischen Veranlagung“. Der Schwerpunkt seines Studiums lag auf Marketing, er spricht außer Kasachisch und Deutsch noch Russisch, Englisch und Französisch. Er dürfte in seinem Element gewesen sein, als er 2007 in Berlin im Auftrag eines russischen Landkreises am Ural eine Präsentation organisierte, auf der Investoren für Biomasse-Kraftwerke gesucht wurden. Er habe dabei eng mit Yuri Fedorov zusammengearbeitet, sagt er. Ein Mann, der als Vertreter der russischen Regierung mehrmals in Protokollen der Klimaschutzgespräche zum Kyoto-Protokoll auftaucht. Und über Fedorov habe er Maxim Katinov kennengelernt, einen Zertifikatehändler für Kohlendioxid-Emissionen. „Der hat dann die Investoren für Rothenburg rangeschafft.“

Maxim Katinov, 45 Jahre, wohnhaft in Moskau. In seiner Biografie stehen Abschlüsse der London Business School, der staatlichen Universität von Kalifornien und vom Moskauer Institut für Physik und Technologie. Er führte Firmen in London und avancierte zum Abteilungschef einer von Fedorov geleiteten Stiftung zur Begrenzung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes. Und seit September 2012 ist er neben Steinbrecher der zweite Geschäftsführer der Eko Energy in Rothenburg.

Steinbrechers Smartphone vibriert. Verschreckt macht eine darauf sitzende Fliege den Abflug. Katinov ist dran, sofort wechselt Steinbrecher ins Russische. Er erzählt, er könne in fünf Minuten reden, das Treffen mit den Journalisten sei gleich zu Ende, mehr könne er jetzt nicht sagen.

Aus dem Unternehmen heißt es, Steinbrecher sei Katinovs Statthalter. Der Moskauer sei es, der alles Wichtige entscheide.

Nein, sagt Steinbrecher, man führe Eko Energy gemeinsam. Er schaut einem bei dieser Antwort nicht mehr ins Gesicht. Dann räumt er ein: Ja, er habe ebenso wie Katinov „etwas eigenes Geld“ in das Rothenburger Werk gesteckt. Der Großteil der Finanzen aber stamme von einer britischen Kapitalanlagegesellschaft. Mehr sagt er nicht dazu.

Im Handelsregister findet sich als Eigentümerin der Pelletfabrik eine Ekoinvest Limited mit Sitz in Limassol auf Zypern. Diese Gesellschaft hat zwar eine Internetadresse; seit Wochen aber wird auf der Startseite nur vermeldet, der Webauftritt befinde sich noch im Aufbau. Wer über die angegebene E-Mail-Anschrift anfragt, erhält keine Antwort. Ein anderer Rechercheweg ergibt: Der Direktor der zypriotischen Ekoinvest ist ein 41 Jahre alter Mann namens Georgios Sergidis.

„Kennen Sie den, Herr Steinbrecher?“

„Ja, das ist ein guter Jurist. Er gehört aber nicht zu den Investoren.“

„Wie kommunizieren Sie mit ihm?“

„Per Videokonferenz, mit Skype.“

„Warum haben die Gesellschafter von Eko Energy ihren Sitz auf Zypern?“

„Weil das Handels- und Wirtschaftsrecht dort dem britischen sehr ähnlich ist.“

Mehr ist Steinbrecher nicht zu entlocken. Könnte es nicht auch sein, dass die Gesellschafter Zypern als Firmensitz gewählt haben, weil sie dort maximal 12,5 Prozent Steuern zahlen? Damit werben auch deutsche Juristen. „Die Gründung Ihrer Zypern Limited beinhaltet die Nutzung unserer Büroanschrift, unseren Treuhandservice und ein Firmenbankkonto auf Zypern“, heißt es etwa in der Internetanzeige einer Hamburger Kanzlei.

