SZ +
Merken

Fünf Meter Kult

Holger Gäbler ist Olsenbanden-Fan. Sein Chevrolet Belair bekommt beim Bautzener Theatersommer eine „mächtig gewaltige“ Rolle.

Teilen
Folgen
NEU!
© Uwe Soeder

Miriam Schönbach

Bautzen. Das Klicken der Fotoapparate ist Holger Gäbler gewöhnt. Allerdings gelten die staunenden Ah-Rufe nicht ihm. Die Schaulustigen haben nur Augen für sein Auto. Gut fünf Meter misst der dunkelblaue Chevrolet Belair, Baujahr 1959, inklusive imposanter Heckflosse. Die meisten sind weniger Oldtimer-begeistert als viel mehr leidenschaftliche Olsenbanden-Fans. Denn mit einem Wagen selben Typs fuhren Egon, Benny und Kjeld in zehn Folgen über die Kinoleinwand. Selbstverständlich spielt der Straßenkreuzer auch im diesjährigen Sommertheater eine rasante Rolle.

Auf dem Armaturenbrett steht der Name von Morten Grunwald. Er spielte „Benny“ im Olsenbanden-Trio. Das Autogramm holte sich Familie Gäbler beim FanTreffen 2013 in Kopenhagen.
Auf dem Armaturenbrett steht der Name von Morten Grunwald. Er spielte „Benny“ im Olsenbanden-Trio. Das Autogramm holte sich Familie Gäbler beim FanTreffen 2013 in Kopenhagen. © Uwe Soeder

Holger Gäbler schwingt sich in sein Auto. Auf der durchgehenden Bank vorn kann locker eine vierköpfige Familie sitzen. Die Rückbank bietet genauso viel Platz. Am Rückspiegel baumelt ein Egon-Olsen-Zigarren-Stummel aus Plastik. Auf dem Armaturenbrett stehen Original-Autogramme von Morten Grunwald, viele kennen ihn besser als Benny, und Børge-Darsteller Jes Holtsø und Ove Verner Hansen (1932-2016). Der dänische Schauspieler war der Olsenbanden-Bösewicht, genannt „das dumme Schwein.“ „Wir haben uns die Unterschriften beim Fantreffen 2013 in Kopenhagen geholt“, sagt der 53-Jährige. Gemütlich startet er den Chevrolet. Ein bisschen ist es wie Boot fahren.

Fenster in eine fremde Welt

Der Oldtimer schaukelt um die Ecken. Der Arbeiter am Friedhof am Protschenberg holt schnell noch sein Handy heraus, um ein Bild zu machen. „Ich habe schon immer gern an Autos gebastelt. Irgendwann dachte ich, es wäre schön den Olsenbanden-Chevrolet zu fahren. Geglaubt habe ich daran aber nicht. Es gibt einfach in Deutschland nicht viele von der Sorte“, sagt der vierfache Vater. Seine ersten Olsenbanden-Filme schaut er wie viele anderen in der DDR in den 70er- und 80er-Jahren im Kino. Die Krimikomödie ist Kult zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Für die Zuschauer ist es ein „Fenster in eine fremde Welt“, so Gäbler. Dänemark ist für die meisten bis 1989 unerreichbar.

Der Bautzener Theatersommer

Beim Theatersommer wird die Gaunerkomödie „Die Olsenbande und der große Hintermann“ gezeigt.

Premiere ist am 9. Juni.

Die Inszenierung wird von Mittwoch bis Sonntag gezeigt. Am Sonnabend gibt es jeweils eine Vorstellung um 15 und 19.30 Uhr. Wegen der Fußball-EM gibt es in diesem Jahr keine 21-Uhr-Vorstellungen.

Die 11. Bautzener Burgfilmnächte sind montags ab 21.30 Uhr im Hof der Ortenburg zu sehen. Als erster Film wird am 13. Juni die Satire „Er ist wieder da“ gezeigt.

www.theater-bautzen.de

1 / 4

Bei Gäblers breitet sich das Olsenbanden-Virus langsam aus. Bei ihrem ersten Dänemark-Urlaub 2004 begeben sie sich auf die Spuren des Gaunertrios. Danach zieht es die Oberlausitzer immer wieder in das Land von Königin Margarethe II. Im Gepäck haben sie die Videos, später DVDs, auch um die Filmplätze mit dem Original abzugleichen. Ihre 14 Coups kennen sie so nahezu auswendig. „In Kopenhagen liegen die Drehorte fast alle in einem Umkreis von einem Kilometer“, sagt der Möbeltransportunternehmer. Die Zigarre am Spiegel wackelt „mächtig gewaltig“ im Rhythmus des schnurrenden Motors.

Gänsehaut in Kopenhagen

Den dunklen Chevrolet Belair entdeckt Holger Gäbler vor sechs Jahren zufällig in einem Autoportal. „Wenn sich mal ein Wagen findet, sind sie meistens pink. Ich hatte Glück“, sagt der Autoliebhaber. Gemeinsam mit seinem ältesten Sohn bringt er den Kfz-Veteran auf Vordermann. Der Junior stellt ein paar Bilder vom neuen vierrädrigen Familienmitglied ins Internet. So wird der Olsenbanden-Fanclub aus Leipzig auf die Bautzener aufmerksam. Bald darauf folgt eine E-Mail, ob sie nicht Lust hätten, zum Fantreffen nach Dänemark mitzukommen. Also setzt sich die Familie 2013 in den Chevi, um gen Norden zu reisen.

Holger Gäbler schmunzelt bei den Erinnerungen. „An der Fähre fragte uns jemand, ob wir überhaupt wüssten, was das für ein Kultauto sei“, sagt der studierte Agrardiplomingenieur. Die Frage bejahen die Reisenden mit einem Lachen. In Kopenhagen sehen sie mit anderen Fans unter anderem im Palasttheater die Gaunerkomödie im Original. Die Zuschauer kennen die Texte auswendig, zwischendrin gibt es Szenen-Applaus. Für die Gäste aus Deutschland sind das Gänsehaut-Momente, genauso wie die Begegnungen mit den Schauspielern. Im Oktober wollen sie wieder zum Fantreffen auf die Insel.

Zwischendurch bekommt aber der Kult-Oldtimer erst einmal seinen Auftritt in der Bautzener Freiluft-Inszenierung „Die Olsenbande und der große Hintermann“. Gern stellt Holger Gäbler dem Theater seinen Straßenkreuzer zur Verfügung. István Kobjela als Benny wird ihn bei 35 Vorstellungen über den Burghof lenken. Die erste Einweisung hat er schon hinter sich. „Das ist kein Auto von heute, das heißt, rechtzeitig bremsen und eine Servolenkung gibt es auch nicht. Aber daran kann man sich schnell gewöhnen“, sagt der Bautzener beim gemütlichen Geschaukel durch das Meer von Autos über die Friedensbrücke. Ein bisschen ist es wie Boot fahren.