SZ + Update Dynamo
Merken

"Wir sind ja nur ein Zweitligist, der eh absteigt"

Dynamos Chris Löwe legt mit seiner Kritik an der DFL für den Corona-Neustart nach. Am Tag danach äußert er sich nur weniger emotional, bleibt aber in der Sache dabei.

 5 Min.
Teilen
Folgen
Die Wut muss raus. Nach der unglücklichen 0:1-Niderlage gegen den Hamburger SV reagierte sich Chris Löwe mit dem Stuhl an der Reservebank ab, nach dem 0:2 in Kiel kämpfte der Dynamo-Profi am Sky-Mikrofon mit den Tränen.
Die Wut muss raus. Nach der unglücklichen 0:1-Niderlage gegen den Hamburger SV reagierte sich Chris Löwe mit dem Stuhl an der Reservebank ab, nach dem 0:2 in Kiel kämpfte der Dynamo-Profi am Sky-Mikrofon mit den Tränen. ©  dpa/Robert Michael

Dresden. Er hat sich beruhigt, wählt die Worte mit mehr Bedacht. Trotzdem steht Chris Löwe zu seinen Aussagen. „Was mich so aufgewühlt hat: Wenn du am Ende in einem fairen Wettbewerb absteigst, dann musst du dir am Ende selbst an die Nase fassen, weil es einfach nicht gereicht hat", sagt der Profi von Dynamo Dresden. "Jetzt aber habe ich das Gefühl - und ich spreche für den ganzen Verein -, dass uns etwas geklaut wurde.“

Dynamo hat signalisiert, sich wehren zu wollen, sollte Löwe eine Strafe für seine offene Kritik an den ungleichen Bedingungen beim Neustart nach der Corona-Pause in der 2. Fußball-Bundesliga erhalten. Die erneuerte der 31 Jahre alte Verteidiger am Freitag in einem Interview bei Sport 1. Dynamo musste wegen zwei Infektionen mit Covid-19 für zwei Wochen in häusliche Quarantäne, während die Konkurrenten normal trainieren und den Spielbetrieb wieder aufnehmen konnten.  „Wir waren also nicht in der Lage zu laufen, sind nur Fahrrad gefahren, und dadurch waren die körperlichen Voraussetzungen auch noch mal ganz andere“, betonte Löwe.

"Wir sind die einzigen Idioten, die den Kopf hinhalten"

Er wiederholte die Frage, die er bereits am Vorabend unmittelbar nach Dynamos 0:2-Niederlage bei Holstein Kiel bei Sky unter Tränen gestellt hatte: „Wäre diese Situation genauso eingetreten, wenn der FC Bayern, Borussia Dortmund oder RB Leipzig in derselben Situation gewesen wären?“ Die Antwort gibt er sich selbst: „Ich glaube, dass dann andere Mittel und Wege gefunden worden wären, um die Saison zu Ende zu spielen. Da kommst du dir schon verarscht vor. Wir sind ja nur ein Zweitligist, der eh absteigt.“

Dynamos Trainer Markus Kauczinski empfiehlt dem Verein nun sogar, rechtliche Schritte wegen der Wettbewerbsverzerrung einzulegen.

Unmittelbar nach dem Abpfiff am Donnerstagabend konnte Löwe seine Gefühle nicht mehr kontrollieren. Frust und Ärger mussten raus. Es folgte eine Art Abrechnung mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL), mehrere Begriffe, die er verwendet, sind nicht jugendfrei. „Glauben Sie wirklich, dass sich die DFL oder Christian Seifert (Geschäftsführer/Anm. d. A.) auch nur eine Sekunde überlegt, was das für uns bedeutet? Sie sitzen in ihren 5.000 Euro teuren Bürostühlen, und wir müssen diesen verf**** Preis bezahlen.“

Chris Löwe rechnet nach dem Spiel mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ab. Nicht alles, was er sagt, ist jugendfrei.
Chris Löwe rechnet nach dem Spiel mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ab. Nicht alles, was er sagt, ist jugendfrei. ©  Screenshot

Für Dynamo war es das siebente Spiel in 19 Tagen. Löwe räumt eine „unterirdische Hinrunde“ der Dresdner ein, doch was jetzt passiere, „das ist einfach eine Wettbewerbsverzerrung von ganz besonderem Ausmaß“. 

