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„Es tut weh, bringt uns aber nicht um“

Der Werkzeugmaschinenbauer Union Chemnitz ist auf Sanktionen gegen Russland eingestellt – und hat Verständnis.

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© Ronald Bonß

Von Frances Scholz

Scheinbar schwerelos gleitet der metallene Ring durch die Luft. In Wirklichkeit ist er aber so massiv, dass er nur mithilfe eines Krans angehoben werden kann. Und das ist gerade mal ein Bauteil einer Maschine, die am Ende mehr als 25 Tonnen wiegen wird. Hergestellt werden die tonnenschweren Geräte beim Werkzeugmaschinenbauer Union Chemnitz. Geschäftsführer Michael Bergmann schaut in der Produktion vorbei. Momentan arbeiten die Montageschlosser an zwei Maschinen, die in vier Wochen nach Russland geliefert werden. „Das sind vorerst die letzten beiden Aufträge, die aus Russland kommen.“

Dabei ist das Land ein wichtiger Handelspartner der Chemnitzer Firma, die zur Herkules-Gruppe gehört. Die engen russischen Kontakte aus DDR-Zeiten mussten nach der Wende wieder langsam aufgebaut werden. Heute macht das Geschäft mit dem Nachbarn aus dem Osten rund 20 Prozent aus. „Schon seit den ersten Androhungen von Sanktionen haben wir gemerkt, dass unsere russischen Partner sich zurückziehen“, sagt Michael Bergmann. Der Geschäftsführer versucht trotz Sorgen, ruhig zu bleiben. „Unsere Maschinen werden unter anderem im Energiesektor verwendet. Jetzt müssen wir schauen, wie sich die Situation entwickelt.“ Dass aufgrund der Sanktionen Arbeitsplätze gefährdet sind, schließt er aber aus. „Wir haben das Glück, dass wir zu einer finanzstarken Gruppe gehören. Die Einbußen tun uns weh, aber sie werden uns nicht umbringen“, sagt der gebürtige Stuttgarter.

Anders könnte es da schon bei kleineren Unternehmen aussehen. Denn Russland ist gerade für die sächsische Wirtschaft einer der wichtigsten Handelspartner. „Russland belegt mittlerweile den sechsten Rang unter den größten Absatzmärkten“, sagt Bodo Finger, Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft. Für Deutschland insgesamt kommt das Land nicht unter die ersten zehn. „Durch die politischen Zwangsmaßnahmen werden die Firmen gezwungen, ihre Kundenbeziehungen abrupt zu beenden“, so Finger. Das gefährde sächsische Arbeitsplätze.

Ministerpräsident Stanislaw Tillich sieht die Entscheidung der EU kritisch. „Sanktionen sind ein hartes Mittel und für diejenigen, die sie verhängen, auch nicht ohne wirtschaftliche Folgen. Deshalb ist es auch wichtig, darauf zu achten, den Gesprächsfaden nicht aus der Hand zu legen.“

Ronald Schulze, Geschäftsführer der Dresdner Firma Kurt Haufe Schweißtechnik steht mit seinen russischen Kunden in engem Kontakt. „Unser Russlandgeschäft macht zehn Prozent aus. Falls wir von den Sanktionen betroffen sind, bringt das erhebliche Umsatzeinbußen.“ Die sich dann auf die Arbeitsplätze auswirken würden. In den vergangenen Monaten hat er die Erfahrung gemacht, dass die Partner in Russland für die Reaktion aus Brüssel wenig Verständnis haben.

Und auch die sächsische Wirtschaftsförderung erkennt widersprüchliche Signale aus Russland. „Zwar besteht nach wie vor Interesse an der Zusammenarbeit mit Sachsen, aber einige russische Unternehmen schauen sich bereits nach Alternativen um“, sagt Dr. Thomas Richter, Abteilungsleiter Absatzförderung.

Dass sich Russland Partner in den anderen BRIC-Staaten oder in Südamerika suchen könnte, daran zweifelt das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Fast alle haben mit eigenen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und sind keine wirkliche Alternative“, sagt Sprecher Dr. Claus-Friedrich Laaser.

Dass die russischen Partner Union Chemnitz treu bleiben, das hofft Michael Bergmann. „Wir haben ein Büro vor Ort, die Firmen sind mit unseren Produkten zufrieden.“ Die Bohr- und Fräsmaschinen des Unternehmens werden im Bau- und Energiesektor verwendet. Auch im Bergbau und Transportwesen kommen sie zum Einsatz. Im Schnitt dauert die Herstellung einer Maschine neun Monate. Kostenpunkt für das Präzisionswerkzeug: rund 1,5 Millionen Euro. Die ausbleibenden Aufträge merken auch die 180 Mitarbeiter im Chemnitzer Werk. „Noch sind wir nicht besorgt und hoffen, dass sich alles schnell wieder gibt“, sagt Montageschlosser Enrico Kühn.

Die geringere Auftragslage ist aber nicht das einzige Problem. „Wir warten die Maschinen ja vor Ort. Im Moment können wir das für unsere ukrainischen Kunden nicht“, sagt Bergmann. Trotz der Einbußen hat er Verständnis für die Entscheidung aus Brüssel. „Die Sanktionen sind richtig, auch wenn wir wirtschaftlich darunter leiden. Denn es besteht einfach eine gesellschaftliche Verantwortung.“ Der Diplomingenieur hofft dennoch, dass die Zwangsmaßnahmen nicht zu lange anhalten und die Wirtschaft sich schnell erholt. Union Chemnitz wird zur Not vorrübergehend mit Kurzarbeit auf die Einbußen reagieren. „Wenn die Sanktionen doch länger anhalten, werden wir versuchen, neue Märkte zu erschließen und auch neue Maschinen zu entwickeln.“ Bis dahin werden die zwei vorerst letzten für Russland produzierten Maschinen schon längst ausgeliefert sein.