SZ +
Merken

Ein Talent wächst heran

Emily Güntzel ist erst 15 Jahre alt – und schon Stammgast bei Jugend musiziert. Das kommt nicht von allein.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Andreas Braun

Wer hier wohnt, muss eigentlich Poet, bildender Künstler oder Musiker werden, könnte man auf dem Weg nach Rosenbach denken, wo die junge Musikerin Emily Güntzel (15) wohnt. Sie hat in ihrem Fach Saxofon mit einer fast unheimlichen Selbstverständlichkeit schon so ziemlich alle Erfolge geholt, die möglich sind. „Es ist bemerkenswert“, sagt Saxofon-Lehrer Ragnar Schnitzler, der Emily seit mehr als fünf Jahren an der Kreismusikschule in Löbau unterrichtet, „ich weiß auch nicht, warum viele begabte Musiker aus etwas abgelegenen Wohngegenden kommen. Aber es ist so.“

Sven Rössel Leiter der Kreismusikschule
Sven Rössel Leiter der Kreismusikschule
Ragnar Schnitzler Saxofonlehrer
Ragnar Schnitzler Saxofonlehrer

Emily kam im Alter von zehn Jahren zu Schnitzler, der nach eigener Aussage ihre Begabung gleich erkannt hat. Musikalisch war sie da schon ein paar Jahre unterwegs: seit dem Kindergarten-Alter mit der Blockflöte, später mit dem Saxofon. Vater Henry Güntzel hatte dieses Instrument vorgeschlagen. „Uns war es wichtig“, sagt er, „eine Ausbildung und einen Lehrer in der Nähe zu wählen, der eine professionelle Karriere möglich machen kann“. In Ragnar Schnitzler hatten Vater und Tochter jemanden gefunden, der durch seine guten Kontakte zu Musikhochschulen, Orchestern und auch Instrumentenbauern Musikern solche Wege ebnen kann.

Ihr Vater hatte Emilys Begabung im richtigen Alter erkannt. „Ein bisschen Verständnis für Musik habe ich ja“ sagt Güntzel, der Orgelbauer und Irish-Folk-Musiker ist. Die frühe Förderung im Elternhaus jedenfalls war wichtig. Das gilt auch für den Lehrer. „Wir sind mit Emily ein tolles Team“, sagt Saxofonist Ragnar Schnitzler, „wir verstehen uns blind.“ Schnitzler wirkt bei seiner jungen Schülerin nicht nur im Instrumentalunterricht. „Wenn ich ihr, etwa im Auto bei Fahrten zum Konzert, etwas sage, merke ich, dass sie alles ganz schnell registriert. Es ist selten, dass sich jemand auch ohne Instrument ständig Anregungen holt und das sofort im Kopf umsetzt“, sagt der Musikpädagoge.

Es ist eine Begabung, die aber auch notwendig sei, um erfolgreich zu sein, fährt Schnitzler fort. Denn gerade bei Instrumenten wie dem Saxofon müsse man zu den besten der Welt gehören, um davon leben zu können. „Man ist da als Musiker auf sich selbst angewiesen“, erzählt der Instrumentenlehrer. „Feste Stellen für Saxofonisten kann man wirklich an einer Hand abzählen.“ Entgegen komme einem dabei nur die Einsatzbreite des Saxofons. Von der Klassik bis Pop und Jazz sei im musikalischen Einsatz alles möglich.

Für Emily Güntzel stellt sich die Frage nach Jazz oder Pop vorerst nicht. Sie hat sich ganz dem Klassik-Saxofon verschrieben – und fährt gut damit. „Sie ist nun schon das fünfte Jahr in Folge im Finale bei Jugend musiziert“, bemerkt Ragnar Schnitzler, „das ist schon einmalig.“ Zeit für andere Dinge hat Emily trotzdem. „Etwa eine Stunde am Tag übe ich. Die Regelmäßigkeit macht es“, sagt sie. Dazu kommen Proben und Konzerttermine. „Es gibt maximal nach einem großen Konzert einen Tag Pause, sonst muss man jeden Tag üben. Das kostet schon mal Überwindung.“

