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Ex-Planeta-Chef jetzt bei den Grünen

Warum Albrecht Bolza-Schünemann, einst erster Mann der Koenig & Bauer AG, plötzlich Stadtpolitik in Radebeul betreibt.

Von Peter Redlich
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Albrecht Bolza-Schünemann an der Orgel in der Radebeuler Lutherkirche: „Ich mag, wie jeder Organist, besonders Johann Sebastian Bach, aber auch romantische französische Kompositionen wie Charles-Marie Widor oder Louis Vierne.
Albrecht Bolza-Schünemann an der Orgel in der Radebeuler Lutherkirche: „Ich mag, wie jeder Organist, besonders Johann Sebastian Bach, aber auch romantische französische Kompositionen wie Charles-Marie Widor oder Louis Vierne. © Norbert Millauer

Radebeul. Albrecht Bolza-Schünemann hat fast zwanzig Jahre den Druckmaschinenhersteller und einen der größten Arbeitgeber im Kreis Meißen, die frühere KBA-Planeta AG geführt und war sechs Jahre für den gesamten Koenig- & Bauer-Konzern mit Sitz in Würzburg verantwortlich. Allein in Radebeul hatte das Unternehmen damals mehr als 2.000 Mitarbeiter. 2019 wurde er in den Radebeuler Stadtrat gewählt. Der Mann ist ungewöhnlich, spielt Orgel in der Lutherkirche und ist nach seinem Ausscheiden aus der Konzernspitze nicht – wie viele andere – wieder in den Westen gegangen. Mit seiner Frau Angelika (Physiotherapeutin) lebt der dreifache Familienvater und studierte Maschinenbauingenieur in Radebeul.

Herr Bolza-Schünemann, wie hat es Sie eigentlich nach Radebeul verschlagen?

Ich war ja bereits in einem Tochterunternehmen von Koenig & Bauer in Frankenthal in der Pfalz tätig. Koenig & Bauer hat erst 75 Prozent, dann die weiteren 25 Prozent der damaligen Planeta AG von der Treuhand erworben. In diesem Zusammenhang bin ich im Juni 1991 hierher gekommen.

Inzwischen sind Sie ein Radebeuler, oder?

Wir haben zuerst in Coswig gewohnt. In einer Plattenbauwohnung im Spitzgrund. Darüber war ich sehr froh, denn damals sind ja viele Leute per Flugzeug oder Auto gependelt. Das ist mir erspart geblieben.

Wie lange haben Sie in der Platte gewohnt?

Ein und ein Vierteljahr. Sechs Wochen alleine, danach kam meine Frau mit den zwei Töchtern dazu. Unser Sohn wurde dann hier in Dresden geboren.

Haben Sie die ersten Eindrücke von Radebeul noch in Erinnerung?

Es war, trotz Gartenstadt, noch alles ziemlich grau. Aber man konnte beim Spaziergang schon ahnen, was für ein Potenzial dieser Ort hat.

Sie wohnen jetzt zwischen Bennoschlößchen und Weinbergstraße – einer der schönsten Lagen von Radebeul. Wie sind Sie zu diesem Wohnsitz gekommen?

Das Areal gehörte der Diakonie und wurde als Altersheim genutzt. Es war aber für diese Zwecke eher ungeeignet, ohne Aufzug und ohne vernünftige Badezimmer. Die Diakonie hat in Radebeul-West neu gebaut und damit wurde es möglich, das schöne Grundstück mit dem Haus zu erwerben. Natürlich mussten wir auch sanieren. Das ist jetzt zwanzig Jahre her.

2008 haben Sie den Vorstandsposten abgegeben. Koenig & Bauer war in der Krise. Viele Mitarbeiter mussten erneut entlassen werden. Andere wären dann zurück in den Westen gegangen. Warum Sie nicht?

Wir waren hier mit unserer Familie schon wirklich zu Hause. Würzburg, der Stammsitz von Koenig & Bauer, ist eine sehr schöne Stadt, aber unsere Heimat ist Radebeul geworden.

Mit 57 Jahren sind Sie aus dem Unternehmen ausgeschieden. Was haben Sie danach gemacht?

Ich habe eine sehr interessante mittelständische Maschinenbaufirma im Großraum Leipzig gefunden. Auch mit einer über 100-jährigen Geschichte. Diese Firma konnte ich erwerben. Dort war ich als Geschäftsführer tätig. Wir haben Maschinen für die kunststoffverarbeitende Industrie gebaut und die ganze Welt von Vietnam bis in die USA beliefert, mit mehr als 60 Mitarbeitern.

