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Flutschutz verschwindet im Boden

Während die Mulde nebenan steigt, wird Auf dem Werder Vorsorge betrieben. Ein neues System kommt zum Einsatz.

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Von Heike Stumpf

Einige Anwohner in unmittelbarer Nachbarschaft der Freiberger Mulde können in Kürze aufatmen. Sie werden weniger bangen und in Sorge sein müssen, wenn das nächste Hochwasser anrollt. Die Öffnungen vor ihren Grundstücken werden in Zukunft 1,60 Meter hoch geschützt, und zwar von einem mobilen System. Es heißt Aquaburg und wurde von Wasserbauer Hartmut Wibbeler aus Münster entwickelt. Seit Dienstag ist er in Roßwein, um seine Schutzkonstruktion einzubauen. Diese hätte die Anwohner ein Hochwasser wie im Juni vergangenen Jahres vermutlich nahezu schadlos überstehen lassen.

Zunächst sind Wibbeler und seine Helfer unterhalb der blauen Brücke gegenüber der Kita unter den Linden. Auf ungefähr zehn Meter Länge ist ein Graben gezogen. Dort hinein kommen U-Profile aus Beton. Diese haben hier und da vorgebohrte Löcher. In diese werden später die Pfosten eingehangen. Das taschenartige Profil nimmt außerdem noch ein Netz und eine Plane auf. Das zusammen ergibt Wibbeler zufolge einen stabilen Schutz vor Wasser und Schwemmgut gleichermaßen. „Wir haben das System über zwei Jahre lang an der Uni Hamburg-Harburg testen lassen“, erklärt der Geschäftsführer der Firma Aquaburg Hochwasserschutz. Dabei wurden unter anderem Baumstämme dutzendfach gegen die Planen geschwemmt, um realistisch nachzustellen, mit welcher Wucht Treibgut unterwegs ist. Damit wurde geprüft, ob die Folie reißfest genug ist. Wibbeler geht davon aus, dass sein System einen verlässlichen Schutz bietet.

Roßwein als Vorzeigeobjekt

Weil er sich so sicher ist, hat er sich Roßwein als Standort für sein Referenzobjekt ausgesucht. Hier kann er es auch anderen Kommunen, Firmen und Privatpersonen, die an einem Fluss liegen, demonstrieren. Das ist häufig günstiger als Filmvorführungen. Mit einer solchen hat Wibbeler im Herbst vergangenen Jahres seine Lösung für einen schnellen Hochwasserschutz im Rathaus vorgestellt.

Ende nächster Woche kann er vor Ort zeigen, wie schnell sein System aufgebaut ist – und wie rasch es nach dem Einsatz wieder im Boden verschwindet. Netz und Plane werden zusammengelegt und kommen zusammen mit den Pfosten in das Profil. Das erhält eine Abdeckung aus einem Gitter. Dieses schützt das Material, das im Boden eingelassen ist, vor dem Herbstlaub oder anderen Verschmutzungen. Wenn der Flutschutz benötigt wird, dient das Riffelblech der Stabilisierung der Pfosten. So haben die Gitter eine Doppelfunktion.

An insgesamt drei Stellen macht diese Art Schutz für Roßwein zunächst Sinn: An den Häusern 34 a und 38 Auf dem Werder sowie dort noch einmal zwischen Muldenbrücke und dem Trafohäuschen des Stromversorgers sowie auf der Muldenstraße zwischen den Grundstücken 11 und 26. An diesen Abschnitten entlang der Mulde hatte es sich gezeigt, dass das Stapeln von Sandsäcken durchaus erfolgreich sein kann, aber viel zu viele Leute bindet und auch relativ viel Zeit in Anspruch nimmt. Aquaburg könnte die Alternative sein. Für den Aufbau ist kaum mehr als eine Handvoll Leute nötig. Nach dem Einsatz müssen keine Säcke eingesammelt und getrocknet werden.

Dass nur ein kleiner personeller Aufwand erforderlich ist, haben die Räte als einen Vorteil von Aquaburg gesehen, als sie sich für dieses System entschieden haben. Im November 2013 wurden Interessierten noch weitere Varianten des mobilen Hochwasserschutzes vorgestellt. Bei einem bestand der Schutz aus einem Steck- und Schraubsystem. Allerdings müssen die Module nach dem Abbau auch in der Nähe eingelagert, der Transport und das Personal im Ernstfall abgesichert werden.

Kostenpunkt: 1 000 Euro pro Meter

Ein weiterer Vorteil der Entwicklung aus Münster ist, dass keine Wartungskosten anfallen. Allerdings, so erklärte Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) bei einer Präsentation dieser Schutzvariante, muss Aquaburg einmal im Jahr zur Probe aufgebaut werden. Das soll sicherstellen, dass alle Teile intakt sind.

Für den Hochwasserschutz Auf dem Werder und an der Muldenstraße hat die Kommune 50 000 Euro kalkuliert. Über den Daumen gerechnet kostet der laufende Meter des versenkbaren Systems 1 000 Euro. Damit könnte es auch für Privatpersonen und Eigentümergemeinschaften eine kalkulierbare Größe und Überlegungen wert sein.

Ob es auch die Lösung für weitere Muldenabschnitte ist, darüber werden die Stadträte noch diskutieren. Aus Sicht der Verwaltung ist weiterführend ein Schutz ab dem Stadtbad in Richtung Festplatz wünschenswert. Der käme privaten Hauseigentümern, den Dampfmaschinenfreunden und auch Handwerksbetrieben zugute.