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Eine Eins für Bautzens Schüler

Die Sorbische Grundschule hat bei einer Bildungsstudie Bestwerte erzielt. Das Ergebnis überrascht sogar die Direktorin.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Ob der Test leicht war? Die Schüler überlegen kurz. An die Fragen können sie sich nicht mehr erinnern. Immerhin ist es fast zwei Jahre her, dass sie an einer deutschlandweiten Bildungsstudie teilnahmen. Ein Junge meldet sich schließlich doch zu Wort: „Wir sagen einfach, dass es schwer war. Dann wirken wir noch intelligenter“, schlägt er vor. Annette Natusch, Direktorin der Sorbischen Grundschule, muss lachen. „Ihr seid nicht nur schlau, sondern auch clever“, kommentiert sie.

Im Klassenraum hat sich die ehemalige 4 a versammelt. Für die Schüler, die mittlerweile das Gymnasium oder die Oberschule besuchen, gibt es gute Neuigkeiten. „Ihr habt bei dem Test mit am besten abgeschnitten“, sagt die Direktorin. An mehr als 1 500 Schulen verteilte das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) Testbögen. Abgefragt wurden vor allem die von der Kultusministerkonferenz festgelegten Bildungsstandards, welche die Schüler in den einzelnen Fächern erreicht haben sollen. Zwar gibt es kein Ranking der einzelnen Schulen. Das dürfe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt werden, heißt es vom Institut. Eindeutig ist das Ergebnis dennoch: Besser als der Bundesdurchschnitt schnitten Sachsens Schüler ab. Und von den vielen schlauen Grundschülern in Sachsen gehören die Kinder aus Bautzen zu den Besten. Egal ob es um Deutsch oder Mathematik geht, mit ihren Ergebnissen konnten sie den sächsischen Durchschnitt übertreffen.

Ein Resultat, das die Direktorin der Grundschule überrascht. Eigentlich wollte Natusch gar nicht an dem Test teilnehmen. „Doch dann sagte man mir, dass unsere Schule ausgelost wurde, ich mitmachen muss“ erklärt sie. Etwas widerwillig teilte Natusch den Vertretern des Institutes mit, dass die Klasse 4 b teilnehmen werde. „In der Klasse 4 a befanden sich viele sorbische Muttersprachler. Die wollte ich mit dem Test nicht belasten“, sagt die Direktorin. Doch auch diese Entscheidung konnte sie nicht treffen. Das Institut hatte sich bereits entschieden und eben jene Klasse 4 a und damit auch sorbische Muttersprachler für den Test in Deutsch und Mathe auserkoren.

Sind Sie so schlau wie die Viertklässler?

Von einfach bis ganz schön kniffelig: Die nachfolgende und viele andere Aufgaben mussten die Schüler beim Test meistern:

Quelle: Cornelsen Verlag 2008 (Bildungsstandards: Kompetenzen überprüfen, Mathematik Grundschule, Klasse 3/4)

Zahlen und Operationen
Ute hat folgende Ziffernkärtchen: 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9. Sie legt damit vierstellige Zahlen. Sie darf für jede Aufgabe jede Ziffernkarte nur einmal verwenden. Wie heißt die kleinste Zahl, die sie legen kann? Wie heißt die größte Zahl, die sie legen kann? Ute soll die Zahl legen, die am nächsten bei 5000 liegt. Anja sagt: „Leg die Zahl 4321“. Doch Ute meint, dies sei nicht richtig. Welche Zahl liegt am nächsten bei 5000?

Antwort: Die kleinste Zahl ist die 1234. Die größte Zahl, die Ute legen kann, ist die 9876. Die Zahl 4987 liegt am nächsten an der 5000.

Muster und Strukturen
Ein Wurm aus Dreiecken wächst von Tag zu Tag. Am ersten Tag besteht er aus vier Dreiecken, am zweiten Tag aus sechs Dreiecken. Am dritten Tag sind es acht Dreiecke. Wie viele Dreiecke benötigt man für den 4. Tag? Wie viele Dreiecke benötigt man für den 10. Tag? Wie viele Dreiecke benötigt man für den 100. Tag?

