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Friedrichs Altar kehrt nach Decin zurück – via Graupa

Der Meißner André Bytomski malt eine Meisterkopie des berühmten Bildes. Am Sonnabend wird sie vorgestellt.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Graupa. Glutrot leuchtet der Himmel über dem goldenen Christuskreuz auf dem Hügel, als würde dahinter das barocke Dresden brennen. Gebündeltes Licht wie von Flakscheinwerfern, die nach todbringenden Bombern suchen, bricht sich an den Wolken. Aber es ist kein Feuersturm des Zweiten Weltkrieges, der da auf dem Gemälde wütet, es ist die Sonne, die hinter dem Felsen untergeht. Sie sorgt für eine emotionale Lichtstimmung, die das mehr als 200 Jahre alte Bild zu einer Ikone der Frühromantik macht, das aber mit dem Wissen von heute auch eine ganz andere Interpretation erfahren kann.

Das 1807/08 entstandene, nachgedunkelte Original ist in der Galerie Neue Meister in Dresden zu sehen.
Das 1807/08 entstandene, nachgedunkelte Original ist in der Galerie Neue Meister in Dresden zu sehen. © Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Caspar David Friedrich (1774-1840), der das „Kreuz im Gebirge“ 1807 und 1808 in Dresden malte, kannte zwar den Krieg durch Napoleons Eroberungszüge, aber weder Flugzeuge noch strombetriebene Strahler. Auch der Untergang der Stadt in einem Inferno wie im Februar 1945 lag vermutlich jenseits seiner Vorstellungskraft. Dabei ist das Bild, es ist sein erstes Ölgemälde überhaupt, durchaus visionär. Friedrich vereint darin erstmals Natur, Kunst und Religion auf eine für damalige Auffassungen geradezu revolutionäre Weise.

Was ihm zum Teil heftige Kritik von Künstlerkollegen einbrachte, nicht nur des ungewöhnlichen Motivs wegen, wie André Bytomski weiß. „Das Licht kommt von hinten und oben, was nicht geht, und eigentlich müsste es vorn stockdunkel sein“, sagt der Maler, der das „Kreuz“ auf einer Staffelei in seinem Atelier in Meißen stehen hat. Natürlich nicht das unbezahlbare Original aus der Galerie Neue Meister in Dresden, sondern eine meisterliche Kopie. Alles daran ist wie beim echten Friedrich: die Größe, die Form, die Leinwand, die Maltechnik, das Motiv. Nur die Patina – wie den vergilbten Firnis – lässt Bytomski weg. „Die kommt von allein“, sagt der Künstler.

Das Gemälde ist ein von Sponsoren finanziertes Auftragswerk der Richard-Wagner-Spiele, die, sagt Intendant Johannes Gärtner, das Bild dem Schloss Decin in Böhmen als Dauerleihgabe überlassen wollen. Es ist eine Heimkehr: Das Original hing dort 112 Jahre lang in den herrschaftlichen Räumen und heißt seitdem auch „Tetschener Altar“. Graf Franz Anton von Thun hatte das Gemälde für das Schloss Decin, also Tetschen, gekauft. Aus nicht überlieferten Gründen, möglicherweise wohl aus Geldnot, so Archivar Rostislav Krivanek, verkaufte die Familie das „Kreuz im Gebirge“ 1921 an die Dresdner Gemäldegalerie.

Künstler hätte mehr Zeit gehabt

„Die Meisterkopie ist ein Geschenk an unseren neuen Spielort“, sagt Johannes Gärtner. Die Kosten dafür beziffert er auf rund 15 000 Euro, einen großen Teil davon trägt der 38-jährige Dresdner mit seiner Firma Cerca Dio selbst. Im Juli gastieren die Richard-Wagner-Spiele erstmals im Hof des Deciner Schlosses. Zur Aufführung kommt, wie zuvor in Graupa, Gärtners musikalisches Kammerspiel „Ein Stück vom Himmel oder Wenn ich mal ewig bin“, in dem der Komponist Richard Wagner und der Maler Caspar David Friedrich über Wert, Sinn und Macht ihrer Kunst streiten.

