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Faule Trauben am Elbhang

Für Winzer sieht es dieses Jahr nicht gut aus. Das Wetter sorgte bei der Lese für einige Probleme.

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© André Wirsig

Von Sarah Grundmann

Hans-Joachim Hoffmann schreitet durch seine Dornfelder-Reben am Königlichen Pillnitzer Weinberg. Normalerweise strahlt der Hobby-Winzer, wenn er sein Reich an der Weinbergkirche begutachtet. Doch heute hat er eine Trauermiene aufgesetzt. Denn grauer Schimmel überzieht seine runden, roten Trauben – wegen des nassen und dunklen Spätsommers ist der Großteil des Dornfelders vergammelt. Und das ist dieses Jahr nicht das einzige Problem für die Winzer.

Fehlende Sonne ließ den Wein nur mühsam reifen, einige Trauben haben ihr nötiges Mostgewicht daher nicht erreicht. „Das ist aber ein wichtiges Qualitätskriterium für Wein“, erklärt Hoffmann. Liegt der Wert unter 75 Grad Oechsel – so die Maßeinheit – , dürfen die Trauben nicht gelesen werden. Diese Vorgabe wurde Hoffmann zum Verhängnis. „Im oberen Bereich der Rebfläche, wo die Hanglage etwas stärker ist, wurde der Wert gerade so erreicht“, sagt der Weinexperte. Im unteren Teil seines rund 1 200 Quadratmeter großen Anbaugebiets musste der Hobby-Winzer die Trauben hingegen hängen lassen. Zwei Drittel Verlust hat Hoffmann deshalb in diesem Jahr gemacht – statt, wie sonst, bis zu 1 300 erntete er nur 450 Kilogramm.

Das hat auch der erfahrene Hobby-Winzer noch nicht häufig erlebt. Seit 1997 besitzt Hoffmann sein kleines Reich in Pillnitz, schon zwei Jahre später folgte der erste Wein. Seine Leidenschaft für die edlen Tropfen entdeckte der heutige Rentner durch befreundete Winzer aus Radebeul, dort half er immer mal wieder mit. Da ihm die Anfahrt von seinem Wohnort in Prohlis und seinem Arbeitsplatz in Klotzsche zu weit war, kaufte der Dresdner die Fläche in Pillnitz. Damals war er einer der Ersten, die den lange ungenutzten Weinberg wiederbelebten. Heute pflegen dort rund 80 Freizeit-Winzer ihre Reben.

Einer davon ist Christian Decker, er besitzt etwa 600 Quadratmeter Rebfläche am Pillnitzer Berg. Auch dem Hobby-Winzer vergammelten viele seiner Trauben. Und er hatte noch ein ganz anderes Problem: Durch den späten Frost im April erfror ein Großteil seiner Frühsorten, den Müller-Thurgau hat es besonders schwer erwischt. Da sein Winzer-Nachbar Hoffmann nur Dornfelder anbaut, waren die niedrigen Frühjahrstemperaturen für ihn kein Problem. Anders bei Decker: Ingesamt konnte er etwa 40 Prozent weniger lesen als im ebenfalls mauen Vorjahr. „Das ist natürlich ärgerlich, schließlich will ich als Hobby-Winzer ja auch irgendwie meine Ausgaben wieder reinholen“, sagt der Winzer. „Aber besonders schlimm ist es für die Profis.“

Zu denen gehört zum Beispiel Lutz Müller. Auch seine Leidenschaft für die roten und weißen Trauben hat ihren Ursprung am Königlichen Weinberg Pillnitz. Dort pflegte Müllers Vater in seiner Freizeit eine Rebfläche, auf der auch der Sohn immer wieder Hand anlegte. Er machte das Hobby schließlich zum Beruf, ließ sich im ehemaligen Staatsweingut Radebeul ausbilden und sammelte unter anderem in Franken, Baden und Kalifornien Erfahrungen. Heute gehören ihm Rebflächen in Pillnitz, am Lingnerschloss und am Schloss Albrechtsberg – knapp drei Hektar kommen so zusammen. Dort hat der späte Frost den Frühsorten ebenso zugesetzt, vom Müller-Thurgau und Bacchus war nur wenig zu retten.

„Aber für die Spätsorten hatte ich lange Hoffnung, bis Mitte August sah es eigentlich ganz gut aus“, so der Winzer. Doch dann kam der Regen und mit ihm die Fäule. „Vom Riesling musste ich deswegen etwa 80 Prozent wegschmeißen“, beklagt er. Erst kürzlich rückten für die Lese der Trauben neun freiwillige Helfer an, die sechs Stunden lang pflückten. Das Ergebnis: knapp 130 Liter Riesling. „Normalerweise ist es das Zehnfache.“ Trotzdem steckt Müller den Kopf nicht in den Sand. „Im nächsten Jahr wird es besser und solange tröste ich mich mit dem Wein, der in meinem Keller steht“, sagt er und lacht.

So optimistisch bleibt auch Hoffmann, aufhören kommt für ihn nicht infrage. „Die Arbeit hier ist für mich auch ein Stück Erholung“, sagt er. „Wenn ich meinen Blick über die Stadt schweifen lasse, macht das fast alles wieder gut.“ Dann vergisst der Hobby-Winzer auch die graue Schimmelschicht auf seinen runden, roten Trauben.