Und jetzt ist ein ehemaliger Firmenboss bei den Grünen in Radebeul. Haben Sie ein Parteibuch?

Ich bin nicht Mitglied der Grünen. Verschiedene Freunde haben mich angesprochen und ich bin Mitglied im Verein Bürgerforum/Grüne Radebeul geworden. Bei der Wahl zum Stadtrat konnte ich ein respektables Ergebnis erzielen, was mich sehr gefreut hat.

Manche sagen: Die Grünen ist die Partei der Reichen, die etwas für ihr gutes Gewissen tun wollen.

Das würde ich nicht so sehen. Wir haben erheblichen Zulauf aus allen Bevölkerungsschichten, weil Umwelt und Ökologie wichtiger und wichtiger werden. Ich bin der Meinung, man kann ja nicht immer nur über die Politik und bestimmte Strömungen meckern, sondern sollte sich auch selber engagieren.

Feingeist, der auch harte Entscheidungen treffen konnte, sagen Insider über Sie. In der Stadtratsfraktion mit Bürgerforum, Grünen und SPD und sind Sie eher der Ruhepol. Sie haben sich in der Kämmerei sehr gründlich den Stadthaushalt erklären lassen. Das macht nicht jeder.

Die Parallelen zwischen der Buchhaltung in einem Wirtschaftsunternehmen und der vor einigen Jahren in Radebeul eingeführten Doppik sind sehr interessant. Ich will mich da richtig einarbeiten, um klar entscheiden zu können. Das betrifft das Sanierungsgebiet Radebeul-West, die Pläne für das Karl-May-Museum und vieles andere mehr.

Mit neun Mitgliedern ist Ihre Fraktion neben der CDU die stärkste Fraktion. Was ist Ihr Gebiet in der neuen Stadtratsfraktion?

Ich bin im Finanzausschuss und in Aufsichtsgremien verschiedener Beteiligungsgesellschaften der Stadt. Das gibt mir eine sehr gute Übersicht über die finanzielle Situation der Stadt und den daraus resultierenden Handlungsrahmen für zukünftige Projekte und Investitionen.

Hören die anderen auf Ihren Rat?

Ja, das denke ich schon.

Was wollen Sie selbst im Stadtrat erreichen, was ist Ihnen wichtig für Radebeul?

Wir sind eine kleine Stadt mit einer guten Struktur, mit guten Schulen, Sportstätten, den Landesbühnen – das sollte bewahrt und gepflegt und wenn nötig saniert und ausgebaut werden. Der Charakter der Stadt muss erhalten bleiben. Es ist wichtig, dass sich vor allem die größeren Neubauprojekte besser in die vorhandene Stadtlandschaft einfügen.

Kippt der Wert, das schöne Radebeul, gerade?

Wir wollen uns in der Fraktion eine Expertise zum Baurecht erstellen lassen. Im Gesetz steht ja klipp und klar, dass sich ein Neubau einfügen muss – nach Größe, Form und im Verhältnis zur Grundstücksfläche passend zur näheren Umgebung. Das wird bei einigen Neubauten nicht eingehalten. Ich bin kein Jurist, aber der Bauparagraf 34 lässt auch Auslegungen zu. Da muss man bei der Erteilung von Genehmigungen stringenter vorgehen. Damit Bausünden, die es ja in Radebeul wirklich gibt, aufhören.

Was sollte in Radebeul noch zügiger als bisher vorangetrieben werden?

Ich fände es wünschenswert, wenn das Sanierungsgebiet Radebeul-West endlich begonnen und fertiggestellt wird. Was passiert mit dem Bahnhof? Wie wird der Eigentümer eingebunden?

Sie spielen Orgel in der Lutherkirche, haben sogar einen Schlüssel zur Kirche. Was sind Ihre liebsten Stücke?

Für jeden Organisten ist Johann Sebastian Bach natürlich ein zentraler Punkt. Aber es gibt romantische französische Kompositionen wie Widor oder Vierne, die ich mir gerne vornehme. Es macht viel Spaß, so etwas einzustudieren und dann auch öffentlich zu spielen. Hin und wieder habe ich auch in Orchestern mitgewirkt.

Zu welchen Anlässen spielen Sie?

Zu sonntäglichen Gottesdiensten und Kasualien aller Art. Nicht nur hier in der Lutherkirche, auch im Moritzburger Land oder im Erzgebirge auf alten Silbermannorgeln. Und manchmal in der katholischen Gemeinde in Radebeul.

Interview: Peter Redlich

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