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Erste Lese nach sechs Jahren

Roßweinerin kümmert sich um den Weinberg der Stadt. In die Flasche kommen die Trauben aber nicht.

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Von Heike Stumpf

Neben einem Ross ist in Roßweins Wappen auch eine Weinrebe zu finden. Komplett auf künstlerischer Freiheit des „Wappenschmiedes“ beruht das offenbar nicht. Denn in der Stadt soll es tatsächlich einmal einen Weinberg gegeben haben. Um 1221 wird ein solcher erwähnt. Allerdings bleibt offen, wo er sich befand und wie lange er betrieben worden ist. Über dessen Aufgabe kann nur spekuliert werden. Vielleicht hat eine Pilzkrankheit den Bestand zunichte gemacht, oder die damaligen Weinbauern waren mit den Reben einfach unzufrieden. Denn ein feinlieblicher Geschmack war damals mit den Stöcken wohl nicht zu erzielen. Das mutmaßt Monika Weigel. Die Chefin des Bauhofes ist in den vergangenen Jahren nahezu zu einer Weinbäuerin geworden. Einfach deshalb, weil sie sich neben vielem anderen auch um den neuen Roßweiner Weinberg zu kümmern hat. Dort wird es in diesem Jahr, wahrscheinlich ab Ende August/Anfang September, die erste richtige Lese geben – nach sechs Jahren, mitunter wirklich harter Arbeit.

Dafür tut vor allem Simone Richter eine Menge. Als Bürgerarbeiterin hat sie seit rund drei Jahren den Weinberg unter ihren Fittichen. In dieser Zeit hat sie sich enormes Wissen angelesen und eine Menge durchs praktische Tun gelernt. Die Arbeit macht ihr großen Spaß. Sogar daran, das Handwerk von der Pike auf zu lernen, hat sie schon gedacht.

Das Bauhofteam möchte Simone Richters Hilfe nicht missen. Denn nicht nur im Moment ist auf dem Weinberg – dort befinden sich die Rebstöcke auch – viel zu tun. Die Triebe müssen angebunden oder zurückgeschnitten werden. Später schaut sich die Roßweinerin an, unter welchen Blättern die Trauben zu wenig Sonne abkommen. Diese schneidet sie weg. Auch Unkraut muss zwischen den Rebstöcken gezogen werden. Das kommt auf einen extra Komposthaufen, damit Krankheitserreger möglichst wenig Chance haben, sich auszubreiten. Durch einen Mehltaubefall war die erste größere Lese 2013 schon mehr oder weniger ausgefallen. Nur wenige Trauben waren die Ausbeute. Diese durften sich jene schmecken lassen, die auf dem Weinberg mitgeholfen haben.

Vor allem am Anfang war das Urbarmachen des Grundstückes auf dem Südwesthang des Roßweiner Weinberges eine Plackerei. Bauhofchefin Monika Weigel berichtet davon, wie fast mannshohes Unkraut zu beseitigen war. Der Lehm- und Steinboden wurde teilweise ausgebaggert, erneuert und durch Eingraben von Humus angereichert.

Rosen als Wohlfühl-Barometer

Über Proben wird noch immer festgestellt, was dem Boden fehlt. Und noch ein anderes Stimmungsbarometer gibt es: Rosenstöcke. Sie stehen wie in bekannten Weinbaugebieten auch auf dem Weinberg in Roßwein. „Geht es den Rosen gut, trifft das auch auf die Weinstöcke zu“, sagt Monika Weigel. Die Rosen würden schnell und verlässlich anzeigen, wenn sich Ungeziefer breit zu machen droht. Ist das der Fall, wird keine chemische Keule eingesetzt. Das Team setzt auf einen Brennnesselsud. Dieser baut die Pflanzen auf und liefert einen natürlichen Schutz.

Den Ansatz und das dafür benötigte Wasser bringt der Bauhof auf den Weinberg. Am Anfang, als die jungen Rebstöcke noch gegossen werden mussten, ging es nicht ohne Wasser und diese Transporthilfe. Inzwischen helfen auch Förderschüler. Einige kommen außer in den Ferien jeden Montag, um Simone Richter zur Hand zu gehen.

Weitere Hilfe ist willkommen, auch bei der Pflege des Umfeldes. Die Wiese ist wegen der Hanglage kaum mit Technik zu bewirtschaften. Also ist Handarbeit mit Rasentrimmer oder Sense gefragt, um sie in Ordnung zu halten. „Wer Lust und Zeit hat, kann vorbeikommen“, animiert Monika Weigel. Auch unter den Senioren, die sich den Weinberg kürzlich angeschaut haben, wirbt sie für eine Mitarbeit.

Dass sich Roßweiner einbringen, gehört zur Grundidee. 2008 ist die Entscheidung gefallen, wieder einen Weinberg anzulegen. Bei der Umsetzung hat unter anderem ein Weinbauer aus der Partnerstadt Freiberg am Neckar geholfen. Nach einer Erweiterung machen 600 Rebstöcke in fünf Rebsorten den Roßweiner Weinberg aus.

Eine, die Sorte Solaris, kann Simone Richter auch für den heimischen Garten empfehlen. Die sei ihren Erfahrungen zufolge wenig anfällig gegen Krankheiten. Ebenfalls gut eigne sich die Sorte Regent.

Wer daheim Wein anbauen will, sollte einen Platz auf der Südseite haben und ein Spalier anbieten. Daran kann sich der Wein nicht nur festhalten, sondern wird auch belüftet. Rückschnitt, Anbinden und Kontrollen gehören aus Simone Richters Sicht auch daheim zum Pflegeprogramm.

Die Ausbeute vom Roßweiner Weinberg soll in den Kitas auf den Tisch kommen und an Bedürftige ausgeteilt werden. Für die Kelterei und die Weinherstellung sind diese Trauben nicht bestimmt.