Die fünf Probleme des Freitaler Tierheims

Der Schäferhundmix freut sich sichtlich, dass es in den Wald geht. "Komm, mein Süßer", sagt Regina Barthel-Marr, Vorsitzende des Freitaler Tierschutzvereins. Süßer - so nennt sie den halb ausgewachsenen Racker nicht nur, weil er große Pfoten und ein flauschiges Fell hat. Sein richtiger Name ist unbekannt, ebenso wie das genaue Alter und die Herkunft. Aufgegriffen wurde er am vergangenen Sonnabend in Glashütte. Der Rüde ist mit einem ausländischen Chip markiert, der aber in Deutschland nicht registriert ist.
"Wir hoffen noch, dass sich sein Besitzer meldet", sagt Barthel-Marr. Ansonsten, da ist sie sich fast sicher, wird der "Süße" wieder einer dieser schwierigen Fälle. Davon hat das Freitaler Tierheim auf dem Windberg derzeit einige. Es sei ein hartes Jahr für die Tiere, die Mitarbeiter und vor allem die Vereinskasse, sagt die Vorsitzende. Eine Fülle von Problemen hat sich aufgetan, die immer größer werden.
Problem Nummer 1: Sanierungsstau im Haus
Das Gebäude auf dem Windberg gilt seit vielen Jahren als Sanierungsfall. Die Bedingungen für Tiere und Mitarbeiter waren lange hart an der untersten Grenze. Der Verein erneuert das Haus nun schrittweise, so wie die finanziellen Mittel reichen und die Vorschriften erfüllt werden müssen. Es geht um neue Quarantänebereiche innen und außen sowie den Umbau des Kleintier- und Katzenbereichs im Erdgeschoss. Zwischen 2018 und 2020 kommen dabei 270.000 Euro Kosten zusammen. Ein Teil sind Fördermittel vom Land, vom Deutschen Tierschutzbund und Zuschüsse von der Stadt Freital. Aber eine erhebliche Summe muss der Verein selbst aufbringen. Das kann nur über Spenden funktionieren. Dazu kommen Sachleistungen von Vereinsmitgliedern, Unternehmen und ehrenamtlichen Helfern. Dafür sei der Verein sehr dankbar. Dennoch halte sich der Verein gerade so über Wasser.
Problem Nummer 2: Es gibt immer mehr Streuner
2019 ist die Katzenpopulation rasant angestiegen. "Das Problem ist akut, und es haben ganz viele Tierheime, egal, wen man da fragt", berichtet Regina Barthel-Marr. Ursache ist, dass sich nicht kastrierte Freigänger mit wild lebenden Katzen paaren. Der Nachwuchs ruft dann zunächst besorgte Anwohner auf den Plan, die wiederum im Tierheim Alarm schlagen. Massenhaft Katzennester, teils mit kränklichen Kätzchen, habe man dieses Jahr schon entdeckt, erzählt Barthel-Marr. Das Tierheim nimmt sich dieser Problemfälle an, versorgt die Tiere und kastriert sie. Dafür gibt es sogar Fördermittel vom Freistaat. Allerdings nicht in voller Höhe, auf zehn Prozent der Kastrationskosten bleibt das Tierheim sitzen. Dazu kommen dann noch Futter- und Pflegekosten, bevor die Katzen wieder in die Freiheit entlassen werden. Vermittelbar sind die wilden Streuner nämlich nicht.
Problem Nummer 3: Welpenschmuggel nimmt zu
Immer häufiger ruft die Bundespolizei im Tierheim an. Dabei geht es um geschmuggelte Welpen. "Es ist sehr traurig, so etwas zu sehen", berichtet Regina Barthel-Marr. Die Tiere werden von verantwortungslosen Züchtern viel zu früh von ihren Müttern getrennt. Fast alle kämen deshalb kränklich und geschwächt in Deutschland an. Im Tierheim, wo sie nach der Beschlagnahmung abgegeben werden, hat man viel Mühe mit den Welpen. Sie müssen gesund gepflegt, aufgepäppelt und durchgeimpft werden. Im Schnitt dauert es drei Monate, bis die Welpen zur Vermittlung freigegeben werden können. Zwar bekommt das Tierheim für die geleistete Arbeit Geld vom Veterinäramt des Landkreises, doch die Tagessätze reichen nicht. "Da legen wir noch drauf, weil es sehr kosten- und zeitaufwendig ist, sich um die Welpen zu kümmern." Den Welpenschmuggel beenden können nur die potenziellen Käufer, sagt Regina Barthel-Marr. "So lange über Ebay Kleinanzeigen solche Hunde für einen Spottpreis gekauft werden, wird das Elend weitergehen."
Problem Nummer 4: Immer mehr verhaltensauffällige Hunde
Während die Welpen wenigstens als gut vermittelbar gelten, stellt eine andere Kategorie Hund den Tierschutzverein vor massive Herausforderungen: verhaltensauffällige Tiere. Meist handelt es sich dabei um große Rassen, die abgegeben oder auch eingezogen werden, weil die Besitzer mit ihnen nicht klarkommen - in der Regel aus Unkenntnis oder Zeitmangel. "Viele schaffen sich einen Hund an, ohne vorher genau zu bedenken, was solch ein Hund braucht und was sie selbst dem Tier bieten können." Vor allem Herdenschutzhunde seien gerade sehr in Mode. Barthel-Marr: "Die sehen auch sehr schön aus, bevorzugen aber von ihrem Wesen her das Leben in der freien Natur. Sie brauchen eine Aufgabe und Auslastung." Dementsprechend schwer fällt es den Tieren, sich anzupassen, schnell gelten sie als schwer erziehbar. Im Tierheim wird es für sie nicht leichter. "Es macht viel Arbeit, bis man einen solchen Hund in der Bahn hat." Mindestens ein halbes Jahr dauere das, häufig länger. Schwer vermittelbar bleiben sie trotzdem. Manche Hunde leben deshalb schon Jahre im Heim - und produzieren dort Kosten ohne Ende.
Problem Nummer 5: Die Betriebskosten steigen
Katzenplage, Welpenschmuggel, verhaltensauffällige Hunde und allgemeine Preissteigerungen führen zu steigenden Betriebskosten. 250.000 Euro muss der Verein dafür mittlerweile im Jahr aufbringen, da sind die Gehälter für die Mitarbeiter noch nicht mal eingerechnet. Allein die Tierarztkosten liegen bei 68.000 Euro. Die Einnahmequellen sind dagegen überschaubar. Werden Tiere beispielsweise aufgegriffen, zahlen die vertraglich gebundenen Kommunen dafür eine Unterbringungspauschale. Diese deckt aber nur zum Teil die tatsächlichen Kosten. Ohne Spenden und Sponsoring könnte sich der Verein nicht über Wasser halten. "Wir danken allen von Herzen, die sich daran beteiligen. Uns hilft jeder Euro", sagt Regina Barthel-Marr.
Mehr Nachrichten aus Freital lesen Sie hier.
Den täglichen kostenlosen Newsletter können Sie hier bestellen.