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Ein Rolling Stone träumt von einer Tour durch Deutschland

Gitarrist Ron Wood huldigt auf seinem neuen Solo-Album seinem großen Idol Chuck Berry. Aber er schreibt schon an neuen Songs für die Stones.

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Ron Wood spielt jetzt auch live Chuck-Berry-Songs. Außerdem arbeitet er mit den Rolling Stones an neuen Songs für deren nächstes Album.
Ron Wood spielt jetzt auch live Chuck-Berry-Songs. Außerdem arbeitet er mit den Rolling Stones an neuen Songs für deren nächstes Album. © BMG

Das Sechziger-Retro-Fieber hat die Rolling Stones offenbar nicht nur für ihr jüngstes Album befallen: Gitarrist Ron Wood widmet seine neue Solo-Scheibe den Songs von Chuck Berry und geht damit auf Tournee. Der 72-Jährige ist und bleibt halt ein Rockstar alter Schule – selbst, wenn er im Gespräch als Kumpeltyp durchgeht. Er hat eine unbekümmerte und redselige Art, aber Kippen und Alkohol längst abgeschworen. Harte Sachen seien schließlich nicht gut für die Gesundheit, und die sei in seinem Alter wichtiger denn je. Zumal Ron Wood noch viel vorhat, wie er uns verrät.

Herr Wood, war Chuck Berry einer Ihrer musikalischen Helden?

Definitiv! Wobei mein erster Held ganz klar Big Bill Broonzy war. Er war es, der mich zur Gitarre greifen ließ. Aber dann habe ich Chuck Berry entdeckt. Durch Import-LPs aus Amerika, die Freunde von mir sammelten. Und diese Platten waren gar nicht so einfach zu kriegen. Man musste eine zuverlässige Quelle dafür haben.

Während man heutzutage einfach auf einen Knopf drückt und jede erdenkliche Musik streamen kann?

Ach, heutzutage sind die Leute völlig verwöhnt. Sie können alles haben, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Nicht, dass ich das prinzipiell für etwas Schlechtes halte. Aber als ich ein Teenager war, lief das völlig anders. Wir liebten die Musik von Chuck Berry und hatten jahrelang keine Ahnung, wie er überhaupt aussah.

Haben Sie Chuck Berry auch mal persönlich getroffen?

Mehrmals sogar.

War er zu Ihnen freundlicher als zu Keith Richards und Eric Clapton? Die hat er bei dem 1986er-Konzert, das unter dem Titel „Hail! Hail! Rock ’n’ Roll“ dokumentiert wurde, ja regelrecht zusammengestaucht.

Ja, er war ein wütender Mensch. Aber mir gegenüber benahm er sich immer wie ein Gentleman. Was wohl die Ausnahme war. Ich habe ein paar Mal mit ihm gespielt, und jedes Mal ist er hinterher zu mir gekommen und hat gemeint: Junge, wo hast du denn die Licks her? Und ich: Von dir! Ich habe ihm also quasi seine eigenen Licks zurückverkauft. Den meisten Musikern gegenüber war er sonst nicht besonders nett. Aber, und das ist der springende Punkt, seine Aufnahmen waren halt unglaublich gut.

Bei seiner Beerdigung 2017 haben die Rolling Stones Blumen geschickt – ein Bukett in der Form einer Gitarre. Warum waren Sie nicht persönlich da?

Es ging zeitlich nicht. Ich weiß noch, dass ich mit Keith Richards darüber gesprochen habe, aber wir waren auf Tour und es hätte nicht gepasst. Aber zumindest haben wir Blumen geschickt und das Grab später alle zusammen besucht, als wir in der Nähe waren. Einer der Gründe, warum ich dieses Album jetzt aufgenommen habe, ist der: Als Chuck gestorben ist, habe ich nichts in dieser Art gesehen – es kam mir vor, als ob er nicht genug gewürdigt würde. Als ob man ihn regelrecht vergessen hätte. Also dachte ich mir: Dann muss ich das eben selbst in Angriff nehmen.

Demnach verfolgen Sie eine regelrechte Mission?

Das tue ich! Und ob! Ich kümmere mich um Chucks Andenken.

Das geht angeblich so weit, dass Sie eine Trilogie an Tribut-Alben planen. Stimmt das, und werden sie alle zu Ehren von Chuck sein?

