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Emmas Schrei dringt durch die Nacht

Der Babyboom hält an. Die Hebammen verrichten dennoch ruhig und gelassen ihren Dienst.

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© André Wirsig

Von Juliane Richter

Die letzten Meter müssen für die werdenden Mütter im Dresdner Uniklinikum die schwersten sein. Denn haben sie es bis in den ersten Stock der Kinder- und Frauenklinik geschafft, wartet noch ein mehr als 50 Meter langer Gang auf sie, bis sie die Kreißsäle erreichen. Nicht jede Frau schafft diesen Weg. „Wir hatten schon Kinder, die im Erdgeschoss in der Ambulanz geboren wurden, weil die Wehen so stark waren“, sagt Hebamme Johanna Albert.

Gemeinsam mit zwei weiteren Hebammen und zwei Hebammenschülerinnen hilft sie in dieser Nacht dabei, die Kinder gesund auf die Welt zu bringen. Um 2 Uhr nachts herrscht Hochbetrieb. Vier der fünf Kreißsäle sind belegt, zudem haben die Schwangeren auch die beiden Vorbereitungszimmer und ein Wehenzimmer in Beschlag genommen. „Drei Frauen, die noch nicht so weit waren, haben wir heute Nacht wieder zurück nach Hause geschickt“, sagt Hebamme Johanna. Ist die Wehentätigkeit noch nicht stark genug und auch die Fruchtblase noch nicht gesprungen, sollen sich die Frauen lieber dort ausruhen. Meist finden sie so eher Schlaf und haben dann mehr Kraft, wenn die Geburt bevorsteht.

Im Schwesternzimmer zeigt ein Computer noch die CTG-Kurven der jüngsten Geburt. Während die Hebammen hier kurz verschnaufen, können sie die Herztöne der noch ungeborenen Babys und die Wehenstärke beobachten. Bei der kleinen Emma hat das Programm seine Arbeit mittlerweile beendet. Sie ist 1.26 Uhr auf die Welt gekommen. Nachdem die Eltern Carina und Torsten eine Stunde Zeit hatten, sich von der Geburt zu erholen und sich mit ihrer Tochter vertraut zu machen, kommt Hebamme Johanna für die Nachsorge vorbei.

Das Messen und Wiegen lässt der Säugling nicht klaglos über sich ergehen – Emmas Schreie dringen als einzige Laute zu dieser späten Stunde über die Station. Mit 3 650 Gramm Gewicht und einer Länge von 53 Zentimetern gehört sie zu den größeren Säuglingen. „Sie war aber auch eine Woche über dem Geburtstermin“, sagt die Hebamme. Mutter Carina beobachtet die Untersuchung mit einem seligen Lächeln. Noch immer liegt die 25-Jährige auf dem Bett, in dem sie Emma zur Welt gebracht hat. Nach 24 Stunden in den Wehen ist sie merklich erschöpft. Als klar ist, dass Emma nicht nur je zehn Finger und Zehen hat, sondern auch sonst vollkommen normal entwickelt ist, nimmt sie ihr Baby wieder entgegen. Nur mit einer Windel bekleidet liegt Emma nun auf ihrer Brust – nackt genießen Mutter und Kind diesen intimen Moment.

Noch etwa eine Stunde werden die jungen Eltern und ihre Tochter im Kreißsaal bleiben, bevor sie ihr Zimmer auf der Neugeborenenstation beziehen. Der Platz im Kreißsaal wird gebraucht, denn gegen 2.50 Uhr klingelt es wieder an der Tür. „Ich hatte erst angerufen. Jetzt habe ich auch so was wie Wehen“, sagt die Enddreißigerin, die mit ihrem Mann die Station betritt. Hebamme Johanna bringt sie in den letzten freien Kreißsaal. Unterdessen erholt sich ihre Kollegin, Hebamme Juliane, von einer anderen Geburt. Für die Schwestern ist der Dienst auch anstrengend. „Wir turnen manchmal ziemlich mit den Frauen“, sagt die 23-Jährige. Bei der letzten Geburt zum Beispiel in Knie-Ellenbogen-Lage.

Die Serie endet mit dieser Folge.