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Ein Schildbürgerstreich

Vielerorts in Deutschland gibt es zweisprachige Schilder. Nur im sorbischen Gebiet soll das nicht möglich sein.

Von Tilo Berger
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So könnten zweisprachige Wegweiser an der Autobahn aussehen. Die Fotomontage stammt aus dem Jahr 2004, als die damals oppositionelle CDU solche Schilder anregte und damit abblitzte. Jetzt kam die Initiative von den Grünen – mit gleichem Ergebnis.
So könnten zweisprachige Wegweiser an der Autobahn aussehen. Die Fotomontage stammt aus dem Jahr 2004, als die damals oppositionelle CDU solche Schilder anregte und damit abblitzte. Jetzt kam die Initiative von den Grünen – mit gleichem Ergebnis. © SZ/Uwe Soeder (M)

Bautzen. Warum gibt es eigentlich in der zweisprachigen Lausitz nur einsprachige Wegweiser auf Autobahnen? Warum weisen Schilder nur auf Bautzen hin, nicht aber auf Budyšin, wie die Stadt auf sorbisch heißt? Mit diesen Fragen wandten sich die beiden Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock und Stephan Kühn von Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung. Annalena Baerbock aus Brandenburg ist eine von zwei Bundesvorsitzenden der Partei, der Sachse Stephan Kühn gilt als Experte in Verkehrsfragen.

Die Kleine Anfrage der beiden Grünen landete richtigerweise beim Bundesverkehrsministerium, wo Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) am 19. Januar dieses Jahres eine Antwort unterschrieb. Tenor: Es geht nicht. Die RWBA 2000 lassen solche deutsch-sorbischen Wegweiser schlichtweg nicht zu.

„Amtliche Bezeichnungen verwenden“

Hinter der sperrigen Buchstabenfolge verbergen sich die „Richtlinien für die wegweisende Beschilderung auf Autobahnen“ aus dem Jahr 2000. Diesem Papier zufolge, argumentiert Bilger, „ist für die Schreibweise der innerdeutschen Ziele die amtliche Bezeichnung zu verwenden“. Und die lautet im konkreten Fall eben Bautzen oder Hoyerswerda, nicht Budyšin oder Wojerecy. Insgesamt geht es um etwa 130 Wegweiser, die entlang der Autobahnen durch die Ober- und Niederlausitz deutsch und sorbisch zu beschriften wären.

Die Begründung des Ministeriums, warum das nicht geht, gab es fast im selben Wortlaut schon einmal. 2004 hatte sich Maria Michalk mit dem gleichen Anliegen an die damalige Bundesregierung gewandt – und blitzte genauso ab wie jetzt die beiden Grünen. CDU-Frau Michalk war seinerzeit die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bautzen. Ihre Partei war damals in Opposition zur rot-grünen Bundesregierung. Verkehrs-Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) schrieb 2004 an Maria Michalk: Zu viele Informationen auf Wegweisern könnten Autofahrer ablenken. Fast den gleichen Wortlaut verwendete jetzt CDU-Staatssekretär Steffen Bilger für sein Schreiben an die zwei grünen Abgeordneten. Zwischen beiden Antworten liegen 15 Jahre und ein politischer Wechsel. Die Mustertexte für Antworten auf bestimmte Fragen wechselten offenbar nicht.

Argumente überzeugen wenig

Damals war Maria Michalk unzufrieden mit der Antwort aus Berlin, jetzt sind es Annalena Baerbock und Stephan Kühn. Die CDU-Abgeordnete fand damals: „Ich hatte wenigstens den Willen zur schrittweisen Umsetzung entsprechend der finanziellen Möglichkeiten erwartet.“ Jetzt schreibt der Grüne Stephan Kühn: „Die Argumente der Bürokraten im Verkehrsministerium in Berlin gegen mehrsprachige Wegweiser auf Autobahnen sind wenig überzeugend.“ Und er verweist darauf, dass in Ländern wie Finnland oder Slowenien mehrsprachige Wegweiser auf Autobahnen gang und gäbe sind. Außerdem gibt es auch in Deutschland zweisprachige Schilder – wenn sich der darauf genannte Ort im Ausland befindet, wie Breslau/Wroclaw.

Wenig amüsiert waren damals und sind heute die Sorben. 2004 wertete Marko Kowar, damals Referent für wirtschaftliche und infrastrukturelle Angelegenheiten beim sorbischen Dachverband Domowina, die Ablehnung als Nichtanerkennung der sorbischen Sprache. Jetzt sagt Domowina-Chef David Statnik: „Wir hoffen auf ein Umdenken. Es geht schließlich um die Gleichwertigkeit und die Erhaltung der sorbischen/wendischen Sprache.“

David Statnik, Annalena Baerbock und Stephan Kühn bleibt ein Funken Hoffnung: Das Ministerium hat eine Neufassung der RWBA angekündigt.