Oder könnte für Ekoinvest in Limassol sogar gelten, was im März 2013 aus einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags durchsickerte? Demnach hat der Bundesnachrichtendienst (BND) „systematische Faktoren“ über in Zypern angelegtes russisches Schwarzgeld entdeckt. „Für russische Oligarchen ist Zypern ein interessanter Standort“, lautete das Fazit des BND. Immobilien und Unternehmensbeteiligungen seien beliebte Methoden, Schwarzgeld zu waschen. Um die Kontrolle des Geldflusses zu erschweren, hätten die Gesellschafter von zypriotischen Firmen zudem oft noch eine weitere Muttergesellschaft in Ländern ohne Finanzaufsicht.

Steinbrecher zufolge sind die Geldgeber der Rothenburger Holzpelletfabrik Briten. „Quatsch“, sagt ein ehemaliger Manager von Eko Energy. Hinter dem Ganzen stecke vielmehr ein Mann, der russische Oligarchen in Finanzdingen berate. „Ich selbst habe diesen Mann Ende 2010 in Dresden getroffen, als es um den Kauf des Werkes ging.“ Der Mann habe eine Rendite von 15 Prozent vom eingesetzten Kapital gefordert. Zudem habe er sich hohe Fördermittel erhofft. „Wegen der vielen Pannen in der Anlage sowie des schleppenden Absatzes der Holzpellets sind die Pläne nicht aufgegangen“, sagt der Informant. Den Förderantrag habe die Sächsische Aufbaubank abgelehnt, nachdem klar gewesen sei, wer der wirklich Begünstigte gewesen wäre. Eko Energy klagt gegen die Ablehnung, das Verfahren beginnt Mitte August vor dem Dresdner Verwaltungsgericht. Das Geldhaus macht zu dem Fall keine Angaben, es beruft sich auf das Bankgeheimnis.

Steinbrecher verstummt ganz, als er mit dem Namen des mutmaßlichen Investors konfrontiert wird: Leon Semenenko, 44, Banker, mit Adressen in Genf und Moskau, bestens vernetzt mit Managern der russischen Energiebranche. Auf dem Weltwirtschaftsforum 2013 in Davos vertrat er den Stahlkonzern Metalloinvest. Das riesige Unternehmen gehört dem reichsten Mann Russlands: Alischer Usmanov. Der 60-Jährige, der in London lebt und auch Großaktionär des Fußballklubs Arsenal ist, verfügt dem US-Magazin Forbes zufolge über ein Vermögen von 14 Milliarden Euro.

Dass Usmanov und Semenenko gute Bekannte sind, belegt eine Meldung der russischen Nachrichtenagentur Interfax aus dem Sommer vorigen Jahres. Dieser zufolge verkaufte Usmanov seine Anteile an einer Moskauer Bank an Semenenko. Ein Sprecher des Oligarchen wird mit den Worten zitiert, Semenenko sei ein „unabhängiger Fondsmanager“, der seit Jahren vertrauensvoll mit Usmanov zusammenarbeite. Auf Nachfrage bestätigt der Ex-Manager von Eko Energy, dass es Semenenko gewesen sei, mit dem er sich im Dezember 2010 in Dresden getroffen habe.

Die Ekoinvest in Limassol wird vom gleichen Dienstleister verwaltet wie zwei weitere Zypern-Holdings, die Semenenko zuzuordnen sind. Und: Als Muttergesellschaft der Ekoinvest fungiert eine Firma namens Huntless. Die gehört zu jener Bank, die Semenenko von Usmanov erworben hatte. Huntless hat seinen Sitz – wie auch Usmanovs Firmenimperium USM – auf den britischen Jungferninseln, einem gefragten Steuerparadies in der Karibik.

Eine kleine Firma in der Lausitz, ein Geschäftsführer aus Moskau, Gesellschafter auf Zypern und in der Karibik, superreiche Russen. Steht Steinbrecher deshalb unter Druck? So, als würde er am liebsten alles sofort stehen und liegen lassen?

Eine Fliege war zu gierig. Sie ist in ein Glas mit einem Rest Apfelsaft geflogen. Jetzt zappelt sie ums Überleben.