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Erstklassiges Englisch

Die Trinitatisschule ist die Erste, an der Schüler die Fremdsprache bald von Anfang an lernen. Experten begrüßen das.

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Von Stefan Lehmann

Zum Abschluss des Schuljahres gibt‘s Kekse. Jedenfalls, nachdem der Keksdieb geschnappt ist. „Who stole my cookie from the cookie jar?“, fragt Lehrerin Doreen Gasch ihre Schüler. Zu deutsch: „Wer hat meinen Keks aus der Keksdose geklaut?“ – und eröffnet damit das Spiel. Wer den Dieb errät, der bekommt auch ein „Cookie“ zur Belohnung. Seit vergangenem Jahr treffen sich die zehn Schüler der Trinitatisschule regelmäßig zur Englisch-AG. Mit Unterricht hat das bisher streng genommen nichts zu tun – noch nicht.

Denn ab kommendem Schuljahr werden an der Trinitatisschule alle Schüler ab der ersten Klasse Englisch lernen. „Mit dem Gedanken hat sich die Schulleitung schon länger getragen“, erklärt Doreen Gasch, die seit einem Jahr in Riesa unterrichtet. Bisher beginnt der Englischunterricht wie an den meisten sächsischen Grundschulen in der dritten Klasse. Wenn künftig schon die Erst- und Zweitklässler eine Wochenstunde Englisch haben, dann bedeute das vor allem einen Lernvorsprung für spätere Klassenstufen. „Außerdem lernen die Kinder heute schon in manchen Kindergärten die Sprache. Die können dann direkt in der Schule anknüpfen“, so Gasch weiter.

Die hohen Erwartungen der Lehrerin sind durchaus realistisch. Das zeigen auch die Erfahrungen aus den fünf Bundesländern, in denen schon ab der ersten Klasse Englisch gelehrt wird. „Im frühen Fremdsprachenunterricht haben sich bisher vor allem Vorteile in Bezug auf das Sprachverständnis gezeigt“, sagt Professor Thorsten Piske. Er leitet den Lehrstuhl für Fremdsprachendidaktik an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg und Erlangen.

Englischunterricht im frühen Grundschulalter schaffe eine gewisse Neugier und Offenheit gegenüber anderen Sprachen und Kulturen, sagt Piske. In Bezug auf das Sprechen selbst gebe es zwar noch nicht allzu viele Vorteile. „Das ist aber auch nicht überraschend, weil bisher in den meisten Klassenzimmern das Verstehen zu Beginn des frühen Fremdsprachenunterrichts deutlich im Vordergrund steht.“

Dass der Grundsatz „je früher, desto besser“ automatisch gilt, sei dagegen ein vielzitierter Mythos, sagt der Wissenschaftler. „Frühbeginn kann zu großen Erfolgen führen. Aber dazu muss das Lernen auch unter günstigen Bedingungen ablaufen.“ Wichtig sei dafür zum einen ein möglichst intensiver Kontakt mit der Sprache, zum anderen gut geschultes Personal. Hier sieht der Professor noch ein Defizit in vielen Schulen. Während Doreen Gasch bereits während ihres Studiums für Englisch an Grundschulen ausgebildet wurde, ist das bei vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht der Fall – selbst in Bundesländern, in denen Fremdsprache schon seit Jahren im Grundschullehrplan verankert ist. „Zu 70 bis 80 Prozent wird der Englischunterricht an den Grundschulen noch fachfremd gehalten“, kritisiert Piske. Die Folge: Das Englisch der Lehrer sei oft weniger spontan und weniger natürlich, die Kinder bräuchten aber unbedingt sprachlichen Input auf sehr hohem Niveau.

Überfordert würden die Kinder durch das frühe Englischlernen nicht, sagt Piske. „Eher im Gegenteil: Je früher der Kontakt mit der Zweitsprache da ist, desto höher die Sprachbewusstheit.“ Das könne sich auch positiv auf das Deutsch der Schüler auswirken. Auch Lehrerin Doreen Gasch betont, die Kinder würden langsam an die neue Sprache herangeführt. „Die Angst, die eigenen Kinder zu überfordern, ist eine ganz logische Sorge.“ Allerdings seien die Englischstunden in Klasse eins und zwei nicht mit dem Unterricht der späteren Jahre zu vergleichen. Noten gebe es weiterhin erst ab der vierten Klasse. „Die Kinder lernen die Sprache spielerisch.“ Etwa, indem sie gedanklich auf Einkaufstour oder durch den Zoo gehen.

Besonders wichtig sei es, Sprechanlässe zu schaffen und auch die Schrift möglichst früh mit einzubeziehen, empfiehlt Thorsten Piske. Der beste Lerneffekt wäre wohl erst mit mehr als zwei Wochenstunden Englisch zu erzielen, sagt der Forscher. „Ich befürchte aber, dass sich das die Schulen nicht leisten könnten.“ Denn dann müssten wohl Abstriche in anderen Fächern gemacht werden.