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Eine Chance für Knut Plagge

Der 36-Jährige hat ein Handicap – für die Kamenzer Firma Optima kein Hindernis für eine Festanstellung. Dabei war alles etwas anders gedacht.

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© Wolfgang Wittchen

Von Tilo Berger

Kamenz. Na, sind Sie gut vorangekommen?“ Jörg Petzold weiß selbst, dass er diese Frage gar nicht stellen muss. Natürlich kommt Knut Plagge gut voran. Er verpackt fertige Teile für den Versand. Einfach in eine Kiste rein und Adressschild drauf, das reicht hier nicht. Die Auftraggeber der Optima Maschinenteile-Fertigungstechnik GmbH in Kamenz sind gewohnt, dass ihre bestellten Teile zum vereinbarten Termin auf den Bruchteil eines Millimeters genau gedreht, gefräst, gesägt oder auch geschliffen wurden. Wie das Produkt, so die Verpackung – alles muss exakt stimmen. 50 bis 60 Pakete pro Tag müssen raus. Und da kommt Geschäftsführer Jörg Petzold auch schon mal so eine Frage über die Lippen.

Knut Plagge ist einer von etwa 90 Mitarbeitern bei dem Unternehmen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1907 reicht. Die ersten Anlagen waren damals Maschinen für die Getränkeindustrie, und noch heute gehört die Branche neben der Medizintechnik zu den wichtigsten Kunden der Firma, die seit 1997 Optima heißt.

Als aus der ehemaligen Spezialmaschinenfabrik Kamenz Optima wurde, war Knut Plagge fast noch ein Teenager. Mit der gleichen Frage, die vor allen in diesem Alter steht: Wie soll es mal weitergehen? Für jemanden mit einem gesundheitlichen Handicap fällt die Antwort wohl noch schwerer. Anzusehen ist dem mittlerweile 36-Jährigen das nicht, und er möchte darüber auch nicht sprechen. Aber es ist da.

Er ist bei Optima nicht der erste und nicht der einzige Mitarbeiter mit einer Beeinträchtigung. Jörg Petzold sieht das ganz sachlich: „Mir ist egal, ob jemand weiß ist oder schwarz, ob jemand ein Handicap hat oder keins. Entscheidend ist für mich, dass die Leistung stimmt.“

Acht Beschäftigte mit Beeinträchtigungen arbeiten derzeit bei Optima, und mit keinem von ihnen gab oder gibt es nennenswerte Probleme, berichtet der Geschäftsführer. „Sicher, wenn zum Beispiel jemand Diabetiker ist, muss ich ihm schon die Zeit und den Freiraum geben, sich zu spritzen. Aber das lässt sich doch alles regeln.“ Ein Mitarbeiter habe zum Beispiel eine schwere Gehbehinderung, berichtet Petzold. Der Mann sortiere im Betrieb Aufträge ein – und das seit 30 Jahren.

Vor seiner Zeit bei Optima war Knut Plagge beim Christlichen Sozialwerk beschäftigt. Die gemeinnützige Gesellschaft betreibt in Kamenz die Werkstatt „Sankt Nikolaus“ für etwa 240 behinderte Menschen. Sie bauen unter anderem Einweg-Paletten für den Versand von Optima zusammen. „Die sind in hoher Qualität gefertigt“, sagt Petzold. Auch zur Pflege der Grünanlagen auf dem Betriebsgelände ordert der Optima-Chef Leute aus der Werkstatt des Christlichen Sozialwerkes. Als Jörg Petzold vor gut zwei Jahren einen Hausmeister suchte, wandte er sich ebenfalls an das Sozialwerk, das ihm prompt Knut Plagge schickte. „Er sollte ursprünglich einfache Hausmeister-Tätigkeiten ausführen, aber wir haben ihn schnell in den Versand integrieren können“, berichtet der Geschäftsführer. „Wir haben ihn an die Aufgabe herangeführt, und mittlerweile ist er ein vollwertiger Mitarbeiter.“ Sein Arbeitsplatz sei nicht befristet und er bekomme das dafür geplante Entgelt sowie alle zusätzlichen sozialen Leistungen von Optima. Stimmt, bestätigt Knut Plagge. „Ich fühle mich hier wohl und von allen akzeptiert.“

Darüber freut sich auch Barbara Wobser, die Leiterin der Werkstatt „Sankt Nikolaus“: „Unser Ziel ist es, die Menschen mit Handicap auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten und zu vermitteln. Herr Plagge ist dafür ein gutes Beispiel.“ Sie finde es „toll, dass es Unternehmen gibt, die sich da engagieren“.

Im Beratungsraum kann Geschäftsführer Jörg Petzold neben die Zertifikate für Qualitätsarbeit jetzt ein weiteres hängen. Das brachte ihm Thomas Berndt, der Chef der Arbeitsagentur Bautzen. Seit 2016 ehrt die Agentur einmal im Jahr ein kleines oder mittelständisches Unternehmen, das sich besonders um die Integration von Menschen mit Handicap verdient macht. Die Agentur kann Firmen dabei finanziell unter die Arme greifen, wie auch bei Knut Plagge. 18 Monate lang zahlte die von Berndt geleitete Einrichtung einen Zuschuss zu den Lohnkosten.

1307 Menschen mit Handicap sind derzeit bei der Agentur arbeitslos gemeldet. Die meisten von ihnen können und wollen arbeiten, weiß Berndt. Und etwa jeder dritte bringt eine abgeschlossene Berufsausbildung mit. In jedem Unternehmen sollen fünf Prozent der Beschäftigten Menschen mit einer Behinderung sein – theoretisch. Praktisch liegt die Quote in der Oberlausitz bei 3,9 Prozent. Hier sieht Thomas Berndt eine große Reserve für den Arbeitsmarkt in der Region. Optima zeigt, wie’s geht.