Emily Güntzel konnte und kann, zusammen mit ihren beiden Schwestern, inzwischen aus dem Vollen schöpfen, was die Instrumente und die Kompositionen anbelangt. „Einfach in ein Musikgeschäft gehen und ein Saxofon kaufen, geht so nicht“, sagt Henry Güntzel. Der Nürnberger Instrumentenbauer Harald Dallhammer baut speziell Saxofone für Musiker wie Emily Güntzel. Es sind Einzelanfertigungen. Davon bekommt die junge Musikerin vier oder fünf zur Auswahl mit nach Hause. Angefangen hat alles einmal mit einem Weihnachtsgeschenk, einem Saxofon aus dem Jahr 1926. Inzwischen hat sie fünf eigene Instrumente. „Jedes ist wieder ein bisschen anders und jedes für sich auch eine Art Dauerarbeitsplatz“, befindet Instrumentenbauer Güntzel. Er, der im idyllischen Rosenbach in seiner Werkstatt sehr spezielle Orgel-Zungenpfeifen fertigt, hat seinen Instrumentenbau inzwischen auch auf das Saxofon ausgeweitet. Er wartet die Instrumente seiner Töchter nun im Eigenbetrieb. „Das Messing dieser Instrumente ist recht weich. Da muss viel gearbeitet werden, um den Klang zu erhalten, wie er sein muss. Ein Saxofon ist sehr pflegebedürftig, auch wenn es erst einmal nicht so scheint.“

Das Saxofon-Umfeld in und um Löbau könnte für Emily, ihre beiden Schwestern und für andere junge Saxofonisten der Region nicht besser sein. Ragnar Schnitzler holt immer wieder namhafte Größen in die Oberlausitz. Es gibt Workshops international bekannter Professoren-Größen, es gibt ein hervorragend besetztes Saxofon-Orchester und manches mehr.

Emily Güntzel wird sich ab dem 22. Mai für sechs Tage in Hamburg im Finale von Jugend musiziert mit anderen Musikgrößen ihres Alters messen. Nicht direkt mit ihrer Schwester, die in Hamburg auch mit dabei sein wird, aber in einer anderen Altersklasse spielt. Dieses Jahr ist nicht das Zusammenspiel, sondern das Soloinstrument gefragt. Zahlreiche besondere Konzerte hat die Musikerin in der letzten Zeit nun schon absolviert – mit großem Erfolg. Die Profimusiker der Orchester waren begeistert von ihrer Professionalität und von der Kürze der Zeit, die sie brauchte, um alles in den Proben perfekt einzuspielen. Vor Kurzem erhielt sie bei einem Konzert den Ehrenpreis der Stadt Hoyerswerda.

Auch in Sven Rössel, dem Leiter der Kreismusikschule in Löbau, klingt dieses Konzert noch nach. „Ich bin sehr stolz“, sagt er, „das war absolut professionell. Man macht die Augen zu und merkt gar nicht, dass da eine Schülerin spielt.“ „Es passt bei Emily aber auch alles“, ergänzt der Musikschul-Leiter. „Da sind die fördernden Eltern, da ist Talent, da ist ein Super-Lehrer und da spielen auch die Nerven und die Einstellung gut mit.“ Rössels Kreismusikschule schafft noch eine zusätzlich gute Basis für eine professionelle Karriere. „Wichtig ist die finanzielle Förderung, die man vom Freistaat und von der Musikschule bekommen kann, wichtig ist auch der sehr gute musiktheoretische Unterricht hier.“

Unaufgeregt, so sieht Emily Güntzel unterdessen ihr Spiel, ihre Karriere und ihre Auftritte. „Ich bin eigentlich nicht aufgeregt“, sagt sie. Das gelte auch für große Vorspiele wie das Finale von Jugend musiziert in Hamburg. Das klingt sehr selbstbewusst, aber man nimmt ihr das ab, zumal sie auch gleich die Begründung liefert: „Da geht es ja nur darum, sein Bestes zu spielen. Ein Weiterkommen gibt es da ja nicht.“ So eingestellt kann man auch große Auftritte glücklich bewältigen.