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Eine Arztfamilie aus dem Bilderbuch

Bettina Krahl führt die Praxis ihres Vaters in Jauernick fort. Ihre Eltern haben ihr die Freude am Beruf immer vorgelebt.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Anja Hecking

Etwas anderes hätte sich Bettina Krahl beruflich nie vorstellen können. Sie wollte Medizin studieren wie ihre Eltern und als Hausärztin auf dem Land arbeiten. Dass sie vor vielen Jahren die Praxis ihres Vaters auf dem Jauernicker Kreuzberg übernommen hat, ist dabei eine besonders schöne Fügung. Waltraut und Ullrich Geisler konnten sich sicher sein, dass die Praxis bei der eigenen Tochter in guten Händen ist. Damit setzt sich in Jauernick-Buschbach eine familiäre Landarztgeschichte fort, die vor einem halben Jahrhundert ihre Anfänge nahm.

Ullrich Geisler hatte damals als junger Arzt hin und wieder im Bergdorf ausgeholfen und auch im Kindergarten schon kleine Patienten behandelt. Nach dem Medizinstudium in Leipzig stand für ihn und seine Frau fest: Beide wollten aufs Land zurück. Da kam ihnen die Idee des damaligen Rates des Kreises Görlitz wie gerufen. Die erste staatliche Arztpraxis sollte in Jauernick entstehen. Ullrich Geisler nahm das Angebot gern an. „Etwas Besseres konnte uns gar nicht passieren“, sagt seine Frau. Am 16. Januar 1964 ging es los. Die Fachzahnärztin und der Facharzt für Allgemeinmedizin teilten sich vier Räume im Erdgeschoss des Gebäudes. Es gab ein gemeinsames Wartezimmer und einen Raum für die Gemeindeschwester. Beide hatten es nicht schwer, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Die Leute waren heilfroh, wieder einen Doktor im Ort zu haben und seine Frau als Zahnärztin gleich mit dazu. Es sprach sich auch schnell herum, dass man vor der jungen Zahnärztin keine Angst zu haben brauchte. Anfangs wurden noch die Großmütter mit den Enkeln auf den Behandlungsstuhl vorgeschickt. Nach bestandenem Test kamen schon bald Groß und Klein, um sich helfen zu lassen.

An den steilen Weg auf den Kreuzberg hoch sind die Einwohner auch gewöhnt. Wenn Geislers heute an diese ersten Jahre zurückdenken, erzählen sie vor allem davon, dass alles weniger bürokratisch und dadurch etwas unkomplizierter war. Allerdings gab es natürlich noch kein Handy für den Arzt und die Wege waren etwas länger. 1976 wurde dann die Zahnarztpraxis durch den Anbau von zwei Räumen erweitert. Durch die vielen Jahre ihrer Arbeit kennen Geislers die meisten Familien über Generationen hinweg. Die Kinder von damals sind heute selbst Großeltern. Und dass man sich als Landarzt nicht nur um das rein Medizinische kümmert, sondern auch so manche Lebensberatung leistet und in so einem Dorf fest eingebunden ist, gehört eben dazu.

Bettina Krahl wusste das ziemlich genau. Die Versuche ihrer Eltern, ihr diesen Beruf auszureden, schlugen fehl. Auch ihren Bruder hielt das nicht davon ab, Arzt zu werden. Nach dem Studium begann sie in der Poliklinik in Hagenwerder ihre Facharztausbildung. Schönau-Berzdorf war als nächste Station geplant. Aber durch die Wende und weitere Entwicklungen kam alles anders. Im Görlitzer Klinikum konnte sie ihre Ausbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin fortsetzen. Später kamen dann noch Zusatzausbildungen zur Ärztin für Naturheilverfahren und Akupunktur dazu.

Das Ehepaar Geisler hatte sich nach der Wende entschieden, die Praxen in eigener Niederlassung fortzuführen. Die Tochter arbeitete ab Januar 1996 in der Praxis des Vaters mit. Es habe immer alles gut gepasst, sagen beide. Durch das Vertrauen, die Unterstützung in der Familie und das gute Miteinander habe das alles funktioniert. 1995 zog sich Waltraut Geisler aus dem Berufsleben zurück. Ihr Mann folgte ihr drei Jahre später. Beide waren froh, von da an anderen Interessen nachgehen zu können. Mit einem Schmunzeln gibt Ullrich Geisler heute zu, er habe sich bis dahin immer gut vor den Computerarbeiten drücken können. Aber dann sei das Abrechnungssystem so aufwendig geworden, dass er eine Entscheidung treffen musste. Bereut hat er es nicht.

Für Bettina Krahl war das alles ein nahtloser Übergang. Sie schätzt das Zugehörigkeitsgefühl auf dem Land. Mit ihrem Mann Dr. Marco Krahl, der als Chefarzt im Klinikum arbeitet, lebt sie in Jauernick-Buschbach. Von den beiden Söhnen studiert inzwischen einer Stomatologie, der andere auch Medizin.

Nach dem Reiz an ihrer Arbeit befragt, muss sie nicht lange überlegen: Ein Landarzt lebe den Grundgedanken des Arztberufes, helfe eben auch in anderen Lebenslagen und betreue Familien vom Kleinkind bis zu den Großeltern.