Antwort: Für den 4. Tag benötigt man 10 Dreiecke, für den 10. Tag 22 Dreiecke, für den 100. Tag 202 Dreiecke.

Größen und Messen
Rechne folgende Werte in Sekunden um:
a) 10 min = __s;

b) 3 min 51 s = __s ;

c) 2 ½Minuten=__s.

Rechne alles in Stunden und Minuten um:

d) 320 min = __h und __ min;

e) 2¼ h =__h und __min.

Antwort: a) 600 s; b) 231 s; c)150 s; d) 5 h und 20 min; e)2 h und 15 min.

Rechtschreibung
Robert hat einer Zeitung einen kleinen Leserbrief geschrieben, dabei jedoch einige Fehler gemacht. Finde sie und schreibe die Wörter richtig auf! Hallo, ich heiße Robert und finde Eure Zeitung interesant. Besonders den Artickel über Tiger. Auch über die Heuschreken habe ich schon was gelesen. Die können in ein paar Minuten alles abfressen. Das ist schlim, aber warum machen die das? Darüber köntet ihr mal was schreiben. Euer Robert

Antwort: Der Brief enthält fünf Fehler. So werden die Wörter richtig geschrieben: interessant, Artikel, Heuschrecke, schlimm. könntet.

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Beim Sorbische Institut hat man eine Idee, woran das gute Abschneiden liegen könnte. „Diese Studie bestätigt Ergebnisse anderer Erhebungen“, erklärt Dr. Jana Schulz, die sich beim Institut mit der Schulbildung und der Mehrsprachigkeit befasst. Gerade beim Lesen hätten mehrsprachige Schüler oft besser abgeschnitten als jene, die nur eine Sprache sprechen. Das Lesen war auch Bestandteil des Bildungstestes.

Die Mehrsprachigkeit ist typisch für die Sorbische Grundschule in Bautzen. Wie die Direktorin erzählt, dürfen die Schüler immer wählen, ob sie Aufgaben in Sorbisch oder Deutsch beantworten möchten. Den größeren Aufwand beim Verfassen der Arbeitsmaterialien und beim Kontrollieren nehmen die Lehrer dafür gern in Kauf.

Bis vor kurzem gab es noch ein Unterrichtsmodel, bei dem sich zwei Kollgen gleichzeitig um eine Klasse kümmerten. Ein Lehrer schrieb den Stoff auf Deutsch, der andere auf Sorbisch an die Tafel. Doch diese Form des Unterrichts sei heute immer seltener machbar, meint Natusch. Zwar fehlt es ihr nicht an Kollgenen – 17 Lehrer gehören dazu, darunter fünf Muttersprachler. Doch weil es vielen Schulen der Region an Lehrern mangelt, ist sie gezwungen, Kollegen abzugeben. Und noch eine Entscheidung muss die Direktorin notgedrungen treffen. Für ihre Grundschule haben sich so viele Kinder angemeldet, dass es für drei Klassen reichen würde. „Ich darf aber nur zwei Klassen bilden“, sagt Annette Natusch.

Eigentlich verbirgt sich dahinter eine gute Nachricht. Heißt es doch, dass die Sorbische Grundschule beliebt ist, dass die Eltern das Bildungsangebot und den Einsatz der Lehrer zu schätzen wissen. Dabei melden längst nicht nur jene Eltern ihre Kinder in der Schule an, die selbst sorbisch sprechen. In den vergangenen Jahren stieg die Anzahl derer, die sich wünschen, dass ihr Kind mit der Sprache aufwächst, obwohl sie selbst diese nicht gelernt haben.

Für jene gibt es klare Regeln. Es werden nur Schüler aufgenommen, die schon über Sorbischkentnisse verfügen. Um die Kriterien zu erfüllen, schicken viele Eltern ihre Kinder in einen der sorbischen Kindergärten. Oder sie ermöglichen ihnen einen Sorbischkurs in ihrer Einrichtung.

Zurück zu den schlauen Schülern. Für jeden hat die Direktorin eine Urkunde ausgedruckt. Und ein großes Lob gibt es obendrauf: „Darauf könnt ihr sehr stolz sein.“