Nein, ein Album werde ich Jimmy Reed widmen und das andere eher vergessenen Helden wie Muddy Waters, Big Bill Broonzy, Eddie Taylor oder Hubert Sumlin. Richtig tolle Gitarristen, an die sich leider nur die wenigsten zu erinnern scheinen.

Im Rahmen der Tour, die Ende November in England startet, gastieren Sie in Theatersälen statt in gigantischen Stadien. Was ist das für ein Gefühl?

Ich finde das verrückt, sich eine Band in Ameisengröße ansehen zu müssen – und selbst zur Ameise zu werden. Eine Ameise, die auf der Bühne performt. Deswegen ziehe ich die Intimität von kleineren Hallen ganz klar vor. Nur um solche Tourneen, wie wir sie mit den Stones unternehmen, rentabel zu machen, müssen wir halt in den größten Stadien der Welt spielen. Das geht gar nicht anders. Aber im Rahmen meiner Tribut-Tour spiele ich auch in der kleinen Kirche in Kingston, gefolgt vom Shepherd’s Bush Empire und der Symphony Hall in Birmingham oder dem Opera House in Manchester. Es ist ein Riesenspaß, in diesen Läden aufzutreten.

Gibt es vielleicht auch ein paar Konzerte in Deutschland?

Nichts lieber als das! Schließlich kommt meine Plattenfirma BMG ja aus Deutschland. Ich würde da wirklich gerne vorbeischauen, sofern es sich einrichten lässt.

2020 kommt auch Ihre Filmbiografie „Somebody Up There Loves Me“ in die Kinos. Jemand da oben liebt mich – ein passender Titel angesichts Ihres bewegten Lebens?

Er trifft die 72 Jahre, die ich auf diesem Planeten verbracht habe, sehr gut. Es hat mir ein Riesenvergnügen bereitet, diesen Film anzuschauen. Ich habe viel gelacht.

Fragen Sie sich manchmal, warum ausgerechnet Sie überlebt haben und so viele Ihrer Zeitgenossen nicht?

Aber sicher! Ich meine, gerade was das Rauchen betrifft. Bevor ich damit aufgehört habe, habe ich 54 Jahre lang eine nach der anderen weggepafft.

Ronnie Wood und seine dritte Ehefrau Sally Humphreys. Die beiden bekamen im Mai 2016 Zwillingsmädchen.
Ronnie Wood und seine dritte Ehefrau Sally Humphreys. Die beiden bekamen im Mai 2016 Zwillingsmädchen. © Joel C Ryan/Invision/dpa

Warum haben Sie aufgehört? Weil bei Ihnen Lungenkrebs festgestellt wurde?

Weil ich noch einmal Vater geworden bin – von Zwillingen. Und weil meine Frau mich darum gebeten hat. Also habe ich sechs Monate vor der Geburt aufgehört, was mir nicht leicht gefallen ist. Der Krebs war lediglich in meiner linken Lunge und sie konnten ihn ganz leicht entfernen. Dann war wieder alles okay. Insofern hatte ich einfach Glück. Ich habe aber nicht deswegen mit dem Rauchen aufgehört. Das habe ich nur für meine Kids getan.

Wenn Sie heute in ein Hotel einchecken, verwenden Sie dann noch die Namen der Bandmitglieder von Fleetwood Mac, weil sich Ihrer auf irgendwelchen schwarzen Listen befinden könnte?

Das müsste ich wahrscheinlich nur, wenn ich noch mal mit den Faces touren würde. Da haben wir immer auf die Namen von Fleetwood Mac zurückgegriffen, weil man uns sonst gar nicht aufgenommen hätte.

Ist das tatsächlich passiert?

Mehr als einmal.

Treffen sich die Stones tatsächlich in den nächsten Wochen für die Aufnahmen zu einem neuen Album?

Wir nehmen schon die ganze Zeit auf. Also immer, wenn es sich ergibt.

Wie denn, mal eben fix zwischen den ganzen Konzertterminen?

Ja, wir versuchen, die Zeit, die wir zusammen verbringen, so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Das bedeutet, dass wir immer mal wieder ins Studio gehen und an Ideen feilen, egal, wo wir gerade sind. Wir wollen keine Zeit verschwenden. Und die einzelnen Teile, die später die Songs ergeben, schon im Vorfeld so gut wie eben möglich zusammensetzen.

Eigene Songs oder weitere Blues-Cover?

Nur eigene, neue Songs.

Das Interview führte Marcel Anders.

Das Album: Ronnie Wood With His Wild Five: Mad Lad – A Tribute To Chuck Berry. BMG