"Die Diebe kommen jede Nacht"

Holger Schulze hat es aufgegeben, jedes Mal die Polizei zu rufen. Aber er hat akribisch aufgelistet, was ihm in den letzten Jahren schon so alles über Nacht abhanden gekommen ist: Zwei Alu-Leitern, ein Handwagen, ein Fahrrad, eine Säge, ein Bohrhammer, zwei Baustrahler, ein Balkenhobel . . . "Ich schätze mal, an die 10.000 Euro Verlust sind da schon zusammenkommen", sagt Schulze, der in Ostritz einen kleinen Handwerksbetrieb für Werbeschilder und Leuchtreklame führt. Sein Firmenwagen, ein T4-Transporter, ist vor vier Jahren gestohlen worden. "Ich habe mir bis heute noch keinen neuen kaufen können", sagt er. Schulzes Haus steht nur ein paar Steinwürfe weit von der Fußgängerbrücke entfernt, die die Ostritzer mit ihrem Bahnhof auf der anderen Seite der Neiße verbindet - und mit Polen.
Holger Schulze steht auf der Brücke und wirkt niedergeschlagen. Er hat gerade seinen Nachbarn getroffen, Hubert Rulofs, der vor vier Jahren aus München nach Ostritz gezogen ist. In München sei er nie beklaut worden, sagt Rulofs in unverkennbar bayrischem Akzent. Und hier? Sie haben ihm Diesel aus seinem Auto abgezapft, vorm Haus ein Fahrrad gestohlen, aus der Scheune einen Generator und vom Straßenrand einen Autoanhänger mit Sperrmüll. Erst gestern haben sie ihm aus seinem Garten eine Schubkarre mit Gartenwerkzeug gestohlen. "Alles, was draußen steht, ist am nächsten Morgen weg", sagt er bitter und fragt kopfschüttelnd, wo denn das noch hinführen soll. Er erwartet keine Antwort. Er hat längst resigniert.
Die Ostritzer sind sich sicher, dass die Täter über diese Neiße-Brücke kommen. "Jeder hier weiß das", sagt Hubert Rulofs bestimmt. "Und die Diebe kommen jede Nacht." In der Regel würden sie zwischen 2 Uhr nachts und 5 Uhr morgens auftauchen. "Man hört einen Schlag, wenn sie ein Schloss aufbrechen", schildert Rulofs. "Dann horcht man ins Dunkle, aber meistens hört man nichts mehr."
Die Täter wüssten auch genau, wenn wieder etwas zu holen sei: "Am Freitagnachmittag hab ich Winterräder bekommen, Sonnabend früh waren sie weg", erzählt der Zugezogene. Eine Nachbarin habe die Räder noch verschwinden sehen. Früh um fünf hätten zwei junge Männer sie über die Brücke gerollt.
In den letzten Tagen haben sich die Diebstähle in Ostritz wieder gehäuft. Acht Garageneinbrüche in Ostritz und Leuba hat die Polizei allein am letzten Wochenende gemeldet. Bei einem Nachbarn von Hubert Rulofs haben die Einbrecher dabei Werkzeug im Wert von über 4.000 Euro gestohlen. Ein paar Straßen weiter haben sie drei Garagen aufgebrochen, aber nichts Brauchbares gefunden. Aus einer vierten Garage in Ostritz fehlt jetzt eine Dieselpumpe, aus einer Scheune in Leuba eine Kettensäge, ein Radio und mehr.
Bürgermeisterin Marion Prange (parteilos) hat am Montagmorgen bei der Polizei angerufen. "Wir haben den Eindruck, dass sich die Fälle wieder häufen", sagt sie. "Und ich möchte schon wissen, was die Polizei jetzt macht." Die Polizei, so sagt es Sprecher Torsten Jahn, hat umgehend reagiert und die Einsatzmaßnahmen in Ostritz wieder verstärkt, so sagt es Torsten Jahn. Auch wenn das von den Einwohnern gar nicht so sehr wahrgenommen werde. "Die Kollegen sollen ja auch von den Tätern nicht wahrgenommen werden", erklärt er. Über die Taktik werde er nichts verraten. Man wolle die Täter ja nicht warnen, so Jahn. Dass die Einbrecher auch diesmal wieder aus Polen kommen, wie bei einer Einbruchserie vor vier Jahren, will die Polizei weder bestätigen noch dementieren. Damals hatten die Beamten mehrere Mitglieder einer polnischen Einbrecherbande gefasst.
Hubert Rulofs und Holger Schulze machen sich keine Illusionen. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagen sie, "und nicht nur wir." Holger Schulze macht sich keine Hoffnung: "Nach drei Monaten kommt ein Schreiben von der Polizei, mit der Mitteilung, dass die Ermittlungen eingestellt sind."
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