An den Restauratoren führt im Barockschloss Rammenau zurzeit kein Weg vorbei. Wer in das Hauptgebäude der Landbarockanlage kommt, trifft gleich hinter dem gewaltigen Portal auf Heike Pfund. Sie retuschiert neben der Eingangstür mit einem feinen Strich eine Säule. Mit einer Kalkfarbe ergänzt sie die fehlenden Stellen, so dass die Säule optisch wieder ein einheitliches Ganzes bildet. Im Unterschied zu früheren Restaurierungsarbeiten werden Säulen und Wände jetzt aber nicht mehr großflächig zugestrichen, sondern offenporig gestaltet. „Diese Farbgestaltung wirkt leichter, fluffiger, eleganter“, sagt Schlossleiterin Ines Eschler. In mehreren Salons, die in den vergangenen Jahren restauriert wurden, können Schlossbesucher bereits diesen Unterschied sehen.
Original mit Skalpell freigelegt
Mit der im vergangenen Jahr begonnenen Restaurierung der Eingangshalle und des Treppenhauses steht die Sanierung der Rammenauer Landbarockanlage vor dem Abschluss. Seit der Übernahme durch den Freistaat Sachsen im Jahr 1993 wurden sämtliche Gebäude zwischen Torhaus und Schloss restauriert. Die jetzt noch laufenden Arbeiten sollen bis zum Ende dieses Jahres fertiggestellt werden. Dann werden es voraussichtlich rund 20 Millionen Euro sein, die der Freistaat Sachsen in Rammenau in knapp 30 Jahren investierte.
Bei den Restaurierungsarbeiten werden jetzt auch Bausünden vergangener Jahrzehnte beseitigt. Mitunter mussten vier bis fünf Farbschichten abgetragen werden, um auf die Originalsubstanz zu kommen, berichtet Heike Pfund. Wie ein Chirurg im OP-Saal nutzten die Restauratoren dafür unter anderem ein Skalpell. Nach den Freilegungen wurde und werden Schäden und Fehlstellen im Putzuntergrund gekittet. Einige Zonen, vor allem im Sockelbereich, sind besonders betroffen. „Die Mehrzahl der Putzergänzungen stammt aus der Zeit 1960 bis 1980 – meist wurden sie materialtechnologisch und handwerklich nicht optimal ausgeführt“, sagt Ines Eschler. Es fanden sich alte Zement- und Salzausblühungen die nun in filigraner Arbeit durch die Restauratoren abzunehmen und durch neuen Putz zu ersetzen sind.
Demnächst wird in der Eingangshalle eine Musterfläche für die Retusche angelegt. Durch die farbige Eintönung der kontrastreichen Fehlstellen in den Fondflächen beruhigt sich der allgemeine Eindruck bereits jetzt sehr wohltuend und bringt das Original wieder zur Geltung, erklärt die Schlossleiterin. Parallel wird die Farbpalette für die spätere Retusche erarbeitet. Dazu erfolgen regelmäßige Abstimmungen zwischen dem Schloss, dem Restauratorenteam, dem Landesamt für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalbehörde des Landkreises.
Besonders spannend sind die Arbeiten an den beiden Wandbildern gegenüber dem Haupteingang, die links und rechts am Zugang zum Gartensaal zu sehen sind. Dieser Auftrag wurde einer jungen Restauratorin übertragen. Sie wird die Wandbilder wieder in ihrer Dreidimensionalität erstrahlen lassen. Optische Effekte sollen dadurch wieder stärker hervorgehoben werden. Besucher erhalten durch diese Art der Illusionsmalerei den Eindruck einer plastischen Gestaltung – ganz so, als würde das Wandbild über den Gartensaal weiter hinaus in den Schlosspark gehen. Darüber hinaus wurde auf den Stufen im Treppenhaus „der Schmutz der Jahrhunderte“ beseitigt, wie es Ines Eschler nennt. Der wahrscheinlich aus Cotta stammende Sandstein kommt jetzt wieder voll zur Geltung. Einige, später eingebrachte Sandsteinplatten sollen noch ersetzt werden.
Was Rammenau besonders macht
Im nächsten Jahr werden es 300 Jahre, dass der Grundstein zur Rammenauer Landbarockanlage gelegt wurde. Als Erstes entstand damals der Meierhof. Er bildete die wirtschaftliche Grundlage für die Entwicklung des Adelssitzes, der von Ernst Ferdinand von Knoch, Kammerherr der Gattin von August dem Starken, gegründet wurde. Heute ist es ein Barockbau mit einer Besonderheit. Durch den aufwendigen Umbau unter Friedrich von Kleist, der die Rammenauer Anlage im Jahr 1794 erwarb, entspricht die Innenausstattung des Schlosses dem Klassizismus. Denkmalschützer sprechen von einer zweiten Bauepoche. Eben daran knüpfen sie heute an, wenn sie die Empfangshalle und das Treppenhaus so weit möglich auf den Zustand um 1800 zurückführen. Schlossbesucher können das unmittelbar erleben. Denn auch jetzt kann das Schloss besichtigt werden, und die Restauratoren geben gern Auskunft über ihre Arbeit. Man muss sie nur fragen.
Das Barockschloss Rammenau kann im Winterhalbjahr (bis zum 27. März) täglich, von 10 bis 16 Uhr, besichtigt werden. Dienstags ist Ruhetag.
Die Jahreshighlights im Barockschloss
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