Am Sonnabend will Gärtner in seiner Rolle als Caspar David Friedrich das Gemälde in Graupa als Eröffnung der fünften Wagner-Spiele erstmals der Öffentlichkeit vorstellen. Eine Woche später wird es in Pirna auf ein Schiff der Sächsischen Dampfschifffahrt verladen und auf historischem Weg elbaufwärts nach Decin verschifft – wie das Original im Jahre 1809. Es soll, sagt Schlosschefin Iveta Krupicková, wieder im gräflichen Schlafzimmer aufgehängt werden. Zunächst aber ohne vergoldeten Holzrahmen. Der, sagt Gärtner, soll im nächsten Jahr nachgebaut werden.

„Da kann das Bild in Ruhe trocknen, und dann kommt auch erst der Firnis drauf“, sagt André Bytomski, der seit drei Monaten in seinem kleinen Atelier unterm Dach an der Kopie arbeitet. Die Vorbereitungen nahmen ein weiteres Vierteljahr in Anspruch. Bytomski hatte die seltene Gelegenheit, Friedrichs Original, das übrigens nicht signiert ist, ohne seine schützende Glashülle studieren und fotografieren zu dürfen. Aus den Bildern ließ der Künstler Farbauszüge in Originalgröße drucken. Mittels eines Rasters übertrug der 48-Jährige das Motiv dann auf die Leinwand.

Was so einfach klingt, ist ein langwieriger Prozess. „Ich habe so wie Friedrich damals gearbeitet“, sagt Bytomski. Der „Tetschener Altar“ ist eine klassische Ölmalerei in Lasurtechnik. Der Künstler begann mit einer Vorzeichnung mit Bleistift und Kohle, der Untermalungen mit Eitempera in Sepiafarben folgten, um eine theatralische Wirkung zu erzielen. „Außerdem trocknet es deutlich schneller, weil die Ölschicht dünner sein kann“, weiß Bytomski.

Der Künstler hätte gerne mehr Zeit für die Malerei gehabt, „wenigstens sechs Monate“, sagt er, um auch die letzten Geheimnisse und Details des Bildes entschlüsseln und in die Kopie übertragen zu können. Wie die winzigen Zapfen an den Fichten, die auf dem Original nicht mehr zu erkennen sind. „Aber auf meinem Laptop kann ich sie sehen“, sagt Bytomski nicht ohne Stolz über seine Entdeckung.

Der gebürtige Dresdner ist ein erfahrener Handwerker und Künstler. Im VEB Denkmalpflege Dresden lernte er den Beruf eines Kirchenmalers und studierte später an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden Theatermalerei. Bayerische Staatsoper, Staatsoper Zürich, Burgtheater Wien und bis 2009 Semperoper Dresden sind nur einige seiner beruflichen Stationen. Stets hat Bytomski selbst gekündigt: „Ich wollte immer wieder etwas Neues lernen.“ Bis ihm das Malen von Kulissen nicht mehr kreativ genug war: „Da war ich immer nur der Ausführende von Entwürfen, die andere gemacht haben.“

Seitdem arbeitet er freischaffend, restauriert etwa für das Schloss Pillnitz und das Dresdner Schloss, malt aber auch Villen und Restaurants aus, gestaltet die Kulissen für die Winter-Events in der Autostadt Wolfsburg oder für Filme des MDR zum Beispiel im Horch-Museum Zwickau. In Meißen schmückte Bytomski jüngst das Geburtshaus der ersten deutschen Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters mit ihrem Porträt – vier mal vier Meter groß.

Eine ganz andere Frau malte André Bytomski für sich selbst – das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Jan Vermeer von Delft. Meisterliche Kopien Alter Meister sind eine Spezialität des Meißners. Einen Caspar David Friedrich aber hatte Bytomski noch nie auf seiner Staffelei. Bis kurz vor der Übergabe am Sonnabend wird er am „Kreuz im Gebirge“ arbeiten. Im Grunde ist sein Friedrich der brillantere Friedrich, aber eben nicht der echte, dessen Gluthimmel und Goldkreuz vor 200 Jahren wohl aber auch einmal so leuchteten.