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Erfundene Sparguthaben

Ein Ehepaar aus Freital soll mittellosen Bekannten mithilfe eines Finanzberaters Immobilien verkauft und rund 1,1 Millionen Schaden verursacht haben.

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© Ronald Bonß

Von Maren Soering

Er habe es in seiner langjährigen Laufbahn als Finanzberater noch nie erlebt, dass sich Hartz IV-Empfänger für Immobilienkredite beworben haben, sagte Bojko B. gestern vor dem Dresdner Landgericht: „Das habe ich einfach nicht für möglich gehalten“, so der gebürtige Bulgare. Doch genau solche Kredite soll der 47-Jährige vermittelt und dabei, so die Staatsanwaltschaft, gefälschte Unterlagen der Käufer bei diversen Banken eingereicht haben.

ihr Ehemann Yilmaz B. ....
ihr Ehemann Yilmaz B. .... © Ronald Bonß
... sowie Bojko B. drehten am ganz großen Rad.
... sowie Bojko B. drehten am ganz großen Rad. © Ronald Bonß

Mitangeklagt im Betrugs-Verfahren vor der Großen Wirtschaftskammer ist das Ehepaar Elmira und Yilmaz B.. Drahtzieher des betrügerischen Geschäftsmodells soll demnach der 47-Jährige Yilmaz B. gewesen sein. Gemeinsam mit seiner 34-jährigen Ehefrau betrieb der gebürtige Türke in Freital eine inzwischen liquidierte Baufirma. In den Jahren 2008 bis 2010 soll das Unternehmen diverse Immobilien und Grundstücke in Freital kostengünstig bei Zwangsversteigerungen erworben und später, meist überteuert, weiterverkauft haben.

Doch die Käufer, die die Immobilien zumindest offiziell für den Eigenbedarf oder für die Weitervermietung erwarben, waren keine finanzkräftigen Investoren, sondern mehr oder weniger mittellose Verwandte und Bekannte des Ehepaars. So sollen der Bruder, die Mutter und der Stiefvater der Angeklagten Wohnungen gekauft haben, obwohl alle nur über ein geringes Einkommen verfügten.

Erneute Zwangsversteigerung

Um die Banken, darunter die Ostsächsische Sparkasse, die Ing Diba und die Commerzbank, zu Finanzierungskrediten zu bewegen, sollen die drei Angeklagten falsche Gehalts- und Einkommensnachweise ausgestellt und Sparguthaben der potenziellen Käufer, die teilweise auch von Hartz IV oder einer geringen Frührente lebten, erfunden haben. Alle Kredite wurden, wenn überhaupt, nur kurzzeitig bedient und am Ende von den Banken gekündigt. Die Immobilien gingen zum großen Teil erneut in die Zwangsversteigerung, erzielten dort aber nur die Hälfte bis maximal zwei Drittel der ursprünglichen Kaufsumme: Zwei Reihenhäuser am Gemeindeweg, die 2009 für jeweils mehr als 200 000 Euro verkauft wurden, erlösten zwei Jahre später nur noch rund 100 000 Euro. Am Ende blieben die Geldinstitute auf rund 1,1 Millionen Euro sitzen.

Bereits zum Prozessauftakt regte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats eine Verfahrensabsprache an, stellte Elmira B. und Finanzberater Bojko B. jeweils Bewährungsstrafen in Aussicht. Für den mutmaßlichen Haupttäter Yilmaz B. hält die Kammer eine Freiheitsstrafe zwischen dreieinhalb und vier Jahren für angemessen. Als einziger der drei Angeklagten saß er Ende 2012 auch in Untersuchungshaft, wurde aber nach drei Monaten gegen Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Alle Beteiligten ließen sich auf das Angebot ein. Als Erster schilderte gestern Bojko B. seine Sicht der Dinge: Er habe Yilmaz B. über einen Kumpel im Sportverein kennengelernt, gab er zu Protokoll. Zunächst habe er ihn unverbindlich in Sachen Immobilienfinanzierung beraten. Auch bei den ersten Geschäften habe er zunächst keinen Verdacht geschöpft. Später sei er aber misstrauisch geworden und habe auch, in Absprache mit Yilmaz B., selbst Vermögensnachweise mit einem Bildbearbeitungsprogramm am Computer fingiert. Die falschen Gehaltsbestätigungen seien aber immer von Yilmaz B. gekommen, betonte er. Dieser will sich, wie seine Frau, nun am nächsten Prozesstag zu den Vorwürfen äußern. Ein Urteil ist für Mitte Mai geplant.