SZ +
Merken

Friedhofsmauer zerfällt

Die Denkmalpfleger wollen am Hauptfriedhof einen Neubau. An Ort und Stelle. Kirchgemeinde und Stadt wünschen es anders.

Teilen
Folgen
NEU!
© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Thomas Große tritt ganz nahe an die Mauer heran. „Da ist schon wieder etwas rausgefallen“, sagt der Friedhofsverwalter und zeigt auf einen Haufen Steine.

Auf Schritt und Tritt offenbart die Friedhofsmauer an der Kötzschenbrodaer Straße ihre Probleme. Mauerteile liegen am Boden. Ein Grabmal neigt sich zur Seite, ein anderes nach hinten. Am Mauerende Richtung Serkowitz klafft ein Loch: Freier Blick auf die Straße. Die Mauer arbeitet. Das macht sie zwar schon länger. Doch seit der Juni-Flut mit Elb- und Grundwasser noch mehr. Deshalb geht es am gefährlichsten Mauerstück nur noch mit halbseitiger Straßensperrung und Ampel vorbei.

Das kostet die Stadt im Monat 3 000 Euro. Thomas Große schätzt den Aufwand für die Lösung des Mauerproblems auf etwa 200 000 Euro. Die Straßensperrung zähle ebenso dazu wie die Gutachten. Noch mehr ins Gewicht fällt aber die Gefahr, die von der maroden, fast ohne Gründung errichteten Mauer ausgeht, sagt Petra Börner, die Leiterin der Friedhofsverwaltung. Viele Fußgänger gehen trotz Absperrung direkt daran vorbei. „Wir hoffen, dass die Mauer stehenbleibt.“ Stürzt sie zusammen, sind 200 Jahre Stadtgeschichte dahin, sagt Thomas Große. Acht besonders wertvolle Grabmale müssten deshalb dringend abgenommen und gesichert werden.

Was erst geht, wenn die sogenannte denkmalschutzrechtliche Genehmigung vorliegt. „Sie wurde uns bis zum Jahresende zugesagt“, so der Friedhofsverwalter. Vorher kann an der Mauer nichts gemacht werden, nicht mal eine Notsicherung. Eine Vorarbeit wurde allerdings jetzt abgeschlossen: Das Friedhofsteam hat 64 Urnen der Gemeinschaftsgrabanlage umgebettet, ins Zentrum des Friedhofes. Petra Börner: „Von den Angehörigen haben wir dafür nur positive Rückmeldungen erhalten.“

Dass die Denkmalschützer inzwischen die grundhafte Sanierung, also den Neuaufbau der Mauer, bestätigt haben, freut die Verwalter. Allerdings fehlt noch die Entscheidung zur Linienführung des 300 Meter langen Bauwerks. Stadt und Kirchgemeinde wollen neben einem Neuaufbau auch, dass der etwas eingerückt auf dem Friedhofsgelände entsteht. Damit mehr Platz für die Fußgänger wird, zu denen nicht nur die Friedhofsnutzer, sondern auch Schulkinder zählen.

Zum Einrücken haben die Denkmalschützer allerdings eine andere Auffassung. Claudia Ochocki vom Landesamt für Denkmalpflege schreibt, dass die Mauer im Bereich des Hauptfriedhofs nicht erhalten werden könne, da das Bauwerk den geplanten Straßenbaumaßnahmen nicht standhalten würde. Das besage ein Gutachten zum Zustand der Friedhofsmauer.

Deshalb stimmt das Amt dem Abbruch des Kulturdenkmals in dem Bereich zu. Betont jedoch, dass ein Neubau unter Wiederverwendung des ortstypischen Syenitgesteins aus denkmalpflegerischer Sicht an gleicher Stelle notwendig ist. Begründet wird das Claudia Ochocki zufolge damit, dass die innere Struktur des Friedhofs – Wege, Grabanlagen, Baumpflanzungen sowie die ortsbildprägende Friedhofsmauer – als Sachgesamtheit nach dem sächsischen Denkmalschutzgesetz geschützt ist.

Trotzdem bedenkt das Amt auch den Wunsch der Kirchgemeinde nach einem breiteren Fußweg am Friedhof. Der Vorschlag der Behörde: Eine Erweiterung des Straßenquerschnittes auf der gegenüberliegenden Straßenseite zugunsten einer geradlinigen Wegeführung. Anhand von Katasterplänen sowie vor Ort habe man festgestellt, dass die Kötzschenbrodaer Straße gegenüber dem „Neuen Friedhof“ um etwa ein bis zwei Meter schmaler wird.

OB Bert Wendsche (parteilos) setzt auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Denkmalamt. Da sichere Fußwege beim Straßenbau Priorität haben, will die Stadt nun prüfen, ob und wie die Straße sozusagen auf die andere Seite geschoben werden kann. Bis Ende Januar sollen die Planungen vorliegen, die Kompromissvorschläge ans Landesamt gehen. Für die gesamte Mauer vom Gottesacker bis zum freien Feld.

Dass die Mauer aus Hochwassermitteln gefördert wird, bestätigt Pfarrerin Antje Pech von der Friedenskirchgemeinde. Etwa 1,1 Millionen Euro soll der Bau der gesamten Mauer – 300 Meter am Hauptfriedhof, 80 Meter am alten Friedhof – kosten, sagt Thomas Große. Zu 100 Prozent gefördert. Auch für die Mauer am alten Friedhof würde er einen Neubau bevorzugen, da dort gar keine Fundamente zu finden sind. Dem Denkmalschutz zufolge ist hier aber der Erhalt möglich. Und das bedeutet Reparatur.