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Fehler bei der Abwahl von Mütsch?

Es ist entschieden: Der Finanzbürgermeister soll seinen Sessel räumen. Der wehrt sich in einer fünfminütigen Ansprache gegen seine Abberufung. Die Stadträte kontern – auch seine Parteifreunde.

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Von Robert Reuther

Die Sitzung beginnt mit einem Eklat. Kaum nehmen die Stadträte am Montagabend im „Stern“ Platz, muss Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU) ein Geständnis ablegen. Es gebe Zweifel daran, dass die außerplanmäßige Zusammenkunft zur Abwahl des Riesaer Finanzbürgermeisters Markus Mütsch (CDU) einer „rechtlichen Betrachtung“ standhält. Sprich: Es kann sein, dass im Falle einer Klage die ganze Sitzung umsonst war. Die Verwaltung hat es schlichtweg versäumt, die Einladungsfrist zu der Sondersitzung von acht Tagen zu wahren. Zwar stimmt anschließend die Mehrheit der Räte dafür, auf die Ladungsfrist zu verzichten. Doch die rechtliche Unsicherheit bleibt. „Das kann nicht wahr sein. Es ist unmöglich, dass man es nicht schafft, uns ordnungsgemäß einzuladen“, sagt CDU-Fraktionschef Marco Müller.

Die Sitzung nimmt anschließend genau den Verlauf, den eine fraktionsübergreifende Unterschriftenliste der Stadträte bereits vermuten ließ. Von 28 Abgeordneten und der OB stimmten 24 Personen für eine Abwahl Mütschs, drei waren dagegen, zwei enthielten sich. Bei dieser Stimmverteilung ist auffällig, dass mindestens zwei Stadträte, die vorher noch per Unterschrift zur Abwahl des Kämmerers aufgerufen hatten, ihre Meinung geändert und sich zumindest enthalten haben. Sie scheinen wieder Vertrauen zu dem Finanzbürgermeister zu haben, das sie wegen dessen spekulativer Zinswetten und einem möglichen Verlust von 33 Millionen Euro für die Stadtkasse verloren hatten.

Ein Rat steht offen zu Mütsch

Zuvor nutzt Markus Mütsch jedoch seine Möglichkeit, sich über die ihm zur Last gelegten Vorwürfe zu äußern – und zwar öffentlich, wie er zuvor aufgrund von Transparenz und Demokratie gefordert hat. Fünf Minuten spricht er vor den Stadträten und den zahlreichen Zuschauern. Sein Statement hat er über das Wochenende zu Hause verfasst. Er wirkt ruhig und gesetzt am Rednerpult, als er sagt: „Ich habe gegen kein Gesetz, keine Verwaltungsvorschrift und auch keinen Stadtratsbeschluss verstoßen.“

Er räumt jedoch sogleich ein, dass er einen großen Fehler gemacht habe, der fatale Auswirkungen für die Stadt haben könnte. Damit meint er eine Zinswette, die allein mit einem zweistelligen Millionenbetrag im Minus steht. Er habe nur das gemacht, was die internationale Finanzwelt empfohlen habe. Das Restrisiko sei vernachlässigbar gewesen. Die Warnungen des Stadtrates habe er beiseite gewischt. „Dies war ein fataler Irrtum und ein großer Fehler“, sagt Mütsch. Dafür übernehme er die alleinige politische Verantwortung und er sei bereit, die Konsequenzen zu tragen. Wenn die OB ihn nicht mehr wolle, müsse er das akzeptieren.

Verantwortlich sei aber auch der Freistaat, der die Wetten erst erlaubt, später verteufelt habe. Mütsch müsse es ausbaden, dass die Landesregierung die Kommunen nicht fürsorgliche behandelt hat. Die Landesbank Baden-Württemberg habe ihn manipuliert und hinters Licht geführt. Daher hoffe er auch, dass der Stadtrat ihm noch eine Chance gebe, den von ihm angerichteten Schaden wieder gut machen zu können.

Das stößt bei den Räten allerdings auf taube Ohren. Die einzelnen Parteien begründen nacheinander, warum sie Markus Mütsch nicht mehr trauen. Marco Müller erklärt, dass sich die CDU-Räte ihrem Mandat und dem Wohl der Stadt verpflichtet fühlen, nicht der Partei. „Und im Sinne von Riesa ist es, dass es ohne Markus Mütsch weitergeht“, so Müller. Die Geschäfte Mütschs fallen der Stadt auf die Füße. Bis Ende November drohen Zinszahlungen von 18 Prozent. „Daher ist das Vertrauen nicht wieder herstellbar“, sagt Müller.

Uta Knebel von den Linken sagt, dass Mütsch das Vertrauen in die Räte längst verloren hatte. Nie hat er gesagt, wie schlecht es um die Zinswetten steht. „Wir wurden immer wieder belogen, so kann es nicht weitergehen“, sagt Uta Knebel. SPD-Fraktionschef Horst Hofmann hält Mütsch vor, dass er entgegen seiner Aussagen immer wieder gegen Stadtratsbeschlüsse verstoßen habe, allein weil er zahlreiche Geschäfte eingegangen ist, von denen die Räte nichts wussten. „Ich habe nichts beschlossen, wo uns 46Prozent Zinsen drohen“, so Hofmann. Bürgerbewegungschef Wilfried Brendel fühlt sich sogar in Mütschs Statement angelogen. „Es geht nicht, das Vertrauen ist weg“, so Brendel. Einzig Linkenrat Volker Thomas hält zu Mütsch. Für Thomas sind die Banken Schuld an der Misere, der Kämmerer wurde in die Geschäfte getrieben. Die Sitzung endet mit ungewissem Gefühl. Hat die Abwahl bestand?