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Flugzeugturbinen im Bauch

Die Aggregate im neuen Müllerkraftwerk in Leppersdorf ähneln denen von Düsenjets. Sie sind nur ein Stück größer.

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© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Noch ist es still in der Halle. Aber das Wummern, das hier in wenigen Tagen herrschen wird, ist angesichts der Stahlkolosse im neuen Müllerkraftwerk in Leppersdorf bereits zu erahnen. Die Zuleitungen für das Gas und die Frischluft sind riesig. Die Turbinen sehen wie Flugzeugtriebwerke aus und machen vermutlich auch eben diesen Lärm. „Draußen wird man davon nichts hören“, verspricht Andreas Strunk, einer der Geschäftsführer von Sachsenmilch. „Die Maschinen selber sind schallgedämmt. Auch die Schornsteine sind mit Schalldämpfern ausgestattet.“ Und wirklich, sie umgibt ein großes Gehäuse, momentan sind lediglich die Seitenwände nach oben geklappt. Ein Gewirr von Leitungen umgibt die Turbinen. Sie müssen geschmiert werden. Es wird gemessen und gekühlt. Teile der Turbinen sind mit einer Art Alufolie umwickelt, ähnlich einer Schokolade. Damit wird die Hitzestrahlung vermindert. Immerhin herrschen im Innern der Maschinen Temperaturen bis zu 1200 Grad. Die beiden Gasturbinen sind etwa so hoch, dass sie gerade so in ein Einfamilienhaus reinpassen würde. In der Länge wären zwei solcher Häuser nötig. Der Sachsenmilch-Chef spricht begeistert von der Anlage. „Für die Verbrennung wird Luft angesaugt und unter Hochdruck, genau wie das Gas auch in die Maschine gepresst. Dadurch entstehen dann auch die hohen Temperaturen.“ Die heißen Verbrennungsgase strömen dann mit hoher Geschwindigkeit in die Turbine und treiben sie an. Mit den Abgasen wird anschließend Wasserdampf erhitzt. „Durch diese Kopplung erreichen wir auch den hohen Wirkungsgrad von 85 Prozent“, sagt Theo Müller. Der Firmenpatriarch führt eine illustre Gruppe durch das Kraftwerk. Unter ihnen der Sächsische Regierungschef Stanislaw Tillich und Landrat Michael Harig (beide CDU). Selbst der Geschäftsführer der Müller Group Heiner Kamps ist dabei. Alle verbiegen sich den Hals, um dem Lauf der vielen Leitungen und Kanäle zu verfolgen. Projektingenieur Andreas Hoh mit schwäbischem Dialekt spart nicht mit Zahlen: „65 Tonnen Dampf werden pro Stunde erzeugt. Damit kann das ganze Werk mit dem heißen Wasserdampf versorgt werden. Der wird beispielsweise zum Erhitzen der Milch gebraucht. Der Dampf kondensiert abschließend und wird als Wasser weiterverwendet“, sagt Andreas Hoh.

Nagelneu steht das Kraftwerk auf dem Gelände von Sachsenmilch in Leppersdorf. Zurzeit laufen die letzten Montagearbeiten. Im Juni soll es in Betrieb genommen werden. Knapp 60 Millionen Euro hat die Anlage gekostet. Fotos: Thorsten Eckert
Nagelneu steht das Kraftwerk auf dem Gelände von Sachsenmilch in Leppersdorf. Zurzeit laufen die letzten Montagearbeiten. Im Juni soll es in Betrieb genommen werden. Knapp 60 Millionen Euro hat die Anlage gekostet. Fotos: Thorsten Eckert © Thorsten Eckert
So ähnlich sieht es im Innern der Gasturbinen aus. Unter hohem Druck werden Luft und Gas in den Verbrennungsraum gepresst und entzündet. Die heißen Abgase treiben die Propeller an. Foto: dpa
So ähnlich sieht es im Innern der Gasturbinen aus. Unter hohem Druck werden Luft und Gas in den Verbrennungsraum gepresst und entzündet. Die heißen Abgase treiben die Propeller an. Foto: dpa © dpa

Das Kraftwerk hat eine Leistung von 34 Megawatt. „Damit kann man den Jahresbedarf einer Stadt mit 60 000 Einwohnern decken. Verwunderlich: In der riesigen Kraftwerksanlage in Leppersdorf werden gerade einmal acht Menschen arbeiten. Im Schichtbetrieb. Mehr als zwei, drei werden hier also nicht zu finden sein. „Sie kontrollieren die Turbinen und warten sie“, sagt der Techniker. Wenn ein Regierungschef und der Kapitän eines Weltkonzerns zusammenstehen, dann geht es natürlich auch um Weltpolitik. Und da bekommen überraschenderweise die Sozis ein dickes Lob von CSU-Mann Theo Müller: „Ich bin froh, dass der Schröder die Ostseepipeline gebaut hat. Solche Verbindungen sichern uns einen langfristig niedrigen Gaspreis. Den brauchen wir, um hier im Kraftwerk günstigen Strom herzustellen.“ Über die Vorgänge auf der Krim und in anderen Teilen der Ukraine ist der Firmenlenker nicht sonderlich beunruhigt. „Wir brauchen das Gas der Russen und die Russen brauchen unser Geld. Deshalb werden sie auch weiterhin liefern.“ Dann geht es über steile Treppen rauf in die nächste Etage. Dort steht eine weitere Turbine. Sie ist vergleichsweise klein. „Sie wird mit heißem Dampf angetrieben. Sie trägt ebenfalls dazu bei, dass der enorme Wirkungsgrad des Kraftwerkes erreicht wird.“ Auch hier ist es noch ganz ruhig. Nur einige Monteure der Firma Caterpillar, die die Gasturbinen geliefert haben, schrauben an den Aggregaten herum. „Die Anlagen werden jetzt justiert. Im Juni laufen sie an. Es kann aber bis zu einem halben Jahr dauern, bis alles präzise eingerichtet ist“, sagt Andreas Strunk. Mit dem Gaskraftwerk wird die Molkerei noch ein Stück mehr zum Hightech-Standort. Sachsens Regierungschef bestätigt das mit einer Anekdote: „Wenn ich mit Besuchern an Leppersdorf vorbeifahre, dann fragen die oft: Wird hier der Airbus gebaut? Ich antworte dann: Nein hier wird Joghurt produziert. Da sind sie ganz verwundert.“