Im Gespräch mit Pressesprecher Henry Buschmann - stellvertretend für die Journalisten, die wegen der Hygieneauflagen vor Ort keine Interviews führen dürfen - analysierte Löwe unmittelbar nach seinem Gefühlsausbruch bei Sky die Situation sachlich und doch emotional.

Chris Löwe, wie schätzt Du das Spiel ein?

Erst einmal muss man sagen: Die Rote Karte passt zu unserer Situation. Wir haben alles raus gehauen, aber am Ende hat man gesehen, warum es wahrscheinlich nicht reicht. Wir müssen in den ersten 10, 15 Minuten auf jeden Fall in Führung gehen. Das machen wir nicht. Nach der Roten Karte wird es natürlich schwer in der zweiten Halbzeit. Wir haben alles probiert, aber es hat nicht gereicht.

Steht dieses Spiel sinnbildlich für diese Saison?

Ich glaube, dass wir uns auch an unsere eigene Nase greifen müssen. Wir spielen eine unterirdische Hinrunde, die uns am Ende nach dieser Corona-Sch... in diese Situation zwingt, in der wir jetzt waren. Aber der zweite Teil der Wahrheit ist auch, dass wir keine faire Chance bekommen haben nach dieser Corona-Pause. Wir sind die einzigen Idioten, die aller drei Tage spielen müssen. Wenn du jedes Spiel fünf, sechs Spieler wechseln und immer wieder improvisieren musst, wären wir nicht die einzige Mannschaft, die dann ihre Ziele nicht erreicht in der zweiten Liga. Das könnte der HSV genauso wenig. Die Frage, die sich immer wieder stellt: Ob die DFL auch Bayern München oder Borussia Dortmund dasselbe Programm aufgehalst hätte, oder ob wir die einzigen Idioten sind, die dafür den Kopf hinhalten müssen.

Ralf Minge hat vorher bei Sky noch mal gesagt, die Mannschaft hat Qualität. Wie ist dann dieser sportliche Totalschaden zu erklären?

Das ist genau das, worum es geht: Qualität. Wenn man das auf dem Papier sieht, ist die mit Sicherheit da. Aber wenn du nach 32 Spielen 29 Tore geschossen hast, reicht das einfach nicht. Es geht nicht darum, dass ich unsere Stürmer oder Offensivspieler ankacken will. Es geht um uns alle. Wenn wir das als Mannschaft nicht schaffen, mehr Tore zu schießen, wird es schwierig, Spiele zu gewinnen. Das war eines unserer größten Probleme - und dann kamen die Umstände noch dazu.

Wie schafft man es jetzt, sich nicht gegenseitig zu zerfleischen, sondern mit Anstand aus der zweiten Liga zu verabschieden?

Wir werden noch mal alles geben müssen. Das sind wir dem Verein einfach schuldig. Dann können wir nur hoffen, dass der Neuaufbau gelingt und dieser Verein schnell wieder dort hin kommt, wo er eigentlich hin gehört.

Die Fans haben sich trotz der schlechten Hinrunde in der Winterpause noch mal mit der Mannschaft eingeschworen unter dem Motto: "Wir. Zusammen. Jetzt." Was sagst Du denen jetzt?

Am Ende tut es weh. Ich hatte gerade bei Sky Tränen in den Augen, weil es Wahnsinn ist, was hier passiert. Ich hatte so etwas noch nie (das Einschwören mit den Fans/Anm. d. Red.). In Dortmund war es natürlich besonders, aber dort war der Erfolg da. Die Unterstützung hier ist schon speziell. Deshalb kann ich nur hoffen, dass Dynamo so schnell wie möglich wiederkommt.

Notiert: Sven Geisler